Neuausrichtung beim LkSG: Entlastung oder nur Symbolpolitik?

Die Pläne der Bundesregierung zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz

Lieferkettengesetz wird durch neues Gesetz abgelöst. Berichtspflicht entfällt, Sorgfaltspflichten bleiben. CSDDD-Umsetzung bis 2027 geplant.
Foto: © AdobeStock_ Александр Марченко

Die neue Bundesregierung hat die Abschaffung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes angekündigt. Fallen damit aber auch alle bislang bestehenden Pflichten weg? – Mitnichten!

Mit dem Inkrafttreten des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) im Jahr 2023 hatte Deutschland einen wichtigen Schritt in Richtung menschenrechtlicher und umweltbezogener Verantwortung von Unternehmen entlang globaler Lieferketten vollzogen. Angesichts übermäßigen Verwaltungsaufwands stand das Gesetz jedoch schnell in der Kritik.

Im aktuellen Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD und wiederholend in dem am
28. Mai 2025 veröffentlichten Sofortprogramm der Bundesregierung wird nun angekündigt, dass das LkSG durch ein bürokratiearmes und vollzugsfreundliches Gesetz über die internationale Unternehmensverantwortung ersetzt werden soll. Diese Ankündigung steht im Kontext der Umsetzung der Europäischen Lieferkettenrichtlinie (CSDDD), die bis zum 26. Juli 2027 in nationales Recht zu überführen ist. Weiter wird im Koalitionsvertrag ausgeführt, dass die Berichtspflicht nach dem LkSG unmittelbar abgeschafft wird und komplett entfällt. Flankierend hierzu werden laut Koalitionsvertrag die geltenden gesetzlichen Sorgfaltspflichten bis zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes, mit Ausnahme von massiven Menschenrechtsverletzungen, nicht sanktioniert – mit Blick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung ein fragwürdiger Ansatz. Ausdrücklich unterstützt die neue Bundesregierung den sogenannter Omnibus der EU-Kommission, um die umfangreichen Vorgaben zum Inhalt der EU-Nachhaltigkeitsberichterstattung insbesondere für die mittelständische Wirtschaft deutlich zu reduzieren und zeitlich zu verschieben. Im Sofortprogramm der Bundesregierung vom 28. Mai 2025 wird lediglich die Abschaffung des nationalen Lieferkettengesetzes und dessen Ersetzung in der stichpunktartigen Aufzählung genannt.

Doch welche Auswirkungen haben diese Ankündigungen letztlich auf den Verwaltungsaufwand und die unternehmerische Verantwortung in der globalen Lieferkette?

Sorgfaltspflichten bleiben erhalten

Gemäß den Ankündigungen im Koalitionsvertrag soll die externe Berichtspflicht nach § 10 Abs. 2 bis 4 LkSG über die Einhaltung der Sorgfaltspflichten unmittelbar entfallen. Bisher wären nach geltendem Recht für die betroffenen Unternehmen die Jahresberichte für die Geschäftsjahre 2023 und 2024 erstmals zum 31.12.2025 bei der Aufsichtsbehörde BAFA einzureichen gewesen. Obgleich jedoch die externe Berichtspflicht für Unternehmen nun kurzfristig ganz entfallen soll, werden offenbar alle weiteren Sorgfaltspflichten, insbesondere die interne Dokumentationspflicht nach § 10 Abs. 1 LkSG, unverändert bestehen bleiben.

Unternehmen müssen für eine gesetzeskonforme Umsetzung des LkSG also weiterhin ihren gesetzlichen LkSG-Sorgfaltspflichten nachkommen. Diese Sorgfaltspflichten sind im Wesentlichen auch in der CSDDD vorgesehen: nach den aktuell diskutierten Änderungen im ersten „Omnibus-Paket“ soll sich die CSDDD ausdrücklich dem deutschen LkSG annähern.

