2002 übernahm Carsten Christ einen Handwerksbetrieb im Bereich der Rohrreinigung und baute ihn zum mittelständischen Dienstleister Mayer Kanalmanagement GmbH aus. Um seine eigene Nachfolge zu regeln, holte er einen Investor aus Norwegen ins Boot.
Handwerker sind nicht nur heute knapp, sondern waren es auch schon vor 40 Jahren im Ostteil des geteilten Deutschlands. Der damals volkseigene Staat zeigte sich kompromissbereit und gab dem gelernten Meister für Gas-, Wasser- und Heizungsinstallationen Klaus-Peter Mayer eine Gewerbeerlaubnis als selbstständiger Handwerksmeister. 1985 begann in einem Keller die Geschichte der Mayer Mechanische Rohrreinigung Woltersdorf, einer kleinen Gemeinde am Stadtrand von Berlin. Der Jungunternehmer erwies sich als ausgesprochen clever: Mit zwei Mitarbeitern fuhr er staatliche Betriebe ab und bot ihnen an, deren Regen- und Schmutzwasserkanäle zu reinigen. In der Mangelwirtschaft war dies eine Marktlücke. Die Werkzeuge, eine Spirale und Fräsköpfe, hatte er entweder irgendwo eingetauscht oder selbst gebaut.
Genau wie damals besteht auch heute ein Investitionsstau bei unterirdischen Kanalsystemen. Investitionen in diesen Bereich gelten als unattraktiv, Politiker schneiden lieber öffentlichkeitswirksam Bänder zur Eröffnung von neuen Straßen oder Schulen durch. Unter der Erde ticken derweil die Zeitbomben. Allein für die Sanierung der Infrastruktur unter Tage ist ein mittlerer dreistelliger Milliardenbetrag notwendig. Am Ende wird in höchster Not die Kanalreinigung geordert. 1998 war die Mayer Rohrreinigung zu einem florierenden Handwerksbetrieb mit neun Mitarbeitern emporgewachsen und arbeitete mit TV-Kameras und automatisierten Kanalreinigern. In jenem Jahr begann der 44-jährige Firmengründer Mayer vorausschauend, an seine Nachfolge zu denken. Damals wurden Mayer und Carsten Christ über einen gemeinsamen Geschäftspartner bekannt gemacht.
Skepsis beim potenziellen Nachfolger
Überdreht, übermotiviert – so empfand Klaus-Peter Mayer den 33-jährigen Carsten Christ, als dieser ihm im selben Jahr über einen Geschäftspartner vorgestellt wurde. Andererseits dachte er sich: Lass ihn mal machen. Nach einigen Jahren der Zusammenarbeit erwarb Christ anno 2002 25% der Geschäftsanteile und wurde Geschäftsführer. Zur Finanzierung der Anteile nahm er einen Existenzgründerkredit bei der KfW auf und wurde von der Hausbank des Unternehmens, der Berliner Volksbank, ebenfalls unterstützt. „Ohne Unterstützung der Banken hätte ich es nie geschafft. Für die notwendigen Investitionen erhielten wir auch EU-Fördermittel und Investitionszulagen“, erinnert sich Christ zurück. Bis 2014 übernahm er die Anteile der anderen Familienmitglieder und wurde so zum Alleineigentümer des Handwerksbetriebs. Nebenher wurde er mit dem ehrenamtlichen Chefposten bei der IHK Ostbrandenburg und beim Wirtschaftsforum Brandenburg zu einem der führenden Wirtschaftsfunktionäre des Landes Brandenburg.
