Eine vorausschauende und langfristige Vorbereitung der Unternehmensnachfolge sollte für viele mittelständische Unternehmer neben aller Konzentration auf den operativen Erfolg ein zentrales Thema sein. Das über lange Jahre mit höchstem persönlichem Einsatz und viel Herzblut aufgebaute Lebenswerk soll in gute Hände übergeben und ein nahtloser Übergang in die Wege geleitet werden. Dabei gilt es nicht nur, Familie, Mitarbeiter, Kunden und Lieferanten „mitzunehmen“, sondern auch, den langfristigen Erfolg, ein fortgesetztes Wachstum und die gute Reputation des Unternehmens sicherzustellen.
Nachfolge in zwei Schritten
Eine geeignete Strategie hierfür ist eine „Nachfolgelösung in zwei Schritten“. Diese mündet im Ergebnis sowohl in einem erfolgreichen Übergang als auch in einem höheren Unternehmenswert. Der Unternehmer verkauft dabei zunächst nur einen Teil seiner Anteile an einen ähnlich unternehmerisch denkenden Partner seiner Wahl. Er bleibt als „Gestalter“ an Bord, der gemeinsam mit seinem Wachstumspartner eine Nachfolgelösung vorbereitet und das Unternehmen bezogen auf Umsatz und Ergebnis in eine neue „Gewichtsklasse“ hebt. Sind beide Ziele erreicht, bringt ein Verkauf der zweiten Anteilstranche in der Zusammenschau mit dem initialen Verkaufserlös einen insgesamt höheren Preis als ein Komplettverkauf zu Beginn – bei zugleich höherer Sicherheit für eine gelungene Nachfolge.
Im Einzelnen sucht der Unternehmer zunächst einen qualifizierten und zugleich kapitalstarken „Unternehmerpartner“, um das künftige Wachstum zu beschleunigen und den Erfolg auszubauen. Zusammen wird dann eine gemeinsame Expansionsstrategie über einen passenden Zeithorizont entwickelt (zum Beispiel drei bis sechs Jahre). Der Geschäftsplan beinhaltet typischerweise sowohl operative Wachstumsbausteine wie beispielsweise eine Ausweitung des Angebots, eine regionale Expansion, passende Übernahmen als auch die Schaffung einer entsprechenden finanziellen Grundlage durch frisches Eigenkapital. Mit der gestärkten Kapitalstruktur lassen sich zudem die bestehenden Banklinien ausweiten. Darüber hinaus wird erarbeitet, wie eine zweite, nachfolgeorientierte Führungsebene eingezogen werden kann und welche Ressourcen hierfür benötigt werden. Hierzu gehört auch die Frage, wer zur Erzielung des angestrebten Wachstums welche Rollen übernimmt und wie sich diese im Zeitablauf gegebenenfalls weiterentwickeln sollen.
In mehreren der von Alphaville Capital begleiteten Beteiligungen wird ein entsprechendes Modell aktuell umgesetzt, darunter in einem sehr erfolgreichen Handels- und Filialkonzept. Auf Grundlage einer gemeinsam von Gründungsgesellschaftern und Alphaville entwickelten Wachstumsstrategie wurden in diesem Fallbeispiel bis dato eine Vielzahl passender Unternehmen hinzugekauft sowie mehrere neue Standorte eröffnet und in das bestehende Netzwerk integriert. Zudem wurden Wertsteigerungsprojekte zur Big-Data-Kundendatenanalyse, zu einem neuen Logistikkonzept, zum Omnikanal-Vertriebsansatz (Online und Filialen) sowie zum Thema Nachhaltigkeit (ESG) gemeinsam erarbeitet und umgesetzt. Die Aufgabenteilung orientiert sich dabei projektindividuell am jeweils verfügbaren Know-how und den verfügbaren Ressourcen. Vieles kann, nichts muss gemeinsam angegangen werden; die Verantwortung für das Tagesgeschäft liegt weiter vollständig bei der Geschäftsführung. Im Ergebnis dieser erfolgreichen Zusammenarbeit haben sich Umsatz und Ergebnis in wenigen Jahren vervielfacht.
