Deutscher Markt für Beteiligungskapital unter Druck

©photon_photo - stock.adobe.com
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Das vergangene Jahr war geprägt vom Ukrainekrieg, dem dadurch ausgelösten Preisschock für Energie, weltweiten Problemen mit Lieferketten, einer galoppierenden Inflation und stark steigenden Zinsen. Glaubten viele Unternehmen nach den Coronajahren das Schlimmste überstanden zu haben, so sahen sie sich eines Schlechteren belehrt. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass auch das Volumen bei den Investitionen im deutschen Beteiligungskapitalmarkt rückläufig ist. 

Quelle: BVK; zum Vergrößern bitte hier anklicken!

Der Bundesverband Beteiligungskapital (BVK) hat heute die Zahlen für das Jahr 2022 vorgelegt. Das Gesamtvolumen der Investitionen erreichte demnach einen Wert von 13,9 Mrd. EUR. Gegenüber dem Rekordjahr 2021 bedeutet dies einen Rückgang von fast 30%. “Der deutsche Beteiligungsmarkt konnte sich im vergangenen Jahr nicht dem gesamtwirtschaftlich schwierigen Umfeld entziehen. So widerstandsfähig und robust wie er ist, trotzdem haben Konjunktursorgen, Zinswende und geopolitische Krisen die Beteiligungsgesellschaften und ihre Portfoliounternehmen belastet”, fasste Frank Hüther, Vorstandssprecher des BVK und Geschäftsführer der Abacus alpha GmbH, die Statistik für den deutschen Private Equity und Venture Capital-Markt in einer Pressekonferenz zusammen. Die Jahre 2019 bis 2021 seien mit Blick auf die Investitionen sehr erfolgreich gewesen. Insofern sei auch angesichts der Krisensituation ein Rückgang zu erwarten. Der aktuelle Wert der Investitionen liegt über den Werten der Jahre 2017 und 2018 und auf einem mehr als doppelt so hohen Niveau wie 2015.

Buy-outs gingen stark zurück

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Den wesentlichen Grund für den starken Rückgang der Investitionen sieht der BVK in dem erheblichen Absinken der Buy-Outs. Hier bewegte sich das Volumen von 11 Mrd. auf 7,9 Mrd. EUR deutlich nach unten. Die Anzahl der Unternehmen erreichte dabei sogar einen Rekord-Negativwert seit 2015. Besonders stark sei der Rückgang im zweiten Halbjahr 2022 gewesen. „Mit Beginn des Ukrainekriegs zeigten sich erste Bremsspuren im Markt. Rezessionssorgen, unsichere Geschäftsaussichten und Zinserhöhungen belasten das Buy-Out-Geschäft“, bewertete Hüther in der Pressekonferenz die Situation. Die Transaktionsprozesse würden immer komplexer und langwieriger.

Fundraising-Rekord dank Venture Capital

Frank Hüther
Frank Hüther; Foto: © BVK

Es gibt aber auch gute Nachrichten, denn Deutsche Beteiligungsgesellschaften konnten im vergangenen Jahr nach den BVK-Zahlen so viel neues Kapital einwerben wie noch nie. Das Fundraising erreichte demnach mit 6,5 Mrd. EUR einen Rekordwert und steigerte sich um 20%. Wesentlicher Treiber dabei waren die Venture-Capital-Fonds, denn sie konnten mit 4,8 Mrd. EUR nahezu fünf Mal so viel Kapital wie 2021 einsammeln. Dagegen mussten Buy-Out-Fonds deutliche Einbußen hinnehmen und warben nur noch 1,0 Mrd. EUR ein. BVK-Vorstandssprecher Hüther hat dafür folgende Erklärung: „Im Buy-Out-Bereich hatten viele Beteiligungsgesellschaften bereits in den Jahren zuvor neue Fonds geschlossen, so dass weniger Manager im Fundraising waren. Zudem schlugen sich hier die gesamtwirtschaftliche Situation und der volatile Kapitalmarkt stärker nieder.“ Und immer noch verfügten viele, nicht nur internationale Gesellschaften über gut gefüllte Fonds und suchen nach attraktiven Investitionsmöglichkeiten.

