Der Mittelstand hat den unmittelbaren Schock durch den Ausbruch des Krieges in der Ukraine wohl fürs Erste verdaut. Das ist zumindest das Ergebnis des KfW-ifo-Mittelstandsbarometers. Das Geschäftsklima fängt sich nach der aktuellen Befragung im April wieder ein wenig. Die Stimmung war im Monat zuvor infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine kollabiert. Der geringe Zuwachs im April kann diesen Absturz allerdings bei Weitem nicht kompensieren und das Geschäftsklima für die mittelständischen Unternehmen liegt weiter im negativen Bereich. Die Zahlen für die Geschäftserwartungen von mittelständischen Unternehmen und Großbetrieben sind ebenfalls weiter stark negativ. Aber immerhin haben sie sich nicht weiter nach unten bewegt.
Die Hoffnung auf einen kräftigen Konsumaufschwung ist laut KfW wegen des kaufkraftzehrenden Preisanstiegs inzwischen verflogen. Die Inflation habe sich infolge des Kriegs nochmals beschleunigt. Kaum einzuschätzende Perspektiven für Konjunktur und Außenhandel, gestörte Lieferketten, stark steigende Material- und Lohnkosten sowie die Sorgen um die Energiesicherheit würden derzeit wie Blei auf der Industrie lasten. In ihrem aktuellen Bericht schreibt die KfW von einem „zaghaften Durchatmen nach dem akuten Schockabsturz im Vormonat“. Zwar würden die aktuellen Konjunkturprognosen für 2022 im Mittel immer noch ein für deutsche Verhältnisse solides Wachstum von gut 2% erwarten, aber: „Die aktuellen Ereignisse wie der unvermindert wütende Krieg und neue Störungen in den globalen Lieferketten wegen der strengen Lockdowns in China machen Konjunkturprognosen derzeit höchst unsicher“, kommentiert KfW-Chefvolkswirtin Dr. Fritzi Köhler-Geib.
Kreditgeschäft in Deutschland steigt
Das Kreditneugeschäft der Banken und Sparkassen in Deutschland mit Unternehmen und Selbstständigen hat im vierten Quartal 2021 nach Berechnungen von KfW Research einen regelrechten Satz nach oben gemacht. Im Vergleich zum Vorjahr wuchsen laut KfW-Kreditmarktausblick die neuen Bankdarlehen um 8,2%. Bestimmend für diese Entwicklung seien in erster Linie kurze und mittlere Fristen mit Laufzeiten bis zu fünf Jahren gewesen. Für das gerade abgelaufene ersten Quartal 2022 rechnet die KfW mit einem Wachstum neuer Kredite von rund 6%. Nach Analyse der KfW gibt es für diese Entwicklung zwei wesentliche Gründe. Die Quartale mit starker Kreditvergabe zu Beginn der Pandemie seien nun aus dem Vorjahresvergleich herausgefallen. Zudem gäbe es Anreize aus gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäften der EZB.
Sinkende Kreditnachfrage erwartet
Für die kommenden Perioden rechnet die KfW aber mit eher wieder sinkenden Kreditnachfragen, weil die Unternehmen aufgrund der Unsicherheit durch den Krieg in der Ukraine zurückhaltender bei der Durchführung von Investitionsvorhaben seien und die Nachfrage nach Investitionsfinanzierungen gedämpft wird. „Der Ausblick für den Kreditmarkt ist durch die ungewissen Auswirkungen des Krieges jedoch hochgradig unsicher. Es zeichnet sich aber bereits eine Verschärfung der Finanzierungsbedingungen ab. Vor dem Hintergrund des Krieges werden Ausfallrisiken neu bewertet und Banken in der Folge bei der Kreditvergabe vorsichtiger. Zudem steigen die Zinskosten durch die graduelle Straffung der Geldpolitik wieder wahrnehmbar an“, sagt Chefvolkswirtin Köhler-Geib.
Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.