DPE: „Geld ist nicht alles beim Unternehmensverkauf“

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Was verbirgt sich hinter dem Stichwort operative Exzellenz? Was bedeutet es in der Praxis? Und welche operative Exzellenz kann etwa ein Finanzinvestor einem Unternehmer bieten? Dr. Anselm Stiehl stellt im Gespräch konkrete Beispiele vor, wie ein Finanzinvestor Unternehmen unterstützen kann. INTERVIEW ALEXANDER GÖRBING

Unternehmeredition: Herr Dr. Stiehl, nach Ihrer Einschätzung ist Geld nicht der einzige Entscheidungsfaktor, wenn es um die Auswahl eines Käufers für das eigene Unternehmen geht. Wie kommen Sie darauf?
Dr. Anselm Stiehl: Wir machen diese Erfahrung bei unseren Unternehmenszukäufen in zunehmendem Maße – in allen Bereichen, insbesondere jedoch bei Investitionen und Beteiligungen in Nachfolgesituationen. Ungeachtet der Motive, die einen Unternehmer ursprünglich zum Verkauf seines Unternehmens veranlassen, entscheiden sich Verkäufer – oft gemeinsam mit dem Management – immer häufiger für einen Käufer, der nicht nur finanzstark ist, sondern darüber hinaus einen Mehrwert für die weitere Unternehmensentwicklung bietet. Diese Entscheidung fällt in dem Bewusstsein, dass gerade mittelständische Unternehmen in Fragen der strategischen Ausrichtung sowie der kontinuierlichen Verbesserung von Geschäftsprozessen – der operativen Exzellenz – Unterstützung brauchen.

Unternehmeredition: Worin liegen denn die Vorteile, wenn ein Verkäufer nicht nur auf die Maximierung des unmittelbaren Verkaufserlöses schaut?
Dr. Anselm Stiehl: Operative Exzellenz kann insbesondere im Zeitalter von Digitalisierung, politischer und konjunktureller Unsicherheit sowie zunehmender Wettbewerbsintensität ein entscheidender Erfolgsfaktor sein. Einige Finanzinvestoren haben in diesem Sektor Expertise aufgebaut, die besonders mittelständischen Unternehmen ein erhebliches Wachstumspotenzial aufzeigen kann. Gemeinsam mit dem Management identifizieren sie mögliche Werthebel im Unternehmen, priorisieren Themen und liefern die erforderliche Unterstützung bei der Optimierung von notwendigen Prozessen. Dieses Engagement eines starken, fairen Partners bei der kontinuierlichen Verbesserung der Geschäftsprozesse ist schlichtweg unbezahlbar – allein könnte ein mittelständisches Unternehmen diese komplexen Aufgaben nicht in vergleichbarer Qualität und Geschwindigkeit bewältigen, denn operative Exzellenz ist ein weites Feld, das ein mittelständisches Unternehmen schon aufgrund fehlender Ressourcen überfordern kann. Am Ende profitiert davon auch häufig der Verkäufer: Nicht selten behält der abgebende Gesellschafter Anteile am Unternehmen und partizipiert damit weiterhin an der Wertsteigerung.

Unternehmeredition: Wie sieht der Prozess aus, wenn Finanzinvestor und Management an einem Strang ziehen?
Dr. Anselm Stiehl:
Die Identifikation von Werthebeln und die Priorisierung von Themen bilden nur den Anfang einer Kette von notwendigen Schritten, die es im Anschluss auszuarbeiten gilt. Dabei sind einige Fragen zu beantworten: Wie sieht der Business Case aus? Welche Maßnahmen sind konkret zu bearbeiten? Welche internen und externen Res- sourcen sind erforderlich? Wie sieht ein realistischer Zeitplan für die Umsetzung aus? Auch bei der Umsetzung ist die aktive Unterstützung durch einen Finanzinvestor mehr als hilfreich, weil er mit eigenen Ressourcen zur Entlastung der unternehmenseigenen Ressourcen beiträgt.

Unternehmeredition: Wie finde ich den richtigen Partner?
Dr. Anselm Stiehl: Die Chemie zwischen den Partnern muss stimmen; ein vertrauensvolles Verhältnis auf Augenhöhe ist ebenso wichtig. Die Unterstützung durch den Finanzinvestor sollte kostenfrei zur Verfügung gestellt werden und kein verdecktes Modell zur Ausschüttung von Finanzmitteln sein. Wichtig ist zudem, dass der Unternehmenskauf mit ausreichendem Eigenkapital bei moderater Verschuldung realisiert wird, denn das Unternehmen braucht weiter genug Luft für Wachstumsinitiativen – oder für unerwartete Krisensituationen, wie wir sie gerade mit COVID-19 erleben. Ein partnerschaftlicher Ansatz von Gesellschaftern, Management und Mitarbeitern muss gewährleistet sein. Als wichtig schätze ich auch einen direkten persönlichen Kontakt zu Entscheidungsträgern ein – das ist bei internationalen Fonds manchmal schwierig. Weiterhin ist Kompetenz in den wesentlichen Zukunftsthemen Digitalisierung und Nachhaltigkeit wichtig, um dem Unternehmen Anregungen für eine zukunftsorientierte Ausrichtung geben zu können. Last but not least ist ein tieferes Verständnis und Interesse für die Branche essenziell, um die Stellschrauben für Wachstum zu finden.

Unternehmeredition: Wir erleben gerade ungewöhnliche Zeiten. Wie kann eine solche Zusammenarbeit dann operativ aussehen?
Dr. Anselm Stiehl: Wie wertvoll ein starker Partner an der Seite ist, zeigt meines Erachtens die aktuelle Wirtschaftskrise, ausgelöst durch COVID-19. Ein erfahrener und kompetenter Partner kann Best Practices für die Krisenbewältigung schnell zur Verfügung stellen, etwa um Maßnahmen zum Gesundheitsschutz der Mitarbeiter umzusetzen, Kosten zu reduzieren, Cash zu sichern oder staatliche Unterstützungsmöglichkeiten zu nutzen. Gerade Finanzinvestoren verfügen über viel Erfahrung aus Antragsprozessen und Verhandlungen mit Banken – so-fern finanzielle Unterstützung erforderlich sein sollte. Wie in jeder Partnerschaft zeigt sich insbesondere in einer Krisensituation der besondere Wert des Verhältnisses.

Herr Dr. Stiehl, vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch und die aktuellen Einblicke.


ZUR PERSON

Dr. Anselm Stiehl ist Operations Director bei der DPE Deutsche Private Equity GmbH, einer unabhängigen deutschen Beteiligungsgesellschaft. 2007 in München gegründet, verwaltet das Unternehmen ein Gesamtvermögen von 1,2 Mrd. EUR.

Autorenprofil

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.

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