Flexibilität bei unvorhersehbaren Entwicklungen
Auch wenn zu Beginn der neuen Partnerschaft eine gemeinsame Vorstellung von der langfristigen Unternehmensentwicklung und deren Umsetzung erarbeitet wurde, ist eingefleischten Unternehmern zugleich klar, dass sich die operative Wirklichkeit selten an die Planung hält. Als Beispiele muss man nicht Corona bemühen, sondern es reichen auch einzelne Personalentscheidungen, Großprojekte, Schlüsselkunden oder Lieferengpässe, um praktisch und finanziell neue Herausforderungen meistern zu müssen. Ebenso können sich die persönliche beziehungsweise familiäre Situation sowie die geschäftlichen Prioritäten im Zeitablauf ändern. Umso wichtiger ist es, von vornherein Flexibilität in der Struktur der Zusammenarbeit und in den Beteiligungsverträgen vorzusehen. Klassische Fondsinvestoren haben hier oft weniger Spielraum, da sie ihren überwiegend institutionellen Investoren beispielsweise eine begrenzte Fondslaufzeit versprochen haben und damit auch bestimmte Exitzeiträume einhalten müssen. Zudem können sie oft aus Portfoliosicht nicht zusätzliche Mittel auf ein bestimmtes Thema allokieren, da sonst Ungleichgewichte zwischen einzelnen Fondsinvestments entstünden.
Ein flexibler, unternehmerisch aufgestellter „Multi-Family-Office-Investor“ wie Alphaville hingegen kann die Verträge von vornherein ohne strukturelle Zwänge auf die konkreten Bedürfnisse des Beteiligungsunternehmens und des Unternehmers maßschneidern. Beteiligungshöhe, Anteilsabkauf und/oder Kapitalerhöhung, Entscheidungsrechte, Exit- und Mitverkaufsregeln et cetera können individuell ausgestaltet werden. Und auch falls sich „unterwegs“ Anpassungsbedarf ergibt – etwa aus den oben genannten operativen oder persönlichen Gründen –, haben Privatinvestoren ein ungleich höheres Verständnis für unternehmerische Belange. Wer sein Vermögen in der Familie selbst mit Einsatz und unternehmerischer Leidenschaft erarbeitet hat, kann und will sich spontan ergebende Chancen auch mit zusätzlichen finanziellen Mitteln ermöglichen – und er wird hinsichtlich Laufzeit und Exit flexible Lösungen mittragen. Selbst wenn die Geschäfte einmal weniger gut laufen als erhofft, wird eher die helfende Hand gereicht als nervöser Druck aus der Perspektive eines Finanzinvestors ausgeübt.
FAZIT
Eine Nachfolgelösung in zwei Schritten zusammen mit einem unternehmerisch denkenden Privatinvestor kann häufig ein sehr vorteilhafter Weg sein, um in einer mittelfristigen Perspektive mehrere Schlüsselaspekte „unter einen Hut zu bringen“: aktive Gestaltung von Wachstum und Nachfolge, Absicherung von Lebenswerk und gutem Ruf sowie Erzielung eines hohen gesamthaften Verkaufserlöses.
Der Beitrag ist in der Unternehmeredition 1/2022 erschienen.
Dr. Karsten Zippel und Dr. Tobias Sitte
Dr. Tobias Sitte (li.),und Dr. Karsten Zippel sind Gründungspartner der Alphaville Capital GmbH & Co. KG, eines unabhängigen Multi-Family Investment Office, das sich an etablierten mittelständischen Unternehmen mit hohem Wachstumspotenzial in der DACH-Region beteiligt. Der Investorenkreis besteht aus Unternehmerfamilien sowie renommierten Privatinvestoren und Stiftungen.