Die Zahl der Firmeninsolvenzen in Deutschland ist im Juli deutlich gestiegen. Nach vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamts wurden 19 % mehr Regelinsolvenzen bei den Amtsgerichten angemeldet als im Vorjahresmonat. Dies sei der stärkste Anstieg seit Oktober 2024. Die Werte liegen inzwischen deutlich über dem Durchschnitt vor der Corona-Pandemie. Während der Pandemie hatten staatliche Hilfsprogramme und Änderungen im Insolvenzrecht zu einem drastischen Rückgang der Pleiten geführt. Seit dem Mai 2021 gilt wieder die reguläre Insolvenzantragspflicht, was nach Einschätzung von Experten zu einem Nachholeffekt geführt hat.
IWH meldet starke Zunahme
Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) erfasst Insolvenzen schneller als die amtliche Statistik, berücksichtigt jedoch keine Kleinstunternehmen. Laut IWH meldeten im Juli bundesweit 1.588 Personen- und Kapitalgesellschaften Insolvenz an. Das entspricht einem Anstieg von 13 % im Vergleich zu Juli 2024 und 64% im Vergleich zu einem durchschnittlichen Juli der Jahre 2016 bis 2019. Die Forscher gehen davon aus, dass die Insolvenzzahlen in den kommenden Monaten weiter steigen werden. „Die Höhe der Frühindikatoren ist ungewöhnlich“, sagte Steffen Müller, Leiter der IWH-Insolvenzforschung. Sie lasse auch für den Herbst hohe Zahlen erwarten.
Kleinere Firmen besonders betroffen
Nach Einschätzung der IWH-Experten sind aktuell vor allem kleinere Unternehmen von Insolvenzen betroffen. Im Juli gab es nur wenige Großinsolvenzen, sodass vergleichsweise wenige Arbeitsplätze gefährdet waren. Die größten 10% der insolventen Unternehmen beschäftigten zusammen 10.000 Personen – rund ein Drittel weniger als im Juni. „Wir sehen im Juli eine auffällig hohe Zahl an Insolvenzen bei gleichzeitig nur moderater Arbeitsplatzgefährdung“, sagte Müller. Ökonomen sehen die Gründe für den Anstieg nicht allein in der anhaltenden Konjunkturflaute. Jupp Zenzen, Konjunkturexperte bei der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), erklärte: „Die Wirtschaftskrise dauert an – und deshalb wächst die Welle der Unternehmensinsolvenzen weiter.“ Nach zwei Jahren Rezession sei die Liquidität vieler Betriebe angeschlagen, hinzu kämen hohe Energiekosten und Bürokratie. Die Wirtschaft brauche „Entlastung auf breiter Front“. Auch der Vorsitzende des Verbands der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID), Christoph Niering, sieht Versäumnisse bei den Unternehmen selbst. „Zu schnell wird die Ursache der unternehmerischen Fehlentwicklung bei steigenden Zöllen oder hohen Energiekosten gesucht“, so Niering. Diese „gefährliche Fehleinschätzung“ verhindere oft eine rechtzeitige Sanierung.
Für Mai meldeten die Amtsgerichte 2.036 beantragte Unternehmensinsolvenzen, 5,3 % mehr als ein Jahr zuvor. Besonders betroffen seien besonders der Bereich Verkehr und Lagerei mit 10,9 Insolvenzen je 10.000 Unternehmen, gefolgt vom Baugewerbe mit 9,4 und dem Gastgewerbe mit 9,0. Der Durchschnitt lag bei 5,9 Insolvenzen je 10.000 Unternehmen. Wirtschaftsauskunfteien rechnen damit, dass die Zahl der Firmenpleiten im Gesamtjahr 2025 über dem Vorjahreswert liegen wird. 2024 hatten die Behörden 21.812 Fälle registriert – den höchsten Stand seit 2015. Neben der schwachen Konjunktur belasten gestiegene Zinsen, hohe Energiekosten und politische Unsicherheiten die Unternehmen. Der Wegfall der Corona-Hilfen hat diesen Trend zusätzlich beschleunigt.