Kiekert AG stellt Insolvenzantrag

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Der traditionsreiche Automobilzulieferer Kiekert AG mit Hauptsitz in Heiligenhaus hat  beim Amtsgericht Wuppertal Antrag auf ein vorläufiges Insolvenzverfahren gestellt. Ziel ist die geordnete Fortführung des operativen Geschäftsbetriebs und eine umfassende Restrukturierung. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wurde der Nürnberger Rechtsanwalt Joachim Exner von der Kanzlei Dr. Beck & Partner bestellt. Der Geschäftsbetrieb läuft nach Angaben des Unternehmens an allen deutschen Standorten weiter. Auch die rund 700 Mitarbeitenden in Deutschland wurden informiert und erhalten ihre Löhne und Gehälter bis einschließlich November über das Insolvenzgeld. Die ausländischen Tochtergesellschaften der Kiekert AG sind vom Verfahren nicht betroffen und arbeiten uneingeschränkt weiter.

Verantwortung beim Gesellschafter?

In einer Stellungnahme machte der Vorstandsvorsitzende Jérôme Debreu die angespannte Beziehung zum chinesischen Gesellschafter für die finanzielle Notlage verantwortlich. „Die Insolvenz ist die Konsequenz daraus, dass der chinesische Gesellschafter keine weiteren Mittel bereitgestellt und seine finanziellen Verpflichtungen im dreistelligen Millionenbereich nicht erfüllt hat“, erklärte Debreu. Zudem verwehrten geopolitische Restriktionen, insbesondere durch US-Sanktionen, dem Unternehmen den Zugang zu wichtigen Märkten und Finanzierungen. Dadurch sei der laufende Betrieb massiv beeinträchtigt worden. Debreu verweist auf einen Auftragsbestand von zehn Milliarden Euro und betont, dass Kiekert operativ gut aufgestellt sei. „Wir haben uns in den vergangenen Jahren erfolgreich restrukturiert und auf der Kundenseite erheblich an Vertrauen gewonnen“, so der CEO weiter. Nur vier Prozent des Umsatzes entfallen demnach auf chinesische OEMs. „Wir dürfen nicht zulassen, dass geopolitische Restriktionen unser 96-prozentiges Kerngeschäft in Europa, Amerika, Japan und Südkorea gefährden.“

Geopolitik belastet Auftragslage

Die Unternehmensführung sieht in der US-Sanktionspolitik gegen chinesische Eigentümer einen weiteren Grund für die angespannte Lage. Bereits erteilte Großaufträge seien von amerikanischen Kunden zurückgezogen worden, Rating-Agenturen hätten die Bonität des Unternehmens herabgestuft. In der Folge verweigerten Banken neue Kredite. Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei daher „die einzig verbliebene Option, um die Kiekert AG zu restrukturieren und zukunftsfähig aufzustellen“. Debreu kündigte an, mit dem Insolvenzverwalter eng zusammenzuarbeiten, um eine tragfähige Lösung zu erarbeiten. Er betont: „Unser internationales Top-Management-Team ist bereit, alle Wachstumschancen zu nutzen und Kiekert von den derzeitigen Einschränkungen zu befreien.“ Ziel sei es, den Betrieb zu stabilisieren und die Rolle als verlässlicher Partner der Automobilindustrie langfristig zu sichern.

Lange Unternehmensgeschichte

Die Kiekert AG wurde 1857 in Heiligenhaus gegründet und zählt zu den traditionsreichsten Zulieferern der deutschen Automobilindustrie. Das Unternehmen gilt als Weltmarktführer für Kfz-Schließsysteme und beschäftigt weltweit rund 4.500 Mitarbeitende. Laut eigener Angaben liefert Kiekert das Schließsystemdesign für jedes dritte Auto weltweit. Die Gruppe ist mit Standorten in zehn Ländern vertreten und betreibt internationale Entwicklungs- und Produktionszentren. Mit der Ernennung von Jérôme Debreu zum CEO im Jahr 2021 war eine strategische Neuausrichtung eingeleitet worden, die auf langfristige Stabilität und Innovation setzte. Trotz geopolitischer und wirtschaftlicher Herausforderungen sah sich Kiekert finanziell zunächst solide aufgestellt. Die aktuelle Insolvenzanmeldung zeigt jedoch, wie stark externe Einflüsse wie politische Sanktionen und Eigentümerstrukturen selbst etablierte Industrieunternehmen in die Krise stürzen können.

Autorenprofil

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen und Tech-Start-ups.

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