“Mentale Stärke ist entscheidend”

Interview mit Carolin Hingst, ehemalige deutsche Stabhochspringerin, Olympiateilnehmerin, Unternehmerin und Coach

Foto: © Bernhard Kunz

Carolin Hingst kennt den Wettkampf – nicht nur aus ihrer erfolgreichen Karriere als Stabhochspringerin, sondern auch als Unternehmerin. Die mehrfache deutsche Meisterin und Olympiateilnehmerin hat den Übergang vom Spitzensport in die Geschäftswelt gemeistert und bringt heute ihre Erfahrung in den Bereichen mentale Stärke, Zielsetzung und Leistungsoptimierung in die Wirtschaft ein. Im Interview spricht sie über Parallelen zwischen Sport und Unternehmertum, Herausforderungen beim Karrierewechsel und ihre Vision für die Zukunft.

Foto: © Carolin Hingst

Unternehmeredition: Frau Hingst, Sie sind eine erfolgreiche ehemalige deutsche Stabhochspringerin. Was hat Sie ursprünglich an dieser Sportart fasziniert?

Carolin Hingst: Mein Herz schlägt nach wie vor für den Stabhochsprung. Es ist eine Sportart, die auf den ersten Blick technisch komplex wirkt, aber letztlich aus einem einzigen Bewegungsablauf besteht, den man Jahr für Jahr optimiert. Wenn alles zusammenpasst – der Anlauf, der Einstich, der Absprung –, dann fühlt sich der perfekte Sprung ganz leicht an. Dieses Streben nach Perfektion hat mich immer fasziniert.

Welche Eigenschaften oder Werte haben Ihnen geholfen, über viele Jahre hinweg in dieser Sportart Höchstleistung zu erbringen?

Dazu gehören Disziplin, Fokussierung und eine hohe mentale Stabilität. Es geht darum, Prioritäten zu setzen, sich nicht ablenken zu lassen und Rückschläge zu akzeptieren, ohne daran zu zerbrechen. Ich habe gelernt, meine Energie gezielt einzusetzen und mich kontinuierlich weiterzuentwickeln. Selbst beim schlechtesten Wettkampf und in der größten Niederlage sehe oder finde ich immer auch etwas Positives. Das ist eine große Stärke von mir.

Gab es einen Schlüsselmoment in Ihrer Karriere, der Ihre Sicht auf Erfolg und Herausforderungen nachhaltig geprägt hat?

Ja – 2009 hatte ich eine Phase, in der mein Körper einfach nicht mehr wollte. Ich hatte Schmerzen und keine Energie. Erst als ich gelernt habe, Pausen bewusst zuzulassen und nicht nur durchzupowern, konnte ich wieder auf mein Top-Niveau zurückkehren. Das hat mir gezeigt, dass Regeneration genauso wichtig ist wie Training.

Spitzensport erfordert Disziplin, Durchhaltevermögen und eine klare Zielsetzung – Eigenschaften, die auch im Unternehmertum gefragt sind. Welche Parallelen sehen Sie zwischen sportlichem und unternehmerischem Erfolg?

Es gibt viele Gemeinsamkeiten. Erfolg erfordert Zielstrebigkeit, Selbstreflexion und die Fähigkeit, sich immer wieder anzupassen. Im Stabhochsprung musste ich meine Technik, mein Training und meine mentale Einstellung ständig optimieren. Das Gleiche gilt für Unternehmer: Wer erfolgreich sein will, muss sein Unternehmen und sich selbst kontinuierlich weiterentwickeln.

Wie sind Sie mit Rückschlägen umgegangen, etwa Verletzungen oder verpasste Wettkämpfe, und was können Unternehmer daraus lernen?

Foto: @ Iris Hense

Wichtig ist ein lösungsorientierter Ansatz. Nach einer Verletzung habe ich mich nicht auf das Problem fokussiert, sondern überlegt: “Was kann ich trotzdem tun?” Selbst kleine Fortschritte helfen, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Unternehmer sollten genauso denken: Rückschläge sind nicht das Ende, sondern eine Gelegenheit, neue Wege zu finden.

