Flächendeckende Sicherheit für kritische Leitungen

Nach dem Carve-out entwickelt sich AP Sensing zum internationalen Anbieter faseroptischer Überwachungstechnologie

AP Sensing ist als einstiges Start-up beim Schutz kritischer Infrastrukturen zu einem mittelständischen Hidden Champion herangewachsen.
Im Fokus steht der Schutz kritischer Infrastrukturen: Hier eine Pipeline für wässriges Roherdöl der Wintershall Dea. Foto: © AP Sensing

Mittels eines Carve-outs entstand AP Sensing aus dem Messgerätebereich des US-Konzerns Hewlett-Packard. Seitdem ist das einstige Start-up beim Schutz kritischer Infrastrukturen zu einem mittelständischen Hidden Champion herangewachsen.

In den letzten Jahren haben sich Meldungen über Anschläge auf die Infrastruktur in Deutschland gehäuft. Die Ostseepipeline Nord Stream 2 wurde durch Saboteure schwer beschädigt. In der Nähe der Gigafactory von Tesla in Brandenburg wurde ein Brandanschlag auf einen Strommast verübt. Das ist vermutlich nur die Spitze des Eisbergs. Solche kritischen Infrastrukturen zu schützen, hat sich AP Sensing als Geschäftszweck verschrieben.

Ausgründung sorgte für mehr Flexibilität

1999 begann der US-Konzern mit der Ausgründung seiner Messtechniksparte unter dem Namen Agilent Technologies. Damals wechselte Clemens Pohl von HP zu Agilent und beschäftigte sich dort seit 2005 mit der Entwicklung des faseroptischen Sensorgeschäfts. „Im Laufe der Zeit reifte die Idee, diesen Bereich als eigenständisches Unternehmen ebenso auszugliedern, um mehr Flexibilität bei der Entwicklung von Produktlösungen und eine langfristige Produktstrategie zu erreichen, was im Konzern nicht so ohne weiteres möglich war “, erinnert sich Pohl. Gemeinsam mit vier weiteren Mitarbeitern startete er dann 2007 in die Selbstständigkeit. „Unser Ziel war es, ohne Bankkredite oder Investoren zu starten und organisch zu wachsen. Der Standort von Hewlett-Packard war für uns von Vorteil: Wir konnten sowohl Maschinen als auch das Know-how mitnutzen und so einen strukturierten, schrittweisen Übergang realisieren. Unsere Vision ist es, mit unseren faseroptischen Sensoriklösungen Netzwerkbetreibern zu helfen, ihre Anlagen, Leben und Umwelt zu schützen und zu optimieren.“

Internationalisierung von Anbeginn

AP Sensing ist als einstiges Start-up beim Schutz kritischer Infrastrukturen zu einem mittelständischen Hidden Champion herangewachsen.
Sicherheit für Anlagen, Leben und Umwelt: Kontrolle einer Wassereinheit; Foto: © AP Sensing

Pohl konzentrierte sich auf das Kerngeschäft, die Überwachung kritischer Infrastrukturen wie Kabelnetze für Strom, Pipelines und Schienen, aber auch auf Bereiche wie Geologie und Hydrologie, etwa bei der Früherkennung von Erdbeben. Die oft umfangreichen Projekte werden individuell für den Kunden entwickelt. AP Sensing entwickelt die optische Messtechnik, baut die entsprechende Hardware und bindet die Software in die jeweiligen Leitsysteme der Infrastrukturbetreiber ein. „Zudem haben wir uns von Anbeginn entschlossen, bereits ein Jahr nach unserer Gründung eine Niederlassung in den USA und eine in China zu gründen.“ 2010 folgte dann eine Niederlassung in Bahrein, wo es gelang, einen namhaften Kundenstamm zu akquirieren. Bei Saudi Aramco, Kuwait Oil Company und der Abu Dhabi National Oil Company wird die Technologie zur Überwachung der Öl- und Gaspipelines eingesetzt. Die Saudi Electric Company optimiert und überwacht ihre Starkstromkabel, Wasserleitungen und das Leitungsnetz von Meerwasserentsalzungsanlagen. Das Erdbebenforschungsinstitut der Universität Tokio überwacht mit der Technologie von AP Sensing seismische Aktivitäten an der Küste des Inselstaats, aber auch Rechencenter, Parkhäuser, Solardächer oder Tunnelanlagen werden kontrolliert. Mit einer Auswerteeinheit können Strecken von bis zu 100 Kilometer Leitungen überwacht werden. Dabei werden Glasfaserkabel als Sensoren verwendet, die in Echtzeit an jedem Meter des Kabels die genaue Temperatur und Vibrationsdaten erfassen. So können Brände, Sabotagen oder andere Störungen klassifiziert und lokalisiert werden und beispielsweise Kabeldiebstähle in Echtzeit an die Bundespolizei übermittelt werden.

