Insolvenzen auf Rekordtief?

Deutschlands Wirtschaft schreibt weiterhin eine Erfolgsgeschichte. Der robuste Arbeitsmarkt lässt die Einkommen steigen, was der Binnenkonjunktur zugutekommt. Finanzierungen sind nach wie vor weitgehend unproblematisch. Die Insolvenzzahlen in Deutschland sind weiter zurückgegangen.

Flüssig bleiben

Verantwortlich für die stabile Lage der Unternehmen ist aber nicht nur die gute Konjunktur, sondern auch die Finanzierung. Gerade der Mittelstand nutzt die komfortable Situation, um sein Eigenkapital zu verstärken, wie Auswertungen der Bilanzen der letzten Jahre zeigen. Und man hat aus der Krise gelernt. Zwar ist der befürchtete Credit Crunch, die Banken reduzieren ihr Kreditangebot, ausgeblieben, die Unternehmer aber haben verstanden, dass Liquidität weiterhin Trumpf ist. Working Capital Management wird auch in kleineren Betrieben großgeschrieben, jederzeitige Zahlungsfähigkeit hochgehalten.

Angesichts der weiterhin rückläufigen Zahl stellt sich die Frage, ob der Insolvenzantrag bei Gericht die einzige Aussage zur Stabilität und Bonität eines Betriebes bleiben kann. Handelt es sich hierbei nur um die Spitze des Eisbergs, verbergen sich durch die gute Konjunktur und die komfortable Finanzierungssituation Risiken, die sich bei einer Änderung, etwa einem Wiederanstieg des Zinsniveaus, negativ auswirken könnten? Konkret: Wie hoch ist die Anzahl der Betriebe in Deutschland, deren Bonität schwach ist, deren Risiko einer Insolvenz damit sehr hoch liegt?

Eisberg voraus

Deshalb ist auch nach den Verbraucherinsolvenzverfahren von unternehmerisch tätigen Personen sowie einer Aufnahme in die Schuldnerregister von Privatpersonen zu fragen, wenn ein Unternehmen dazugehört. Ein Unternehmen gilt zudem als ausgefallen, wenn davon ausgegangen werden muss, dass das Unternehmen auf Basis von Creditreform-Informationen seinen Zahlungsverpflichtungen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit nicht nachkommen kann. Zum Jahresende 2015 wiesen 310.850 Unternehmen zumindest eines der genannten Negativmerkmale auf. Dazu zählen also auch die aktuellen Insolvenzanträge. Bezogen auf rund 3,3 Mio. wirtschaftsaktive deutsche Unternehmen sind das 9,4 Prozent – bei 0,7 Prozent Insolvenzen. Die positive Entwicklung bei den Insolvenzen macht Freude – ein Polster für die unsichere Zukunft ist sie nicht.


Zur Person

Michael Bretz (© Creditreform)
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Michael Bretz ist Leiter der Wirtschaftsforschung und Mitglied der Geschäftsleitung des Verbandes der Vereine Creditreform. Arbeitsschwerpunkte bei Creditreform liegen in der Wirtschaftsforschung bei Untersuchungen zum Insolvenzgeschehen und den Neugründungen in Deutschland und Europa sowie in Fragen der Finanzierung mittelständischer Unternehmen und der Konjunkturentwicklung. www.creditreform.de

Autorenprofil

Michael Bretz ist Leiter der Wirtschaftsforschung, Pressesprecher und Mitglied der Geschäftsleitung des Verbandes der Vereine Creditreform. Seit 1989 arbeitet er dort. Arbeitsschwerpunkte liegen in der Wirtschaftsforschung bei Untersuchungen zum Insolvenzgeschehen und den Neugründungen in Deutschland und Europa sowie in Fragen der Finanzierung mittelständischer Unternehmen und der Konjunkturentwicklung.

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