“Eine SAP der Reisebranche”

Midoco Holding wächst kräftig dank Kapital aus der Genossenschaftlichen FinanzGruppe

Wenn einer eine Reise tut – das klingt alles ganz einfach: Ein paar Klicks in einem Online-Portal oder auch ein Gespräch im Reisebüro. Dann kommen die Reiseunterlagen per Post oder per Mail – und die schönste Zeit des Jahres kann beginnen. Dahinter steckt aber ein komplizierter Buchungsprozess mit allerlei Schnittstellen. Die Midoco Holding GmbH sorgt für einen reibungslosen Ablauf – auch dank Kapital aus der Genossenschaftlichen FinanzGruppe.

„Wir sind schon so eine Art SAP der Reisebranche und verstehen uns als ein universelles Travel ERP-System“, erklärt Steffen Faradi, Geschäftsführer von Midoco. Die Abwicklung der Reisebuchungen wird nach seiner Erfahrung immer komplexer und das schaffe automatisch einen großen Bedarf für einen digitalisierten Workflow. Es gehe darum, Prozesse zu automatisieren – wie Zahlungen, Auftragsbestätigungen und vergleichbare Dinge. „Im Prinzip können wir alles übernehmen, was nach der Buchung im Reisebüro oder online kommt“, so Faradi weiter. Und diese hohe Kompetenz zahlt sich aus, denn das Unternehmen ist Marktführer im DACH-Raum und wickelt beinahe 20 Jahre nach seiner Gründung ein Volumen an Reisebuchungen von rund 14 Mrd. EUR ab. Wesentliche Kunden sind Reisebüro-Ketten sowie OTA-Anbieter wie beispielsweise TUI.

„Bei null angefangen“

Die Erfolgsgeschichte von Midoco begann 2005. Die drei Gründer Steffen Faradi, Jörg Hauschild und Marcus Haarmann kannten sich schon vorher aus anderen Unternehmen der Reisebranche. „Wir haben bei null angefangen und die Firma quasi auf der grünen Wiese gegründet“, erinnert sich Faradi. Im ersten Schritt habe man sehr intensiv mit Online-Reisebüros gearbeitet. Und bereits nach drei Jahren erlangte Midoco in diesem Segment die Marktführerschaft in der DACH-Region. Das sorgte in der Branche für die notwendige Aufmerksamkeit, um weitere Kunden gewinnen zu können. Im Jahr 2009 wurde dann ein wichtiger Schritt getan, indem das „Lufthansa City Center“ als großer Kunden akquiriert wurde. „Für uns war das ein echter Turbo, denn hier haben wir erstmals für ein Unternehmen sowohl Urlaubs- als auch Geschäftsreisen abgewickelt“, so Faradi weiter.

In den USA die Nummer Eins

12vl Marcus Haarmann, Jürg Hauschild, Steffen Faradi von Midoco2018 übernahm Midoco dann die Schweizer Umbrella AG im Zuge einer Nachfolgeregelung. Die Software „Umbrella Faces“ verwaltet Reisenden-Profile für Geschäftsreisen. Die Daten der Reisenden und ihrer Buchungen werden zentral gepflegt. Das Schweizer Unternehmen hat sich darauf spezialisiert, Kundenprofile von Geschäftsreisenden zwischen verschiedenen Buchungssystemen zu synchronisieren. Umbrella Faces wird derzeit von 280 Agenturen in 68 Ländern genutzt und speichert Kundenprofile von Geschäftsreisenden von über 80.000 Unternehmen weltweit. In den USA ist es das System Nummer Eins – insgesamt werden in „Umbrella Faces“ 12 Mio. Profile von Reisenden verwaltet. „Wir konnten seit der Übernahme den Umsatz der Firma vervielfachen – es war also eine richtige Entscheidung“, sagt Faradi. Die starke Position von Umbrella in Nordamerika soll in den kommenden Jahren als Basis für ein weiteres Wachstum der Gruppe vor allem in den USA dienen. „Die Ansprache von möglichen Zielkunden wird einfacher, wenn wir schon eine hohe Bekanntheit bei den wichtigsten Playern mitbringen. Wir müssen in der Akquise also glücklicherweise nicht bei Null anfangen“, erklärt er weiter. Gerade der Markt in den USA für Urlaubs- und Geschäftsreisen ist seiner Einschätzung nach stark in Bewegung. Dies sorge für eine deutlich stärkere Offenheit für die ERP-Abwicklungssysteme von Midoco.