Vom Notfallspezialisten zum Rundumdienstleister
Zielgerichtet wurde unter seiner Führung aus dem Handwerksbetrieb ein mittelständisches Unternehmen. Er erweiterte das Portfolio vom Notfallspezialisten in prekären Situationen zu einem Rundumdienstleister in Sachen Kanaldienstleistungen. Gemeinsam mit seinen Partnerunternehmen betreut Mayer Kanalmanagement abwassertechnische Anlagen über den gesamten Lebenszyklus vom Ablauf bis zum Klärwerk. Neue Geschäftsfelder kamen auch durch größere Aufträge zustande. So erstellt das Unternehmen mittlerweile Kanalkataster, was die öffentliche Hand über Jahre hinweg in weiten Teilen versäumt hat. „Wir bekamen in Berlin den Auftrag, die Kanäle auf der Stadtautobahn A 100 zu inspizieren. Als wir bei der Senatsverwaltung nach Plänen fragten, konnte uns niemand eine Auskunft geben. So wurden wir beauftragt, ein komplettes Kanalkataster zu erstellen.“ Inzwischen nehmen viele Kommunen diese Dienstleistungen dankbar an, um den Überblick über ihre unterirdischen Leitungen zu bekommen. 2018 erwarb er mit Unterstützung der Bürgschaftsbank Brandenburg die Krüger Wasserhochdrucktechnik GmbH, die das bisherige Portfolio weiter ergänzte.
Nordischer Branchenführer auf Einkaufstour in Deutschland
Auf die erfolgreiche Unternehmensentwicklung wurde auch die 2017 gegründete Norva24-Gruppe aufmerksam. Deren Anfänge ähneln jenen bei Mayer Kanalmanagement. Eine Reihe kleinerer lokaler Unternehmen aus der Branche in Norwegen fusionierten. Das älteste Unternehmen der Gruppe hatte 1919 mit dem Betrieb einer Klärgrube für Pferdekutschen begonnen. Binnen kürzester Zeit wurde Norva24 der Branchenführer in Norwegen, Schweden und Dänemark. Dank eines Börsengangs an der Nasdaq war die Kasse für geplante Übernahmen in Deutschland prall gefüllt. Für die Zukunft plant Mayer Kanalmanagement ein organisches Wachstum von 6%, während Norva24 auch die Buy-and-Build-Strategie beibehalten will.
„Ich hätte das Unternehmen gern in der Familie behalten“
Interview mit Carsten Christ, Geschäftsführer, Mayer Kanalmanagement GmbH
Unternehmeredition: Herr Christ, Sie hatten seinerzeit einen familiär geprägten Handwerksbetrieb übernommen. Warum haben Sie jetzt an einen strategischen Investor verkauft?
Carsten Christ: Mit Anfang 50 musste ich mir über die Weiter-führung des Unternehmens Gedanken machen. Ich bin sehr spät Vater geworden; mein ältester Sohn ist jetzt zwölf Jahre alt. Und bevor Kinder ins elterliche Unternehmen hineinwachsen und sich für die Nachfolge entscheiden, sind sie in der Regel 25 Jahre alt. Das schied leider aus. Dabei hätte ich gern das Unternehmen in der Familie behalten.
Welche Optionen haben Sie noch geprüft?
Plan zwei war, dass der Juniorgeschäftsführer Philipp Palaske, der damals auch der erste Azubi in unserem Handwerksbetrieb war, den Betrieb übernimmt. Das haben wir unter Risikogesichtspunkten beidseitig sehr genau geprüft. In den 20 Jahren meiner Inhaberschaft war allerdings der Wert des Unternehmens erheblich gestiegen – deshalb hätte sich die Finanzierung der Nachfolge sehr schwierig gestaltet.
Wie kam es zur Entscheidung für einen strategischen Investor?
2020 klopften viele internationale Investoren aus Amerika, der Schweiz und auch aus Norwegen an unsere Tür, die alle in den deutschen Markt drängten und gute Preise boten. Da gab es viele spannende, aber auch harte Gespräche. Ein Bekannter von mir aus der Branche hatte auch an die Norva24-Gruppe verkauft – daher wusste ich, dass diese planten, mittelfristig wenig zu verändern, und den familiären Charakter unseres Unternehmens beibehalten wollen.
Herr Christ, vielen Dank für das Gespräch.
👉 Diese Fallstudie ist auch in der Unternehmeredition 1/2025 mit Schwerpunkt “Unternehmensnachfolge” erschienen.
KURZPROFIL
Mayer Kanalmanagement GmbH
Gründungsjahr: 1985
Branche: Entsorgung
Unternehmenssitz: Rüdersdorf bei Berlin
Mitarbeiter: 115
Umsatz: 13 Mio. EUR
www.kanalmanagement.gmbh