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„Ein Team wird immer erfolgreicher sein als Einzelkämpfer“

Foto: © Marco Wolf/DHB

Johannes Golla ist ein Star der deutschen Handball-Nationalmannschaft. 2021 wurde er mit 23 Jahren zu ihrem jüngsten Kapitän. Seit 2018 spielt der Kreisläufer mit der rechten Wurfhand bei SG Flensburg-Handewitt und gewann hier 2019 die deutsche Meisterschaft. Bei der diesjährigen WM erzielte die Nationalmannschaft den fünften Platz. Wir sprachen mit ihm über seine Erfahrungen und Ziele, die er noch erreichen möchte.

Unternehmeredition: Wie wird man Kapitän der deutschen Handball-Nationalmannschaft?

Johannes Golla: Das war für mich ein Sprung ins kalte Wasser. Als man mich 2021 zum Kapitän ernannte, hatten gerade viele altgediente Handballer aufgehört, darunter auch der damalige Kapitän Uwe Gensheimer, der nach den Olympischen Spielen in Tokio seinen Rücktritt verkündet hatte. Für den Neuanfang wurden viele junge Spieler herangezogen. Die Wahl fiel auf mich, da ich schon alle großen Turniere gespielt hatte und somit trotz meines jungen Alters zu den erfahrensten Nationalspielern gehörte.

Worauf kommt es beim Führen der Mannschaft an?

Man muss nicht nur sportlich, sondern auch menschlich in der Lage sein, eine Mannschaft zu führen und das Standing bei seinen Mitspielern haben um voranzugehen. Es ist klar, dass es im Sport nicht immer nur schöne Momente gibt, sondern natürlich hin und wieder auch Phasen, in denen Dinge, die nicht richtig laufen, angesprochen werden müssen und dafür muss man das nötige Rückgrat haben. Es fängt bei Kleinigkeiten an, wenn etwas beim Ablauf nicht so läuft, wie man es sich vorstellt, oder wenn sich hier und da nicht an die Regeln gehalten wird, dann muss man das persönliche Gespräch mit den Einzelnen suchen. Und es geht dabei nicht nur um die Mannschaft, sondern auch um die Organisatoren drum herum. Man muss versuchen, die Dinge in eine Richtung zu lenken, damit die Mannschaft erfolgreich ist.

Bei der diesjährigen WM reichte es nach einem sehr erfolgreichen Auftritt am Ende doch nur für den fünften Platz. Wie gehen Sie mit so einer Erfahrung um?

An dem Abend nach dem Spiel ist es in Ordnung enttäuscht zu sein, weil man sich dann auch die nötigen Gedanken darüber macht: was habe ich gut gemacht und was muss ich in Zukunft besser machen, um erfolgreich zu sein. Das ist ein sehr wichtiger Prozess. Im gleichen Zuge arbeiten die Trainer das im Videostudium auf. Das Gute an Turnieren ist aber, dass relativ schnell das nächste Spiel kommt. Also bleibt nicht viel Zeit, spätestens beim Frühstück am nächsten Morgen muss die Stimmung wieder besser werden, damit man sich auf die neuen Aufgaben fokussieren kann. Am wichtigsten ist zu akzeptieren, dass man das Vergangene nicht mehr ändern kann, man kann die Dinge nur in Zukunft besser machen.

Was betrachten Sie als Ihren größten bisherigen Erfolg?

Als meinen größten sportlichen Erfolg betrachte ich, dass wir 2019 in meinem ersten Jahr hier in Flensburg direkt Deutscher Meister geworden sind. Daran denke ich sehr gerne zurück und dabei stellt sich ein gewisser Hunger auf Erfolg ein, weil das etwas ganz Besonderes ist, wenn man am Ende eines harten Wegs belohnt wird. Es ist echt schön, das mit seinen Teamkameraden zu erleben. In dem Moment fallen viel Druck und Spannung von einem ab, weil man am Ziel ist und das ist ja eigentlich das, wofür man den Sport macht.