Über 22.000 Nutzer täglich

Auf das Know how der Midoco-Group vertrauen internationale Reisebüroketten und Geschäftsreiseagenturen sowie Reiseveranstalter und Online Travel-Agenturen. Über 22.000 Nutzer arbeiten täglich mit der Midoco Software – pro Jahr werden allein rund sieben Millionen Flugtickets verarbeitet. Aktuell beschäftigt die Gruppe 75 Mitarbeitende. Zu den Kunden der Midoco-Gruppe zählen so bedeutende Unternehmen wie TUI, DER und DER Business Travel, Lufthansa City Center, Fello, CTM, Uniglobe, Invia Group oder Check24. Ende des vergangenen Jahres erwarb die Frankfurter Beteiligungsgesellschaft VR Equitypartner (VREP) eine signifikante Minderheitsbeteiligung an der Midoco-Gruppe. Im Zuge dieser Transaktion übernahmen VREP, BIP und das Management die Anteile der bisherigen Finanzinvestoren LEA Voyager und BID Equity. Das Team der drei Gründer Faradi, Hauschild und Haarmann blieb weiterhin am Unternehmen beteiligt. Die Finanzierung der Transaktion wurde von der “Gestalterbank” aus Offenburg gestellt, die als Volksbank genau wie VREP zur Genossenschaftlichen Finanzgruppe gehört.

Wachstum soll fortgesetzt werden

Die Gespräche über das Investment liefen in einer vertrauten Atmosphäre, denn man kannte sich schon seit mehreren Jahren. „Es war von Vorteil, dass der Markt und das Geschäftsmodell, aber auch das Management von Midoco bei VREP bekannt war, so dass wir hinsichtlich der Qualität des Geschäfts und der handelnden Personen auf Grundlage der Verkaufsunterlagen zügig eine substantiierte eigene Einschätzung gewinnen konnten. Insofern war es auch im Vergleich zu anderen Verkaufsprozessen ein ruhiges und sehr fokussiertes Zusammenkommen“, erinnert sich Christian Futterlieb, Geschäftsführer der VR Equitypartner GmbH. „Uns hat besonders begeistert, dass das Management-Team von Midoco unglaublich agil ist, und große Lust hat auf weitere Wachstumsschritte“, so Futterlieb.

Insgesamt stehen die Zeichen also weiter auf Wachstum – sowohl organisch wie auch anorganisch. Die starke Position und die exzellente Reputation im Markt eröffnen Möglichkeiten für weitere Add-On-Akquisitionen im Umfeld der Reisebranche. „Wir sehen Chancen in einer vertikalen und horizontalen Expansion, um neue Märkte und Kundengruppen zu erschließen“, erklärt Futterlieb. Die Reisebranche sei weiterhin im Wachstum begriffen und die Komplexität von Reisen und damit auch der Abwicklung von Geschäftsprozessen nehme zu. Dies bietet beste Voraussetzungen für eine nachhaltige Expansion. Und genau hier kann VREP tiefes Know-how und jahrzehntelange Erfahrung im Bereich Buy&Build in die Partnerschaft einbringen. Für Midoco-Geschäftsführer Faradi war das eine wichtige Entscheidungsgrundlage für die Zusammenarbeit mit der DZ BANK-Tochter: „Unser Hauptberuf ist nicht Deal Constructor. Wir möchten uns auf unser Geschäft konzentrieren.“ Außerdem hat ihn überzeugt, dass das Engagement der VREP nicht starr an Fondslaufzeiten gebunden ist, sondern langfristig orientiert und grundsätzlich flexibel ist.

