Heinrich Schmid: Handwerker 2.0

Vom kleinen Mittelständler entwickelte sich die Unternehmensgruppe Heinrich Schmid zu einem der größten Malerbetriebe in Europa. Um führend zu bleiben, sucht Alt-Gesellschafter Carl-Heiner Schmid den Handwerker 2.0 – manchmal auch mit ungewöhnlichen Methoden.

Genau erinnert sich der Senior-Gesellschafter noch an den Tag, der vieles veränderte. Sein alter Herr, wie Schmid seinen Vater nennt, stand vor ihm und sagte: „Junge, es gibt nichts mehr zu streichen.“ Es gäbe nur noch Fenster aus Aluminium und abgehängte Decken. Damals schlug der alte Herr vor, zusätzlich eben diese künftig zu montieren. Der erste Versuch des Vaters floppte. Er übergab den Teil des Geschäfts an den Sohn. Seitdem war Carl-Heiner für abgehängte Decken verantwortlich. Und er baute die Geschäftsidee aus. „Warum sollten wir, wenn wir doch schon so nah am Kunden sind, nicht noch weitere Gewerke anbieten?“, fragte er sich damals. Es würde doch keinen Sinn machen, dass sich der Kunde alles selbst zusammenstöpseln muss.

Längst fährt Schmid eine Mehrgewerkstrategie und ist damit sehr erfolgreich. One-Stop-Shopping nennt er es. Ähnlich einer Tankstelle, an der man außer Benzin auch alles für den täglichen Bedarf bekommt. Zwar war nicht jeder im Betrieb begeistert. Den Kulturgraben zwischen Stuckateuren, Malern, Elektrikern, Sanitär- und Heizungsbauern musste er erstmal zuschütten. Doch stetig ging es voran. Auch wenn noch nicht jede Niederlassung sämtliche Gewerke anbietet.

Mit klarer Sprache gestalten

Aus dem operativen Geschäft hat sich Schmid mittlerweile zurückgezogen. Der Führungszirkel besteht aus sechs Leuten, die sich über Jahre nach oben gedient haben. Bei Heinrich Schmid hat dies Tradition. Zudem muss jede Führungskraft einen Gesellenbrief und einen Meisterabschluss in der Tasche haben. Ansonsten ist eine Karriere im Unternehmen unmöglich. Wichtig sei dies für die Kultur im Unternehmen. Diesen Anspruch hat Carl-Heiner Schmid auch an seine Söhne. Der älteste ist Betonexperte und Niederlassungsleiter in Karlsruhe, der mittlere ist gelernter Trockenbauer, hat Wirtschaftsingenieurwesen studiert und macht gerade seinen Meister. Und auch der jüngste hat, wie in der Familie eben üblich, einen Handwerksberuf erlernt. Er hat seinen Stuckateurgesellenbrief und wird ebenfalls den Meister machen. Bereits jetzt halten die Söhne 96 Prozent der Gesellschafteranteile. Die Mehrheit der Stimmrechte liegt allerdings immer noch beim Vater.

Sich komplett zurückziehen und nur noch konsumieren kann Schmid nicht. „Ich muss produzieren und gestalten können“, sagt er. Offen gibt er zu, dass es natürlich

Sitz von Heinrich Schmid in Reutlingen: Kunst und Kultur sind dem Unternehmen wichtig (© Heinrich Schmid Systemhaus GmbH & Co. KG )
Sitz von Heinrich Schmid in Reutlingen: Kunst und Kultur sind dem Unternehmen wichtig. (© Heinrich Schmid Systemhaus GmbH & Co. KG )

guttut, auch im Alter noch gefragt zu werden. Er hält Vorträge, beschäftigt sich mit Kunst und versucht, teilweise auch mit philosophischen Ansätzen, Strukturen ins Unternehmen einzuziehen. Um den Handwerkern nahe zu sein und seine Gedanken einfach zu beschreiben, verwendet Schmid seine eigene, bildhafte Sprache. „Terrible Simplificateur“ (furchtbarer Vereinfacher) schrieb sein Physiklehrer schon in der zwölften Klasse unter eine Klassenarbeit, als Schmid versuchte, eine Aufgabe grafisch anstelle von Zahlen zu lösen. „Erklären Sie einem Handwerker das Wort Compliance“, sagt er, ohne despektierlich wirken zu wollen. „Abstand durch Anstand sage ich zu ihm.“ Es sei doch ganz einfach: Drei Worte, zwei Begriffe. Es bleiben: Keine Fragen. „Man braucht eine Sprache, die einfach, aber nicht simpel ist.“ Fragt man ihn nach der Zukunft und dem Erfolg des Unternehmens sagt er: „Mehr ist anders“, und meint, wenn man erfolgreich sein will, muss man Dinge verändern und neue Wege beschreiten.

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