Vor allem die Risikoanalyse wird weiterhin das Herzstück der Sorgfaltspflichten bleiben. Auch die bisher schon unter dem LkSG verpflichtende Einrichtung eines Beschwerdewegs ist in der CSDDD vorgesehen. Ergänzend wird die CSDDD nach aktuellem Stand das Aufstellen eines Klimaplans verlangen.

Künftige Berichtspflichten

Die EU-Kommission plant, die bestehenden und künftigen ESG-Berichtspflichten zu konsolidieren. Dadurch sollen Unternehmen im Verwaltungsaufwand entlastet werden und somit die europäische Wettbewerbsfähigkeit weiterhin erhalten bleiben. Eine Konsolidierung soll insbesondere in Bezug auf redundante und sich überschneidende Berichtspflichten aus der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), der CSDDD und der EU-Taxonomieverordnung erfolgen. Auch für Unternehmen, die weiterhin nach der CSRD zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet sind, könnten sich die Berichtspflichten durch eine inhaltliche Überarbeitung der europäischen Nachhaltigkeitsberichtsstandards (ESRS) reduzieren.

Aussetzen von Sanktionierungen

Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass die Sanktionierung bei Verstößen für die weiterhin geltenden Sorgfaltspflichten entfallen soll. Dies bedeutet, dass Unternehmen im Falle von Sorgfaltspflichtverletzungen keine Bußgelder gemäß § 24 LkSG mehr drohen, der Ausschluss von Vergaben öffentlicher Aufträge gemäß § 22 LkSG entfallen und auch keine Eintragungen im Wettbewerbsregister erfolgen sollen. Ausgenommen sind von diesem Wegfall der Sanktionierung jedoch „massive Menschenrechtsverletzungen“, wobei dieser Fall weder im Gesetz definiert noch bislang eine von der Aufsichtsbehörde vorgelegte Auslegung bekannt ist. Im Umkehrschluss bekräftigt diese ausdrücklich vorgesehene Freistellung von Sanktionen, dass die Sorgfaltspflichten im Wesentlichen dennoch weitergelten.

Es ist davon auszugehen, dass bei einer Menschenrechtsverletzung innerhalb des eigenen Geschäftsbereiches oder der Lieferkette grundsätzlich eine einzelfallbezogene Prüfung notwendig ist, um festzustellen, ob die Schwelle zu einer „Massivität“ überschritten wurde. Da das LkSG keine Hierarchisierung der geschützten Menschenrechte vorsieht, ist zunächst zu unterstellen, dass jede im Anwendungsbereich des Gesetzes erfasste Menschenrechtsposition Gegenstand einer „massiven“ Verletzung sein könnte. Unternehmen sollten daher nicht irrtümlich davon ausgehen, dass lediglich nach eigener Einschätzung besonders gewichtige Menschenrechte eines erhöhten Schutzes bedürfen. Vielmehr wird auf das Ausmaß der Beeinträchtigung, die Anzahl der betroffenen Personen sowie die Irreversibilität der Verletzung abzustellen sein. Da der Koalitionsvertrag explizit auf Menschenrechtsverletzungen abstellt, ist davon auszugehen, dass eine Sanktionierung des Verstoßes von massiven umweltbezogenen Sorgfaltspflichten aktuell unterbleiben soll.

Fazit

Um analysieren zu können, innerhalb welcher Lieferbeziehungen beziehungsweise an welchen Stellen im eigenen Geschäftsbereich sich potenziell massive Menschenrechtsverletzungen ereignen könnten und diesen entsprechend vorzubeugen, sollten Unternehmen im Anwendungsbereich des LkSG weiterhin ihre individuelle Risikolage im Blick haben und darauf aufbauend präventive Maßnahmen zur Risikovermeidung oder Risikominimierung implementieren.

