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Die Alten sind da – Teil 2

Mittelständler sangen ein Loblied auf die Jugend. Heute setzen Unternehmen immer mehr auf ältere Mitarbeiter. Fachkräftemangel und demografischer Wandel sind nicht die einzigen Gründe dafür.

Statistiken zeigen das Problem

Die Zahl der über 67-Jährigen in Deutschland bis zum Jahr 2040 voraussichtlich auf 2,1 Mio. steigen. Das sind 6,3 Mio. mehr als noch 2013. Die Zahl der der 20- bis 66-Jährigen hingegen wird den Statistikern zufolge um rund 13 Mio. abnehmen. Dies könne durch eine Zuwanderung von etwa 470.000 Menschen pro Jahr zwar kompensiert werden. Die hohe Anzahl der Flüchtlinge, die im vergangenen Jahr nach Deutschland kamen, werten die Experten jedoch als Ausnahme.


„Ich bin aber überzeugt davon, dass auch deutschen Unternehmern mit der Zeit klar wird, welches Potenzial ältere Arbeitnehmer haben“

Hans-Georg Pompe, Geschäftsführer Pompe Marketing


„Wir müssen die Vorstellung, Arbeitnehmer seien mit 40 Jahren schon alt, endlich aufgeben“, mahnt Pompe. Stattdessen müssten Unternehmen begreifen, dass Mitarbeiter jenseits der 55 heute durchaus noch flexibel, leistungsfähig und belastbar seien. „Jeder dritte Chef eines DAX-Konzerns ist über 50“, sagt der Trainer. „Da kann es ja nicht sein, dass für die Mitarbeiter ganz andere Altersgrenzen gelten“, findet Pompe.

In anderen Ländern hat ein Umdenken schon viel früher begonnen. So sind etwa in Schweden rund 70 Prozent der 55- bis 64-Jährigen noch berufstätig, in Finnland immerhin 53 Prozent. Hierzulande liegt die Zahl bei gerade einmal 45 Prozent. „Ich bin aber überzeugt davon, dass auch deutschen Unternehmern mit der Zeit klar wird, welches Potenzial ältere Arbeitnehmer haben“, sagt Pompe optimistisch.

Mittelständler sangen ein Loblied auf die Jugend. Heute setzen Unternehmen immer mehr auf ältere Mitarbeiter. Fachkräftemangel und demografischer Wandel sind nicht die einzigen Gründe dafür.

Frank Daniel Herder ist sich darüber schon längst im Klaren. Ähnlich wie Otmar Fahrion war auch der Geschäftsführendende Gesellschafter der Windmühlenmesser-Manufactur Robert Herder GmbH & Co. KG in Solingen zu Beginn des Jahrtausends auf der Suche nach Fachkräften. Mit dem Massensterben der Kaufhäuser brach damals die Nachfrage nach Schneidwaren der mittleren Preisklasse ein. Hochwertiges Handwerk war wieder gefragt. „Aber Facharbeiter waren schon zu dieser Zeit schwer zu finden“, erinnert sich Herder. Daher schaute sich der Unternehmer gern auch ältere Arbeitslose an, die ihm das Jobcenter vor Ort immer wieder vermittelte.

Vier von zehn Mitarbeitern über 50 Jahre alt

„Im Jahr 2013 kam das Jobcenter dann mit der Idee auf mich zu, unseren Betrieb für den Preis ‚Unternehmen mit Weitblick‘ vorzuschlagen“, erzählt Herder. Der Preis wurde im Rahmen des Beschäftigungsprogramms der Bundesregierung „Perspektive 50 plus“ ausgelobt. Das Jobcenter machte Herder darauf aufmerksam, dass fast jeder dritte bis vierte vermittelte Arbeitslose über 50 bei der Windmühlenmesser-Manufactur einen neuen Job gefunden hatte. „Da habe ich mich hingesetzt und erst einmal eine Excel-Tabelle erstellt“, erinnert sich der Unternehmer. Und erst zu diesem Zeitpunkt wurde ihm bewusst, wie viele Mitarbeiter jenseits der 50 er eingestellt hatte: 70 Beschäftige zählte das Unternehmen, vier von zehn waren über 50 Jahre alt. So ist es bis heute. 2014 wurde die Windmühlenmesser-Manufactur tatsächlich mit dem Bundespreis ausgezeichnet.