Kein Randthema mehr

Auch wenn die Investments in Unternehmen 2022 in allen Bereichen rückläufig waren, so zeigt sich nach Ansicht des BVK ein langfristiger positiver Trend. Beteiligungskapital sei kein Randthema mehr. Auch die Akzeptanz nehme immer weiter zu, und zwar bei Unternehmen aber auch bei inhabergeführten Betrieben. Im vergangenen Jahr wurden laut BVK-Zahlen fast 1.000 Unternehmen mit Beteiligungskapital finanziert. In den vergangenen fünf Jahren flossen 77 Mrd. EUR Kapital in diesen Sektor. In den Portfolio-Unternehmen von Beteiligungsgesellschaften werden Umsätze von rund 285 Mrd. EUR erzielt von knapp 1,5 Mio. Beschäftigten.

Wichtig für Mittelstand

Seit vielen Jahren macht der Sektor Buy-Outs den größten Teil der Unternehmensinvestitionen aus. Die Quote lag 2022 erstmals unter dem Wert von 60% – ist aber immer noch der umfangreichste Bereich. Die Segmente Venture Capital sowie Growth/Turnaround/Replacement Capital fallen deutlich kleiner aus.  2020 lag ihr gemeinsamer Anteil beispielsweise nur bei rund 25%. Bei der Zahl der Investments hingegen liegt der Bereich Venture Capital vorne, was durch die teilweise kleineren Deals im Bereich der Seed-Finanzierungen erklärbar ist. 2022 entfielen 69% der numerisch 885 Investments auf Venture Capital Finanzierungen. Mehr als 70% der Investments im Jahr 2022 lagen in einem Volumen bis 10 Mio. EUR. Privates Beteiligungskapital ist nach Meinung von Hüther wichtig für den Mittelstand und für Gründer. Die meisten Investments erfolgten im Sektor Kommunikation, Computer und Elektronik, gefolgt mit weitem Abstand von Unternehmensdienstleistungen und Healthcare.

Venture Capital: Zweigeteiltes Bild

Die Venture Capital-Investitionen von Beteiligungsgesellschaften erreichten 3,4 Mrd. EUR damit das bisher zweitbeste Investitionsjahr. Ebenso wurde laut BVK der Durchschnitt der letzten fünf Jahre deutlich übertroffen. Auch interessant: In der Frühphase (Seed, Start-up) seien die Investitionen sogar gestiegen. Aber bei Later Stage-Finanzierungen gebe es einen starken Rückgang. Hier habe sich das Finanzierungsumfeld gedreht und auch die Unternehmensbewertungen geraten weiter unter Druck. „Nach dem herausragenden Jahr 2021 hat sich der deutsche Venture Capital-Markt 2022 recht robust gezeigt. Der Investitionsrückgang ist auf die Later Stage-Phase zurückzuführen, wo vor allem internationale VCs etwa aus den USA deutlich weniger investiert haben und deshalb auch die Anzahl sehr großer Finanzierungsrunden gesunken ist“, erläutert Mark Schmitz, stellvertretender BVK-Vorstandssprecher und Vorstand der equation AG.

Ausblick auf 2023

„Es bleibt abzuwarten wie sich die geopolitische Situation aber auch Konjunktur und Zinspolitik entwickeln. Hier können weitere Belastungen warten, denen sich unsere Branche tief verwurzelt in der Gesamtwirtschaft nicht entziehen kann“, blickt Schmitz voraus. Die kommenden Wochen und Monate werden zeigen, wie sich das Investitionsklima weiter entwickelt. Die jüngsten Wirtschaftsprognosen geben Anlass für einen vorsichtigen Optimismus. Der Ausfall der Energieversorgung scheint kein Thema mehr zu sein und eine Rezession ist wohl auch vom Tisch. Einen ähnlichen Trend zeigte auch vor einem knappen Monat das German Private Equity Barometer für das vierte Quartal 2022.

Der Bundesverband Beteiligungskapital (BVK) ist die Interessenvertretung der Private Equity- Branche in Deutschland. Im Verband organisiert sind Private Equity Gesellschaften – von Venture Capital über Wachstumsfinanzierung bis zum Buy-Out-Bereich – sowie institutionelle Investoren, die in Private Equity investieren. Der BVK vertritt insgesamt 300 Mitglieder, darunter 175 Beteiligungsgesellschaften sowie 25 Investoren. Ziel des BVK ist die Schaffung eines bestmöglichen Umfeldes für Beteiligungskapital in Deutschland. Zu den Aufgaben des Verbandes gehören unter anderem die Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedern sowie die Zusammenarbeit mit Institutionen und Verbänden auf nationaler und internationaler Ebene.

Autorenprofil

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.

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