Vinzenz Kniel
Vinzenz Kniel

Die Besonderheit bei der Unternehmensbeteiligung war die Einbindung einer Bank aus der genossenschaftlichen Finanzgruppe in die Unternehmens- und Akquisitionsfinanzierung durch die VREP. „Bei interessanten mittelständischen Unternehmen schauen wir uns solche Finanzierungen sehr gerne an“, so Vinzenz Kniel, Finanzierungsspezialist für Akquisitionsfinanzierungen bei der Volksbank e.G. – Die Gestalterbank. Zum Unternehmen gab es vorher schon eine Geschäftsbeziehung, was den gesamten Prozess erleichtert hat. „Die Finanzierung ist flexibel und zukunftsgerichtet ausgestaltet und deckt das mittelfristige Wachstum der Gruppe sowie weitere Zukäufe ab. Wir kennen die speziellen Anforderungen dieser Geschäftsart sehr gut und wissen, worauf es ankommt“, erklärt Kniel.

 


„Vertrauen und Transparenz sind wichtig“

Interview mit Christian Futterlieb, Geschäftsführer der VR Equitypartner GmbH.

Foto: © VR Equitypartner

Wie sehen Sie rückblickend die Verhandlungen über Ihren Einstieg in die Midoco-Gruppe?

Christian Futterlieb: Wir hatten vorher schon ein gutes Bild von. Es war für uns deutlich einfacher, die richtigen Fragen zu stellen. Zudem haben wir Erfahrung mit Software-Unternehmen und wissen, welche Kennzahlen die wichtigen sind. Bei Midoco haben wir uns intensiv die Kundenbeziehungen angesehen und das organische Wachstum. Beides ist seit Jahren stabil.

Was war dann ausschlaggebend für Ihre Beteiligung?

Bei Midoco hat uns vor allem überzeugt, dass das Management-Team einen klaren Plan hat und über M&A-Erfahrung verfügt. Mit der Umbrella-Akquisition hat es bereits seine Umsetzungsstärke unter Beweis gestellt. Das schafft beste Voraussetzungen für die Fortsetzung einer Buy-and-Build-Strategie. Wir wollen Chancen beschleunigen und Risiken vermeiden.

Was sind für Sie die Vorteile der Genossenschaftlichen Finanzgruppe?

Die Unternehmen der Genossenschaftlichen Finanzgruppe haben ein gemeinsames Wertegerüst. Selbstverantwortung, Partnerschaftlichkeit und vor allem die genossenschaftliche Idee „Was einer alleine nicht schafft, das schaffen viele“ spielen in unserem Geschäft eine große Rolle. Dabei ist Vertrauen und Transparenz wichtig, um planen und auch in einmal schwierigeren Zeiten – die früher oder später immer mal wieder kommen – handlungsfähig zu sein. Das nehmen wir sehr ernst. Hierzu gehört für uns möglichst auch, die örtliche Volks- oder Raiffeisenbank oder einen bundesweit tätigen Finanzierungsspezialisten für Akquisitionsfinanzierungen aus der eigenen Gruppe, wie die Gestalterbank, mit einzubeziehen. Dies schafft für das Unternehmen den Vorteil, dass Eigen- und Fremdkapitalfinanzierung aufeinander abgestimmt sind und gemeinsam aus der Gruppe angeboten werden können.

 


KURZPROFIL Midoco GmbH

Unternehmenssitz:  Hilden

Gründungsjahr:       2005

Branche:                  Reise / Touristik

Mitarbeiter:              75

 


👉 Dieser Beitrag erschien in der aktuellen Magazinausgabe der Unternehmeredition 3/2024.

Autorenprofil

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.

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