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Mehr Kartellrecht für Unternehmen

Eine Novelle verdichtet die kartellrechtliche Regulierung. Sie enthält Neuregelungen, die für die Transaktionspraxis relevant sind. Sie führt einen transaktionsbezogenen Schwellenwert ein und verschärft die Bußgeldhaftung der Nachfolgeunternehmen.

Am 27. Juli 1957 verabschiedete der Bundestag das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Die New York Times schrieb von einem „big victory for Erhard over industrial leaders“ – Großer Sieg für Erhard über die Industriebosse. Am 9. Juni 2017 ist die 9. GWB-Novelle in Kraft getreten. Das Bundeswirtschaftsministerium nennt sie ein „modernes Wettbewerbsrecht im Zeitalter der Digitalisierung“. Dahinter verbirgt sich eine Vielfalt von Regelungen, die die Durchsetzung des Kartellrechts erleichtern und Lücken schließen sollen. Für die Transaktionspraxis sind vor allem die Ausweitung der Fusionskontrolle und die Einführung einer Haftung des Nachfolgeunternehmens für Bußgelder von Relevanz.

Facebook als Ausgangspunkt

Ausgangspunkt der Ausweitung der Fusionskontrolle war der Erwerb von Whatsapp durch Facebook. Dieser musste nicht beim Bundeskartellamt angemeldet werden, da die in Deutschland getätigten Umsätze zu gering waren. Nach bisheriger Rechtslage musste in Deutschland ein Zusammenschluss nur angemeldet werden, wenn die beteiligten Unternehmen (also z.B. der Käuferkonzern und das Target) im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr insgesamt weltweit Umsätze von mehr als 500 Mio. Euro erzielt haben, ein Unternehmen (also z.B. der Käuferkonzern) in Deutschland Umsätze von mehr als 25 Mio. Euro erzielt hat und ein anderes Unternehmen (also z.B. das Target) in Deutschland Umsätze von mehr als fünf Mio. Euro erwirtschaftet hat. Seit Inkrafttreten der Novelle muss auch dann angemeldet werden, wenn die Umsatzschwelle von fünf Mio. Euro nicht erreicht wird, aber stattdessen der Wert der Gegenleistung mehr als 400 Mio. Euro beträgt und das zu erwerbende Unternehmen in erheblichem Umfang im Inland tätig ist.

Fusionskontrolle kein Exit-Killer

Der hohe Wert von 400 Mio. Euro macht deutlich, dass die Neuregelung nicht das Potenzial zu einem Exit-Killer für Investoren hat, wie im Vorfeld befürchtet wurde. Die Details sind trotzdem spannend, denn die beiden neuen Kriterien werden weit ausgelegt. Zum Wert der Gegenleistung werden etwa auch solche gerechnet, die nur unter bestimmten Bedingungen zu zahlen sind (Earn-out-Klauseln), sowie alle anderen geldwerten Vorteile, wie Anteile am Erwerber, Media for Equity und so weiter. Das Kriterium der erheblichen Tätigkeit im Inland wird so ausgelegt, dass nur marginale Tätigkeiten im Inland zu einem Ausschluss der Anmeldepflicht führen. Laut Gesetzesbegründung ist bei digitalen Diensten die Schwelle der Erheblichkeit bei einer Million Nutzern im Inland jedenfalls erreicht. Bei kleineren Nutzergruppen genügen auch geringere Nutzerzahlen.

Eine Novelle verdichtet die kartellrechtliche Regulierung. Sie enthält Neuregelungen, die für die Transaktionspraxis relevant sind. Sie führt einen transaktionsbezogenen Schwellenwert ein und verschärft die Bußgeldhaftung der Nachfolgeunternehmen.

Wurstlücke geschlossen

Die Einführung einer Haftung für Nachfolgeunternehmen schließt die sogenannte Wurstlücke. Im Jahr 2015 hatte sich der am Wurstkartell beteiligte Tönnies-Konzern so umstrukturiert, dass für die beiden am Kartell beteiligten Tönnies-Konzernunternehmen keine Rechtsnachfolger mehr identifiziert werden konnten. Damit gab es auch keine Unternehmen mehr, die für das vom Bundeskartellamt verhängte Bußgeld von 128 Mio. Euro hafteten. Nunmehr haften nicht nur Rechtsnachfolger, sondern auch alle sogenannten wirtschaftlichen Nachfolger eines Unternehmens für das Bußgeld. Beim Erwerb eines Unternehmens mit kartellrechtlichen Problemen gibt es jetzt keine Möglichkeit mehr, sich einer Bußgeldhaftung durch geschickte Umstrukturierung zu entziehen. Für den Erwerber bedeutet dies, dass er darauf achten muss, dass ihn der Veräußerer für die Folgen eventueller Kartellverstöße schadlos hält. Dies kann er etwa durch Freistellungsvereinbarungen oder Garantien tun.

Fazit

Die Ausweitung der Fusionskontrolle wird dazu führen, dass mehr internationale Transaktionen im digitalen Umfeld angemeldet werden müssen. In Unternehmenskaufverträgen sollte die Haftung für die Folgen vergangener Kartellverstöße gründlich geregelt werden.


Zur Person

Dr. Michael Reich ist Partner bei Pinsent Masons in München. Er berät zu allen Aspekten des deutschen und europäischen Kartellrechts. Er vertritt Mandanten in Bußgeldverfahren, Zivilprozessen und Fusionskontrollverfahren. Viele seiner Mandanten berät er laufend im Bereich der Kartellrechts-Compliance. Daneben berät er auch im Vertriebsrecht mit einem Fokus auf Technologie- und Verbraucherprodukte.

www.pinsentmasons.com

 

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