„Ältere Angestellte haben ein anderes Verständnis von Treue und Partnerschaft“

Frank Daniel Herder, Geschäftsführer Windmühlenmesser-Manufactur


Die Qualitäten seiner älteren Mitarbeiter weiß Herder sehr zu schätzen. „Natürlich war es zuerst so, dass wir aus einem Mangel heraus jeden genommen haben, der die Arbeit bei uns leisten konnte“, sagt er. Mittlerweile hat er jedoch bemerkt, welche Vorzüge die Generation 50 plus zu bieten hat. „Ältere Angestellte haben ein anderes Verständnis von Treue und Partnerschaft“, sagt der Unternehmer. Sie seien seltener krank und eher bereit, auch unkomfortable Schichten zu übernehmen. „Wenn ich zum Beispiel am Samstag frühmorgens die Firmentür aufschließe, dann stehen da regelmäßig mehr Mitarbeiter parat, die über 50 sind, als junge Berufseinsteiger“, erklärt Herder. Und das liegt nicht daran, dass die Älteren stärker um ihren Job fürchten, ist er überzeugt.

Das Verhältnis zwischen den Jungspunden und alten Hasen ist auch nicht kompliziert, findet der Unternehmer. „Früher hatten ältere Mitarbeiter zum Teil wenig Verständnis dafür, wenn ein junger Kollege etwa einen Ohrring trug“, erinnert er sich. Heute sei die Generation 50 plus aber viel moderner. „Sie haben ihre Jugend in den 1980er-Jahren erlebt, da war die Gesellschaft ja längst viel offener als noch 20 Jahre zuvor“, sagt Herder. Und: Die heute über 50-Jährigen waren als junge Menschen protestbereit, haben gelernt, ihre Meinung zu vertreten. „Damit sind sie jüngeren Kollegen jetzt zum Teil überlegen“, erklärt der Unternehmer. Diese könnten oft weitaus schlechter Position beziehen.

Mittelständler sangen ein Loblied auf die Jugend. Heute setzen Unternehmen immer mehr auf ältere Mitarbeiter. Fachkräftemangel und demografischer Wandel sind nicht die einzigen Gründe dafür.


„Vor rund 15 Jahren war es bei Konzernen gang und gäbe, Mitarbeiter über 55 mit einer hohen Abfindung nach Hause zu schicken“

Susanne Glaser-Radtke, Geschäftsführerin GIM Gesellschaft für integratives Management mbH


Silver Ager auf dem Vormarsch?

Sind sie also tatsächlich auf dem Vormarsch, die 50-Plusler, die Best und Silver Ager? Erkennen Unternehmer zunehmend nicht nur den Nutzen, den ältere Mitarbeiter ihnen in Zeiten von Fachkräftemangel und umgekehrter Alterspyramide bringen, sondern auch ihren Wert? „Das denke ich schon“, sagt Susanne Glaser-Radtke, Geschäftsführendende Gesellschafterin der Hamburger Personalberatung GIM Beratung für integratives Management mbH. „Vor rund 15 Jahren war es bei Konzernen gang und gäbe, Mitarbeiter über 55 mit einer hohen Abfindung nach Hause zu schicken“, erklärt Glaser-Radtke. Und die vielen jungen Rentner ließen es sich gern gefallen, freuten sie sich doch auf ein Leben in Ruhe und finanzieller Sorglosigkeit.

„Heute hingegen sind die Universitäten voll von Greyhounds“, weiß die Personalberaterin. Nicht nur in den Unternehmen habe ein Umdenken eingesetzt, auch die Silver Ager selbst veränderten sich, bildeten sich freiwillig weiter, fingen nach ihrem Arbeitsleben noch einmal ein Studium an. „Das zeigt, wie aktiv ältere Menschen heute sind, und es macht sie als Mitarbeiter für Unternehmen interessant“, ist Glaser-Radtke überzeugt. „Mein Eindruck ist, dass viele Firmenchefs genau wissen, was sie an älteren Angestellten haben“, sagt sie.

Keine statistische Evidenz

So scheint es fast, als hätte sich mit der Alterspyramide auch die Vorliebe der Konzernvorstände und mittelständischen Firmenlenker umgekehrt. Schworen vielen von ihnen vor noch nicht einmal 20 Jahren auf die Jugend, hofieren sie heute die erfahrenen Älteren. Schließlich zeigen Studien, die untersuchen, ob sich ältere und jüngere Mitarbeiter in ihren Persönlichkeitsmerkmalen unterscheiden, im Durchschnitt keine oder nur sehr geringe Effekte. Wissenschaftlich konnte bisher nicht nachgewiesen werden, dass ältere Menschen etwa gewissenhafter arbeiten oder emotional stabiler sind. Auch zeigen sich jüngere Menschen nicht per se offener für neue Erfahrungen. „Es ist daher nicht sinnvoll, ältere Mitarbeiter bei der Besetzung von Stellen grundsätzlich zu bevorzugen“, sagt Professor Uwe Kanning.