Darüber hinaus sollten Unternehmen beachten, dass auch mit dem weitestgehenden Wegfall der Sanktionierungsmöglichkeiten nach dem LkSG weiterhin Haftungsrisiken auf Grundlage bestehender Gesetze wie bspw. dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) oder dem Strafgesetzbuch (StGB) bestehen. Vorstände und Geschäftsführungen sind nach der gesellschaftsrechtlichen Legalitätspflicht ohnehin zur Organisation der Einhaltung von Gesetzen in ihren Unternehmen verpflichtet.

Die neue Regierungskoalition bekennt sich zur Umsetzungspflicht der europäischen CSDDD. Es ist deshalb davon auszugehen, dass ein entsprechendes Umsetzungsgesetz das bisher geltende LkSG nahtlos ablösen wird. Da die CSDDD auch nach einer Umsetzung der Änderungen aus dem sog. „Omnibus-Paket“ im Wesentlichen dem Inhalt des LkSG entsprechen wird, sind bei einer Umsetzung der CSDDD in der zu erwartenden modifizierten Fassung in nationales Recht für Deutschland keine tiefgreifenden Änderungen gegenüber der aktuellen Rechtslage unter dem LkSG zu erwarten. Die aktuell geltende Fassung der CSDDD untersagt ausdrücklich, das in einem Mitgliedsstaat bereits vorherrschende Schutzniveau auf nationaler Ebene bei der Umsetzung der CSDDD abzusenken (sog. Verschlechterungsverbot). Dies bedeutet, dass eine Auseinandersetzung der Unternehmen mit ihren Lieferketten weiterhin und nahtlos erforderlich bleibt. Allerdings sieht die CSDDD für den Anwendungsbereich neben dem auch schon für das LkSG geltenden Schwellenwert der Mitarbeiterzahl gleichzeitig kumulativ einen weltweiten Mindestumsatz vor, den einige der heute von dem LkSG erfassten Unternehmen voraussichtlich nicht erreichen werden. Diese Unternehmen könnten perspektivisch aus dem Anwendungsbereich eines Umsetzungsgesetzes herausfallen, falls dies nicht als von dem Verschlechterungsverbot umfasst zu sehen ist. Zugleich hat die Koalition angekündigt, einen überarbeiteten nationalen Aktionsplan für Deutschland vorzulegen, der für sämtliche Unternehmen gelten und die Kernziele der Stärkung der Menschenrechte und Umweltbelange in den Lieferketten einfordern wird. In diesem Zusammenhang wird zu berücksichtigen sein, dass insbesondere für kapitalmarktfinanzierte Unternehmen diverse Nachhaltigkeitskriterien, zu denen auch das LkSG zählt, bereits einen wichtigen Stellenwert haben. Gleiches gilt für die Wahrnehmung von Verbrauchern bei der Kaufentscheidung, so dass Nachhaltigkeit zur Reputation von Unternehmen beiträgt. Die Achtung der Menschenrechte und Umweltbelange wird daher auch in Zukunft eine große Rolle bei den deutschen Unternehmen spielen.

Autorenprofil
Christine Diener
Rechtsanwältin at  | Website

Christine Diener ist Rechtsanwältin und Compliance Officer (TÜV) bei RSM Ebner Stolz in Stuttgart. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen in der Beratung zu wirtschaftsrechtlichen Themen und zum Compliance Management. Besondere Schwerpunkte in der Compliance-Beratung sind die Einrichtung von Compliance Management Strukturen, die Überprüfung von bestehenden Compliance-Bereichen sowie die thematische Beratung zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz.

Autorenprofil
Yvonne Hundsdörfer
Rechtsanwältin at  | Website

Yvonne Hundsdörfer ist Rechtsanwältin, Dipl. Finanzwirtin (FH) und Compliance Officer (TÜV) bei RSM Ebner Stolz in Stuttgart. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen in der Beratung zu Compliance-Management-Systemen. Besondere Schwerpunkte sind die anwaltliche Projektberatung für die Implementierung, Angemessenheits- und Wirksamkeitsprüfung von Compliance-Management-Systemen, die Revision von ausgewählten Compliance-Bereichen sowie die Beratung in Einzelfragen.

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