AP Sensing ist als einstiges Start-up beim Schutz kritischer Infrastrukturen zu einem mittelständischen Hidden Champion herangewachsen.
Sensibilisierung für kritische Infrastrukturen: Präsentation zur Potsdamer Konferenz für Nationale Cybersicherheit am Hasso-Plattner-Institut; Fotos: © AP Sensing

AP Sensing ist als einstiges Start-up beim Schutz kritischer Infrastrukturen zu einem mittelständischen Hidden Champion herangewachsen.

Verdoppelung des Umsatzes durch organisches Wachstum

Dank der stringenten internationalen Ausrichtung werden mittlerweile 80% des Geschäfts außerhalb von Deutschland realisiert. Tausende Kilometer Leitungsnetze und Pipelinenetze werden inzwischen weltweit durch die Böblinger überwacht.

Wie in den letzten fünf Jahren möchte AP Sensing seinen Umsatz auch in den kommenden fünf Jahren durch organisches Wachstum verdoppeln. Dazu sieht man vor allem in Deutschland noch reichlich Wachstumspotenzial: „Gas- und Fernwärmenetze, aber auch das Schienennetz der Deutschen Bahn sind noch längst nicht ausreichend geschützt“, sagt Pohl. Einen weiteren Schub werden die geplanten Gesetze wie etwa das Kritis-Dachgesetz bringen, das seit diesem Jahr die Resilienz und physische Sicherheit kritischer Infrastrukturen regelt und den Betreibern solcher Anlagen zusätzliche Pflichten zum Schutz ihrer Anlagen auferlegen wird.

„18% vom Umsatz investieren wir in Forschung und Entwicklung“

Interview mit Clemens Pohl, CEO, AP Sensing GmbH

Unternehmeredition: Die von Ihnen entwickelte und installierte Technik dient der Gefahrenabwehr und ist für die Öffentlichkeit größtenteils unsichtbar. Wie gewährleisten Sie die Vertraulichkeit?

AP Sensing ist als einstiges Start-up beim Schutz kritischer Infrastrukturen zu einem mittelständischen Hidden Champion herangewachsen.
Clemens Pohl; Foto: © AP Sensing

Clemens Pohl: Zunächst einmal gilt es, das Vertrauen des Kunden zu gewinnen und zu erhalten. Das erfordert eine gute Unternehmenskultur und hohe Sensibilität bei der Personalauswahl. Deshalb werben wir mit spannenden Projekten und damit, dass unsere Mitarbeiter Hightechentwicklungen in eigener Verantwortung übernehmen können. Zudem, und das war ja auch das Ziel bei unserer Ausgründung, kann man in einem kleinen Team entsprechend mehr bewirken. Über die Kooperation mit Universitäten finden wir die nötigen Fachkräfte wie Elektrotechniker, Mathematiker, Physiker und Informatiker.

Die Angriffe auf kritische Infrastrukturen werden immer häufiger und komplexer. Da müssen sich auch Ihre Technologien immer weiter entwickeln.

Deswegen investieren wir ja auch 18% unseres Umsatzes in Forschung und Entwicklung – das ist das Doppelte von dem, was große Technologiekonzerne dafür aufwenden.

Wo liegen dabei die Schwerpunkte?

Eindeutig beim weiteren Einsatz der KI in unseren Systemen. Bereits jetzt ist der KI-Anteil in unseren Lösungen sehr hoch; dieses wird weiter ausgebaut. Das ermöglicht nicht nur eine Überwachung in Echtzeit, sondern auch ein „Condition Monitoring“ der Anlagen des Betreibers. In vielen Anwendungsfällen amortisiert sich die Investition in unsere Sensoriklösung innerhalb weniger Monate, auch durch die Verhinderung von Schadensfällen.

Wir danken für das Gespräch!

👉 Dieser Beitrag ist auch in der Unternehmeredition-Magazinausgabe 2/2025 mit Schwerpunkt “Unternehmensfinanzierung” erschienen.


KURZPROFIL

AP Sensing GmbH

Branche: Elektrotechnik

Firmensitz: Böblingen

Gründungsjahr: 2007

Mitarbeiter: 150

Umsatz 2024: 30 Mio. EUR

www.apsensing.com

Autorenprofil
Torsten Holler

Der Wirtschaftsjournalist Torsten Holler schreibt seit 1987 regelmäßig für renommierte Wirtschaftsmedien über verschiedenste Themen.

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