Das sieht auch Personalberaterin Glaser-Radtke so. „Andererseits muss man aber berücksichtigen, dass viele junge Leute in Deutschland heute erst mit über 30 ihr Studium abschließen“, gibt sie zu bedenken. „Wenn sie einmal Anfang 50 sind, haben sie noch ein Drittel ihrer Lebensarbeitszeit vor sich“, sagt sie. Daher sei es durchaus richtig, dass Unternehmer von der jahrelangen „Glorifizierung der Jugend“ Abstand genommen hätten.

Es geht nicht um Bevorzugung

„Es geht gar nicht darum, ältere Mitarbeiter zu bevorzugen, sondern darum, sie individuell sinnvoll einzusetzen“, findet Glaser-Radtke. Das sei je nach Branche natürlich einfacher oder schwieriger. „Aber letztendlich kann auch ein 60-jähriger Maler, den man vielleicht nicht mehr aufs Gerüst schickt, umschulen“, ist die Personalberaterin überzeugt. Er könne jüngere Kollegen coachen oder im Verkauf tätig sein. „Gerade dort erweisen sich ältere Mitarbeiter oft als extrem wertvoll“, weiß auch Hans-Georg Pompe. Viele Kunden schätzten es, von souveränen Ansprechpartnern mit viel Fachwissen betreut zu werden.

Mittelständler sangen ein Loblied auf die Jugend. Heute setzen Unternehmen immer mehr auf ältere Mitarbeiter. Fachkräftemangel und demografischer Wandel sind nicht die einzigen Gründe dafür.

Bleibt die Frage nach den Kosten. Denn eines steht fest: Ältere Mitarbeiter, egal ob sie im Unternehmen gehalten oder neu eingestellt werden, verdienen mehr als jüngere Kollegen in der gleichen Position. Jens Fahrion sieht das ganz pragmatisch. „Für uns ist der Betriebswert einer Person entscheidend“, erklärt der Unternehmer. Dieser bestimmt sich danach, was die Firma mit der Arbeit eines Angestellten verdienen kann. „Berufseinsteiger brauchen zwölf bis 15 Jahre, bis sie die Ebene eines Projektleiters erreichen“, sagt Fahrion. Wenn sie in der Zwischenzeit in ein anderes Unternehmen wechseln, was häufig vorkomme, seien die Kosten für Aus- und Weiterbildung verloren. „Mitarbeiter jenseits der 50 oder 55 können Projekte viel schneller übernehmen“, sagt Fahrion. Und dann sind sie im wahrsten Sinne des Wortes ihr Geld wert.

„Natürlich ist es notwendig, althergebrachte Vergütungsmodelle zu überprüfen, wenn wir vermehrt auf ältere Mitarbeiter setzen“, erklärt Berater Pompe. Gehälter sollten daher künftig immer stärker leistungsorientiert gestaltet sein. Das stelle Unternehmen und Mitarbeiter zwar vor Herausforderungen. „Aber Firmenchefs verbauen sich Chancen, wenn sie weiterhin ausschließlich nach Lebensalter und Betriebszugehörigkeit bezahlen“, ist Pompe überzeugt.

Veränderung der Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer in Deutschland gegenüber dem Vorjahresquartal

Quelle: Statistisches Bundesamt; Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung © Statista 2016

Bezahlung über Tagessätze

Wie es gehen kann, hat der Automobilhersteller Daimler vorgemacht, als er in den Jahren 2013 und 2014 seine Rentner neu rekrutierte. „Wir haben uns nicht an den Gehältern orientiert, die die ehemaligen Mitarbeiter zuletzt verdient hatten“, berichtet Personalvorstand Wilfried Porth. Stattdessen vereinbarte der Konzern mit den Wiedereingestellten Tagessätze. Zwar mag dieses Modell für eine dauerhafte Beschäftigung nicht geeignet sein. „Aber wenn ältere Arbeitnehmer zum Beispiel als Berater, Coaches oder nur noch stundenweise im Unternehmen tätig sein möchten, kommt es durchaus infrage“, sagt Pompe. Auch wenn sich etwa zwei Mitarbeiter einen Arbeitsplatz teilen, weil sie ihre Stundenzahl ab einem gewissen Alter vielleicht reduzieren möchten, kann sich statt eines Festgehalts eine Bezahlung auf Honorarbasis anbieten.

