“Internationalisierung steht nach wie vor ganz weit oben auf der Agenda des Mittelstands”

 

Zweifelsohne ist die Finanz- und Wirtschaftskrise auch an den Internationalisierungsstrategien des Mittelstandes nicht spurlos vorübergegangen. Im Interview spricht Dr. Bernd Laber, Bereichsvorstand der Commerzbank AG, über aktuelle Trends beim Auslandsengagement deutscher Firmen

Zweifelsohne ist die Finanz- und Wirtschaftskrise auch an den Internationalisierungsstrategien des Mittelstandes nicht spurlos vorübergegangen. Im Interview spricht Dr. Bernd Laber, Bereichsvorstand der Commerzbank AG, über aktuelle Trends beim Auslandsengagement deutscher Firmen, die derzeit chancenreichsten Absatzmärkte sowie die Entwicklung der Kreditvergabe zur Finanzierung von internationalen Aktivitäten.

Unternehmeredition: Herr Dr. Laber, wie hat sich die Finanz- und Wirtschaftskrise aus Ihrer Sicht bisher auf die Internationalisierungsstrategien des deutschen Mittelstandes ausgewirkt?
Laber: Internationalisierung steht nach wie vor ganz weit oben auf der Agenda des Mittelstands, daran hat auch die Finanz- und Wirtschaftskrise nichts geändert. Grenzüberschreitendes Geschäft ist heute keine Option mehr, sondern ab einer gewissen Größe einfach ein Muss. Für viele Unternehmen war die Wirtschaftskrise sogar Anlass, verstärkt die weltweiten Märkte auf Chancen und Potenziale hin zu untersuchen. Das spiegelt sich auch in den vielen Gesprächen, die wir mit unseren Kunden geführt haben. Das Interesse an unseren Auslandsanalysen, am Know-how der Mitarbeiter unseres International Desk und am direkten Kontakt zu den German Desks in den Auslandseinheiten ist sehr groß.

Unternehmeredition: Es gibt Unternehmen, die sich aus Auslandsmärkten wie China nun wieder zurückziehen, aufgrund von Finanzierungsengpässen, aber auch wegen Schwierigkeiten bei der Qualität, oder aufgrund von Produktpiraterie. Welche Gefahren ergeben sich Ihrer Meinung nach für Unternehmen, die ihre internationale Expansion auf Eis legen?
Laber:
Sicher, solche Unternehmen gibt es, aber das sind Ausnahmen. Oft ziehen sie sich auch nicht vollständig aus ihren Auslandsmärkten zurück, sondern wechseln nur die Schwerpunkte ihres Engagements. Einen breiten Trend zur Abkehr vom internationalen Geschäft kann ich jedenfalls nicht erkennen – und das wäre auch fatal. Wer die Auslandsmärkte einfach dem Wettbewerb überlässt, darf sich nicht wundern, wenn er bald auch auf seinem Heimatmarkt das Nachsehen hat. Nein, auch wenn Auslandsgeschäft natürlich kein Selbstläufer ist: Auf das Potenzial der weltweiten Märkte, und zwar sowohl als Absatz- wie als Beschaffungsmarkt, kann und darf die deutsche Wirtschaft nicht verzichten.

Unternehmeredition: Wo sehen Sie derzeit global die chancenreichsten Absatzmärkte bzw. Produktionsstandorte für deutsche Unternehmen?
Laber:
Das hängt natürlich sehr stark vom jeweiligen Produkt- und Leistungsangebot eines Unternehmens ab. Generell liegen die attraktivsten Absatzmärkte für den Mittelstand nach wie vor in Westeuropa, darauf entfallen 51% aller Auslandsaktivitäten deutscher Unternehmen. Auf dem zweiten Platz liegen nahezu gleichauf Osteuropa und Nordamerika, gefolgt von den stark aufholenden Märkten Asiens. Das sind die Auslandsmärkte, auf denen sich deutsche Unternehmen schwerpunktmäßig engagieren und auf denen die Commerzbank deshalb auch mit Filialen für Firmenkunden oder – wie in Polen und der Ukraine – mit Mehrheitsbeteiligungen an einheimischen Banken vertreten ist.

Unternehmeredition: Wie entwickelt sich derzeit bei Ihnen die Kreditvergabe an mittelständische Firmen, insbesondere bei der Finanzierung von Auslandsengagements?
Laber:
Als mehrmalige “Mittelstandsbank des Jahres” stehen wir zu unserer Verpflichtung, unsere Kunden bei ihrem internationalen Geschäft mit entsprechenden Finanzierungen zu unterstützen. Das gilt sowohl für die Außenhandelsfinanzierung – vom Bestellerkredit über die Ausfuhr-Pauschal-Gewährleistung APG bis zum revolvierenden Hermes-gedeckten Finanzkredit – als auch für die Finanzierung von Investitionen im Ausland. Dabei gibt es bei der Commerzbank im Rahmen ihrer Cross-Border-Strategie eine klare Richtschnur: Wir konzentrieren uns ausschließlich auf deutsche Unternehmen, die im Ausland aktiv sind, und auf ausländische Unternehmen, die wir auf dem Weg in den deutschen Markt begleiten. Der Deutschland-Bezug muss also immer gegeben sein.

Unternehmeredition:
Welche Unterstützung sollten Unternehmer von ihren Banken bei der Internationalisierung erwarten, die über die reine Abwicklung des Zahlungsverkehrs hinausgeht?
Laber:
Da ist natürlich an erster Stelle die Präsenz vor Ort. Die Commerzbank zum Beispiel ist mit ihren Filialen, Tochtergesellschaften und Repräsentanzen sowie rund 15.000 Mitarbeitern in 60 Ländern an über 110 Standorten vertreten. Dabei haben wir sichergestellt, dass es überall Ansprechpartner gibt, die sowohl die deutsche als auch die Landessprache beherrschen. Tiefes Markt- und Sektorwissen, breite Produktexpertise und die Fähigkeit zur Entwicklung von innovativen Finanzlösungen sind ebenso Selbstverständlichkeiten wie umfassendes Know-how in den Bereichen Corporate Finance, strategische Unternehmensfinanzierung, also etwa Debt & Equity Capital Markets sowie M&A, ferner die Absicherung von Währungs-, Zins- und Rohstoffrisiken sowie Cashmanagement.
Aber es ist nicht allein die fachliche Kompetenz: Auch die Strukturen müssen stimmen. Deshalb hat die Commerzbank das in Deutschland bewährte Geschäftsmodell der Mittelstandsbank für Westeuropa und Asien übernommen. Somit sind diese Filialen ein integraler Bestandteil der Mittelstandsbank.

Unternehmeredition: Herr Dr. Laber, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Markus Hofelich.
markus.hofelich@unternehmeredition.de


Zur Person: Dr. Bernd Laber
Dr. Bernd Laber ist Bereichsvorstand Mittelstandsbank International der Commerzbank AG. Die Commerzbank ist das zweitgrößte Kreditinstitut in Deutschland. Mit der Verschmelzung der Dresdner Bank auf die Commerzbank im Mai hat die neue Commerzbank rund 14,5 Millionen Privat- und Firmenkunden weltweit und rund 1.200 Filialen. Seit Jahresbeginn 2009 hält der Bund über den Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) 25% plus eine Aktie an der Commerzbank. www.commerzbank.de

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