„Carve-outs sind ein struktureller Trend“

Interview mit Uli Lorenz, Gründer und Managing Partner, Ecco Group

Die Ecco Group setzt vor allem auf Carve-outs und sieht darin große Chancen für Wachstum und Unternehmertum.
Foto: © Franz Pfluegl_AdobeStock

Der M&A-Markt bleibt trotz wirtschaftlicher Unsicherheiten in Bewegung. Die Ecco Group setzt dabei vor allem auf Carve-outs und sieht darin große Chancen für Wachstum und Unternehmertum.

Unternehmeredition: Welche Markttrends beobachten Sie derzeit im M&A-Bereich? Wie ist die Stimmung im Mittelstand angesichts wirtschaftlicher Unsicherheiten?

Uli Lorenz: Der M&A-Markt ist aktuell von Zurückhaltung bei großen Transaktionen geprägt, da hohe Zinsen und geopolitische Unsicherheiten die Finanzierung erschweren. Gleichzeitig bereinigen viele Unternehmen ihre Portfolios und setzen auf strategische Zukäufe. Im Mittelstand ist die Stimmung ambivalent: Einerseits herrscht Verunsicherung durch Konjunktur- und Kostenrisiken, andererseits entstehen Chancen durch Nachfolgeregelungen und gezielte Akquisitionen, sodass der Markt trotz Unsicherheiten in Bewegung bleibt.

Der Carve-out ist Ihre Kernkompetenz. Welche strukturellen und operativen Herausforderungen begleiten Sie nach Abschluss solcher Transaktionen – insbesondere in den ersten 100 Tagen?

Carve-outs sind anspruchsvoll, weil sie nicht nur die Trennung von Systemen, Verträgen und Prozessen bedeuten, sondern auch einen kompletten Identitätswandel. In den ersten 100 Tagen geht es darum, eine stabile operative Basis zu schaffen: IT- und Finanzstrukturen müssen stehen, Lieferketten gesichert, Vakanzen besetzt und die Mitarbeiter mitgenommen werden. Gleichzeitig legen wir früh Wert auf Kulturarbeit und strategische Fokussierung, damit das neue Unternehmen schnell Fahrt aufnimmt – unabhängig und zukunftsgerichtet.

Viele Carve-outs haben heute internationale Dimensionen. Wie unterscheiden sich grenzüberschreitende Projekte operativ und strategisch von nationalen?

Internationale Carve-outs sind per definitionem komplexer: Es gilt, unterschiedliche arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen, Gewerkschaftsstrukturen, Zeitzonen und Kulturen sowie Sprachen zu berücksichtigen. Strategisch erfordern sie ein sehr stringentes Projektmanagement, das landesspezifische Anforderungen integriert. Die Fähigkeit, lokal zu führen und gleichzeitig zentral zu steuern, entscheidet über den Erfolg.

Sie erwerben derzeit die beiden Nestlé-Cereal-Standorte in Frankreich und Großbritannien. Was macht diese Möglichkeit für die Ecco Group attraktiv?

Die Werke in Itancourt und Bromborough verfügen über erfahrene Teams, starke industrielle Strukturen und jahrzehntelange FMCG-Erfahrung. Für uns ist das eine seltene Gelegenheit, ein eigenständiges europäisches Produktionsnetzwerk im Bereich Cerealien aufzubauen – mit einer soliden Basis und klarem Wachstumspotenzial. Wir glauben an die Relevanz von Private Labels im Lebensmittelsektor – und sehen hier die Möglichkeit, langfristig Mehrwert zu schaffen.

Mit der Akquisition des Stahlhandelsunternehmens in Graz haben Sie zuletzt einen Carve-out umgesetzt. Welche Entwicklungspotenziale sehen Sie dort für die kommenden Jahre?

Das Unternehmen in Graz bringt alles mit, was man für eine erfolgreiche Transformation braucht: eine starke regionale Kundenbasis, tiefes technisches Know-how und engagierte Mitarbeiter. Mit dem Carve-out in Graz haben wir die Grundlage geschaffen, das Geschäft deutlich agiler und marktnäher zu steuern. Wir sehen Potenzial insbesondere im Ausbau der Kundenbeziehungen in der Region, in effizienteren Prozessen und in der Erweiterung unseres Service- und Leistungsangebots. So wollen wir Graz zu einem starken Hub für Österreich und Südosteuropa entwickeln.

Zum Schluss: Wie blicken Sie auf die nächsten Jahre – werden Carve-outs und Portfoliobereinigungen weiterhin die M&A-Agenda im Mittelstand prägen?

Ganz klar: Ja. Carve-outs sind kein konjunkturelles Phänomen, sondern ein struktureller Trend. Viele große Unternehmen konzentrieren sich auf ihr Kerngeschäft und geben Aktivitäten ab, die strategisch nicht mehr im Fokus stehen. Das öffnet dem Mittelstand und Investoren Chancen, starke Einheiten zu übernehmen und neu auszurichten. Gleichzeitig ermöglicht der Carve-out kleineren Einheiten, wieder unternehmerischer und agiler zu agieren. Wir glauben: Die Kombination aus Fokus, Schnelligkeit und Unternehmertum wird in den kommenden Jahren überdurchschnittlich erfolgreich sein.

Lieber Herr Lorenz, wir danken Ihnen für das Gespräch!

Das Interview führte Eva Rathgeber.

👉 Dieser Beitrag ist auch im Spezial „Investoren im Mittelstand 2025“ erschienen.


ZUM INTERVIEWPARTNER

Foto: © Ecco Group

Uli Lorenz ist Gründer und Managing Partner der ECCO Group. Er verantwortet den Erwerb von Beteiligungen und führt das Investmentteam. Mit über zehn Jahren Erfahrung im Private Equity und einem Karrierebeginn im Investmentbanking verfügt er über umfassende Expertise in der Umsetzung komplexer, grenzüberschreitender Transaktionen. Vor der Gründung der ECCO Group war er maßgeblich am Aufbau von zwei pan-europäischen Private Equity Gesellschaften beteiligt und trug als Managing Director dazu bei, deren Portfolios signifikant auszubauen. 

Autorenprofil

Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen.

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