Das Handball-Fieber packte Sie bereits mit fünf Jahren. Was fasziniert Sie an dieser Sportart?

Ich habe mit Fußball und Leichtathletik bei mir im Dorf angefangen. Fußball ist es nicht geworden. Meine Eltern sagen, dass ich immer nur bei uns auf dem Hartplatz gesessen und Sandburgen gebaut hätte. Irgendwie hat da die endgültige Faszination gefehlt. Als ich dann auf den Geschmack des Handballs gekommen bin, bin ich dabeigeblieben, weil es mir so viel Spaß gemacht hat. Am Anfang war der Leistungsgedanke noch nicht so da, ich hatte aber das Glück Trainer zu haben, die uns Kindern wirklich Spaß vermittelt haben, man ist einfach gerne zum Training gegangen. Es wurden Freizeiten organisiert und es war einfach ein super Gefühl, dabei zu sein. Handball ist eine Sportart, die sehr dynamisch ist und sehr viel abverlangt. Aber diese Gemeinschaft, die im Handball selbstverständlich ist, hat einen gefesselt und mitgetragen. Und dann habe ich mich auch nicht so schlecht angestellt, sodass ich relativ früh gemerkt habe, dass es gut läuft, und meine Eltern haben mich dann auch dahingehend unterstützt, dass ich immer den nächsten Schritt gehen konnte. Eine gewisse Größe und eine körperliche Robustheit sind natürlich von Vorteil und die habe ich zum Glück von meinem Vater geerbt, der auch Handballer war und es bis in die zweite Liga geschafft hat.

Bedauern Sie das vergleichsweise schwächere Image des Handballs verglichen mit Fußball?

Ich finde, dass der Fußball sich das in gewisser Weise verdient hat. Es ist die Sportart, die weltweit am besten ankommt und von den meisten Menschen praktiziert wird. Die Weltmeisterschaften beim Fußball sind internationale Ereignisse. Das Niveau beim Fußball ist sehr hoch, die Konkurrenz ist auf allen Kontinenten extrem groß.

Wir sind beim Handball trotz allem in der privilegierten Situation, dass wir mit dem, was wir machen, gut leben können. Auch wenn es in großen Teilen nur auf den Januar begrenzt ist, findet viel statt und wir bekommen mehr Raum im öffentlichen Fernsehen und in den Medien als andere Sportarten.

Rund um die EM in Ungarn kritisierten Sie das LGBTQ-Gesetz von Viktor Orbán. Inwieweit sollten Spitzensportler als Botschafter auftreten?

Ich finde, man muss es jedem selbst überlassen, wie man zu diesem Thema steht. Mein Ansatz ist aber ganz klar, dass ich mich auch mit Angelegenheiten beschäftigen will, die außerhalb vom Sport in den Ländern passieren, in denen wir spielen, und auch eine gewisse Meinung zu diesen Sachverhalten haben will. Und wenn ich mir sicher bin und diese Meinung auch guten Gewissens vertreten kann, dann habe ich auch kein Problem damit, dies offen zu äußern.

Mein Ziel ist, dass jeder so sein kann, wie er möchte und sich auch so einbringen kann, wie er wirklich ist. Man kann sich nur wohlfühlen und gute Leistung bringen, wenn man sich mit der Mannschaft identifizieren kann. Ich werde immer dafür einstehen, dass das meine Mitspieler dürfen und würde mir das auch für die Gesellschaft wünschen.

Was möchten Sie mit Ihrer Mannschaft noch erreichen?

