Heimlicher Krisentreiber?

Das Fundament aller digitalen Geschäftsmodelle ist der „echte“ Kundennutzen. Denn Kunden wollen begeistert, ihr „Bedürfnis-Hotspot“ getroffen werden. Start-ups schaffen das sehr gut. Wie sollten mittelständische, etablierte Unternehmen darauf reagieren?

Die situationsspezifische Befriedigung von Individualbedürfnissen gelingt nur bei ausgeprägter Konfigurierbarkeit der Leistungen und Produkte, modularen Funktionalitäten und bei schlanken, skalierbaren Prozessen. Schnittstellenprobleme, unzureichende Vernetzung, Datenwirrwarr und aus Vollholz „geschnitzte“ Produkte sind tödlich, wenn es darum geht, in einer sich digitalisierenden Welt mitzuspielen. Komplexität muss in Modularität und Konfigurierbarkeit aufgelöst und soweit möglich auf die nachfolgende Wertschöpfungsebene beziehungsweise an den Kunden ausgelagert werden. Nur der Kunde selbst weiß schließlich, wie sein „Funktionscocktail“ aussehen muss, den er situationsspezifisch benötigt.

Bilanz und Finanzierung im Wandel

Mit dem zunehmenden Wandel des „Nutzens-on-Demand“ verändern sich auch die Bilanz und Cashflow-Strukturen. Abnehmende Investitionsvolumen, eine Verstetigung der Ausgaben für Serviceleistungen und Cashflows führen zu einer Verkürzung der Bilanz. Aber auch zu häufigeren kleineren Investitionen, zu weniger Umlaufvermögen und höheren Umschlagshäufigkeiten. Finanzierungen werden immer weniger auf die Bonität des Unternehmens abstellen – sie werden sich zunehmend an der Werthaltigkeit und Stetigkeit der Geschäfte beziehungsweise einzelner Geschäftsvorfälle orientieren. Auch Seitens der Finanzierer entstehen neue „digitale“ Geschäftsmodelle, denn: Alle Finanzierungsprozesse sind hoch skalierbar. Im Sinne einer Weiterentwicklung des Factorings können Forderungen nicht nur aufgekauft, sondern gebündelt tranchiert und an Finanzmärkten platziert werden. Auf diese Weise können im Zweifel sogar künftige Cashflows zur Deckung heutiger Finanzbedarfe herangezogen werden. Es kommt also deutlich schneller Geld in die Kasse, die Bilanz atmet automatisch mit dem veränderten Geschäftsvolumen – Geschäftsmodelle mit statischen Strukturen und langen Bilanzen werden künftig immer schwerer eine Finanzierung finden.

Der CDO als Treiber

Wie können diese unterschiedlichen Aspekte der Digitalisierung unternehmensspezifisch richtig vorausgedacht, in die richtige Schrittfolge gebracht und im richtigen Kontext gehalten werden? Die Bündelung dieser komplexen Fragen und Themen sollte künftig in einer Hand liegen: In der eines Chief Digital Officers (CDO). Er kann nachdenken und vordenken, intern die notwendigen Ressourcen bündeln, Barrieren und Restriktionen erkennen und so dafür sorgen, dass der unternehmensspezifisch beste Weg in eine digitale Zukunft beschritten wird.


Zu den Personen

Dr. Volkhard Emmrich/Oliver Völlinger (© Privat)
(© Privat)

Dr. Volkhard Emmrich ist Managing Partner der Dr. Wieselhuber & Partner GmbH und verantwortet den Geschäftsbereich Restructuring & Finance. Oliver Völlinger ist Mitglied der Geschäftsleitung der Dr. Wieselhuber & Partner GmbH und leitet dort das Competence Center Digitalisierung. www.wieselhuber.de

Autorenprofil

Dr. Volkhard Emmrich ist Managing Partner der Dr. Wieselhuber & Partner GmbH und verantwortet den Geschäftsbereich Restructuring & Finance. Oliver Völlinger ist Mitglied der Geschäftsleitung der Dr. Wieselhuber & Partner GmbH und leitet dort das Competence Center Digitalisierung.

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