Gerhard Brosek kann sich eine gewisse Schadenfreude nicht verkneifen, wenn er daran denkt, wie sich sein einstiger Arbeitgeber plötzlich auf die Rentner besann. „Im Grunde finde ich dieses Modell aber gut“, sagt er. „Und wenn ich 2014 nicht schon sehr lange aus der Firma raus gewesen wäre, hätte ich mich vielleicht sogar gemeldet“, überlegt er. Denn Spaß an seiner Arbeit hatte er immer – auch, als er längst schon zur Generation 50 plus gehörte.

Mittelständler sangen ein Loblied auf die Jugend. Heute setzen Unternehmen immer mehr auf ältere Mitarbeiter. Fachkräftemangel und demografischer Wandel sind nicht die einzigen Gründe dafür.

Damit die Best Ager im Unternehmen bleiben

Firmenchefs haben eine ganze Reihe von Möglichkeiten, um ihre 50-plus-Mitarbeiter gesund, fit und zufrieden im Unternehmen zu halten. Einige Tipps:

Keine Sonderbehandlung

Ältere Mitarbeiter wünschen sich genauso wie jüngere Kollegen Aufmerksamkeit, Lob und einen respektvollen Umgang. Das bedeutet aber nicht, dass sie ständig gefragt werden möchten, wie es ihnen geht, ob sie etwa Unterstützung benötigen oder gern ein verlängertes Wochenende hätten. Mit dieser Art von Sonderbehandlung stempeln Unternehmer ihre „alten Hasen“ zum „alten Eisen“ ab.

Weiterbildung, aber richtig

Fortbildung ist für alle Mitarbeiter wichtig, deshalb müssen aber nicht zwangsläufig auch alle Kräfte dieselben Kurse besuchen. Geht es etwa darum, ein neues Computerprogramm zu lernen, ist die junge Generation oft im Vorteil. Zwar ist nicht grundsätzlich gesagt, dass ältere Beschäftigte langsamer lernen, trotzdem ist das häufig der Fall. Daher sollten Kurse zur Weiterbildung nach Lebensalter der Teilnehmer zusammengesetzt werden. Andernfalls sind die 50-plus-Mitarbeiter schnell frustriert, die Jungspunde gelangweilt.

Umschulungen

Kann ein älterer Mitarbeiter seine bisherige Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr oder nicht mehr so gut erfüllen, sollten Firmenchefs über eine Umschulung im Unternehmen nachdenken. Eine solche Maßnahme kann sich aber auch empfehlen, wenn eine neue Kraft für den Arbeitsplatz eines langjährigen Mitarbeiters geeigneter erscheint. In diesem Fall gilt es, behutsam, aber sachlich mit dem Betroffenen zu sprechen.

Gesunde Arbeitsbedingungen

Die meisten Konzerne bieten mittlerweile gesundheitsfördernde Maßnahmen wie Rückenschulungen, Sport- oder Entspannungskurse an. Für mittelständische Unternehmen ist das oft zu aufwendig und zu teuer. Aber: Über die Krankenkassen lassen sich zum Teil günstige, teilgeförderte Varianten finden. Ergonomische Arbeitsplätze oder Stehpults können die Arbeit ebenfalls erleichtern.

Team-Events

Es muss nicht immer gleich ein Survival-Camp sein. Doch Events, bei denen Teams aus jüngeren und älteren Mitarbeitern lernen, dass sie gemeinsam am besten zum Ziel kommen, fördern das Verständnis und den Respekt der Teilnehmer untereinander. Vor allem, wenn sich Schwierigkeiten zwischen Jung und Älter anbahnen, können solche Veranstaltungen nützlich sein.

Teilzeitmodelle und Home Office

Wer nicht mehr voll im Unternehmen arbeiten kann oder möchte, lässt sich vielleicht gern auf Teilzeit ein. Auf diese Art kommen Firmenlenker älteren Mitarbeitern entgegen und riskieren nicht, ihr Wissen zu verlieren. Auch fest vereinbarte Home-Office-Tage können ein geeignetes Modell sein.

Freelancer

Geht eine verdiente Kraft in Rente, soll ihre Kompetenz dem Unternehmen aber erhalten bleiben, besteht die Möglichkeit, eine freie Mitarbeit anzubieten. Auf dieser Basis können ehemalige Angestellte, gerade Fach- und Führungskräfte, auch sehr gut als Berater oder Trainer für die Firma tätig sein.

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