Wir sind eine große Handballnation, aber es hat sich auch gezeigt, dass andere Länder uns in vielen Punkten noch ein paar Schritte voraus sind. Mein Ziel ist es, beim nächsten Turnier wieder eine gewisse Euphorie zu entfachen und die Menschen für unsere Art Handball zu spielen zu begeistern. Man hat in der Vergangenheit gesehen, was bei so einem Heimturnier in Deutschland möglich ist. Natürlich wollen wir auch wieder die K.o.-Runde erreichen, es dieses Mal besser machen und vielleicht unter die ersten Vier kommen, im besten Fall auch mal eine Medaille in der Hand halten. Ob es für den Europameistertitel reicht, ist noch mal eine andere Geschichte. Wir wollen natürlich wieder dahinkommen, dass man uns zur Weltspitze zählen kann und wir wie früher um die Medaillen mitspielen.

Haben Sie schon Pläne für die Zeit nach Ihrer Sportlerkarriere?

Den Gedanken hat man eigentlich immer im Hinterkopf. Je älter man wird, umso schneller verfliegen die Jahre. Früher hatte ich immer den Traum zur Polizei zu gehen und habe auch mein Schulpraktikum dort gemacht. Ich glaube, wenn es mit dem Profisport nicht funktioniert hätte, dann hätte ich dort das Studium und die Ausbildung absolviert. Es ist ein sehr ehrenvoller Beruf, der sehr wichtig für die Gesellschaft ist.

Gegenwärtig studiere ich neben dem Sport Sportmanagement, um mich weiterzubilden und für die Zeit danach etwas in der Hinterhand zu haben. Aber einen genauen Plan habe ich noch nicht. Ich könnte mir vorstellen, auch nach meiner Karriere mit dem Handball in Berührung zu bleiben, bin aber offen, falls sich etwas anderes ergeben sollte.

Liebäugeln Sie damit, einmal unternehmerisch tätig zu sein?

Da gibt es durch mein Studium Schnittstellen, weil ich dabei Einblicke in die Betriebswirtschaft bekomme und den theoretischen Teil erlerne. Durch Kontakte mit Sponsoren und Gespräche mit Leuten, die sich für Handball begeistern, konnte ich meinen Horizont diesbezüglich erweitern. Einer meiner besten Freunde hat sich im letzten Jahr selbstständig gemacht. Da konnte ich mitverfolgen, was dazu gebraucht wird. Ich weiß allerdings noch nicht genau, in welche Richtung es bei mir gehen wird. Es hilft auf jeden Fall, sich mit Führungspersonen auszutauschen, weil es hier viele Parallelen zum Sport gibt.

Welchen Tipp würden Sie einem Unternehmer geben, wie man sein Team am besten führt?

Ich glaube, wenn sich Menschen für ein Team begeistern können, ist die Leistung und die Bereitschaft etwas zurückzugeben, immer am größten. Deshalb ist es wichtig, ein gutes Betriebsklima zu schaffen, die Leute für die Sache zu begeistern und mit gutem Vorbild voranzugehen, nicht nur zu fordern, sondern auch etwas zurückzugeben. Ich glaube, ein Team, das funktioniert, wird immer erfolgreicher sein als Einzelkämpfer oder Menschen, die sich zu einer Sache genötigt fühlen.

Herr Golla, wir danken Ihnen für das interessante Gespräch!


ZUR PERSON

Foto: © Sascha Klahn/DHB

Geboren: 1997 in Rüdesheim am Rhein, verheiratet, eine Tochter
Beruf: Handballspieler, Kapitän der deutsche Handball-Nationalmannschaft
Hobbys: Golf
Größte Erfolge: Deutscher Meister 2019 mit Flensburg Europameisterschaft 2022: Bester Werfer der deutschen Mannschaft mit 28 Toren in sieben Spielen,
als bester Kreisläufer in das All-Star-Team des Turniers gewählt
Handballer des Jahres 2022
Weltmeisterschaft 2023: Fünfter Platz mit der deutschen Nationalmannschaft
Webseite: https://www.instagram.com/johgolla/?hl=de

Das Interview erscheint in der nächsten Unternehmeredition-Magazinausgabe 1/2023 mit Schwerpunkt “Unternehmensnachfolge”.

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