Haben Sie bestimmte Techniken oder Routinen, die Sie auch außerhalb des Sports nutzen?

Mentale Stärke ist entscheidend. Ein wichtiger Punkt ist, mit negativen Emotionen umzugehen. Ich habe eine einfache Regel: Wenn ich eine Situation nicht lieben oder ändern kann, dann muss ich sie akzeptieren. Dadurch verschwende ich keine Energie mit unnötigem Grübeln. Außerdem hilft es, sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren und sich bewusst zu machen, dass viele Probleme oft nur temporär sind.

Sie sind heute als Coach und Unternehmerin tätig. Welche Schwerpunkte setzen Sie in Ihrer Arbeit?

Ich unterstütze Menschen dabei, körperlich und mental fit zu bleiben – sei es durch Personal Training, Coaching oder Vorträge in Unternehmen. Es geht darum, gesunde Routinen zu entwickeln, mentale Blockaden zu überwinden und ein starkes Selbstbewusstsein aufzubauen.

Was sind typische mentale Hürden, die Sie bei Unternehmern und Managern beobachten? Und wie kann man diese überwinden?

Viele Führungskräfte haben Schwierigkeiten, loszulassen und sich zu regenerieren. Sie glauben, immer funktionieren zu müssen. Dabei ist es gerade für langfristigen Erfolg wichtig, bewusst Pausen einzulegen, um die eigene Leistungsfähigkeit zu erhalten. Eine klare Priorisierung und der Mut, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, helfen enorm.

Sie engagieren sich zudem in der Gesundheitsförderung. Wie lassen sich sportliche Prinzipien auf eine nachhaltige Unternehmenskultur übertragen?

Foto: © Marc Bremer

Regelmäßige Bewegung und bewusste Ernährung sind essenziell, um dauerhaft leistungsfähig zu bleiben. In Unternehmen können Gesundheitstage, Sportangebote oder Coaching-Programme helfen, ein Bewusstsein für körperliche und mentale Fitness zu schaffen. Wer sich um sich selbst kümmert, ist langfristig erfolgreicher – das gilt im Sport wie im Business.

Welche langfristigen Ziele verfolgen Sie mit Ihren aktuellen Projekten?

Ich möchte möglichst viele Menschen dabei unterstützen, ihre volle Leistungsfähigkeit auszuschöpfen – sei es im Sport, im Beruf oder im persönlichen Leben. Mein Ziel ist es, durch meine Coachings, Vorträge und Trainingsprogramme Impulse zu setzen, die langfristig wirken.

Gibt es ein persönliches Motto oder eine Philosophie, die Sie antreibt?

Ja, ich sage immer: “Das, was du denkst, ziehst du an. Das, was du fühlst, strahlst du aus.” Mentale Einstellung und Energie spielen eine entscheidende Rolle für den Erfolg. Und natürlich: “Step by step und dranbleiben!” – Denn Erfolg kommt nicht über Nacht, sondern durch kontinuierliches Arbeiten an sich selbst.

Liebe Frau Hingst, wir danken Ihnen für das interessante Gespräch!

Das Interview führte Eva Rathgeber.

👉 Dieses Interview erscheint auch in der nächsten Magazinausgabe der Unternehmeredition 1/2025 mit Schwerpunkt “Unternehmensnachfolge” (Erscheinungsdatum: 21. März 2025).


KURZPROFIL

Foto: © Marc Bremer

Geboren: am 18. September 1980 in Donauwörth
Familienstand: ledig
Beruf: ehemalige Stabhochspringerin, Unternehmerin und Coach
Hobbys: Sport, Sport, Sport
Erfolge: dreimal deutsche Rekordhalterin, vier deutsche Meistertitel, Zweite im Europacup (2005) und Dritte bei der EM (U23) (2001) und eine Freiluft-Bestmarke von 4,72 Metern
Website: www.carolin-hingst.de

Autorenprofil

Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.

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