
Im Zusammenspiel von Ernährung und Landwirtschaft ist die Mecklenburger Landpute GmbH seit 35 Jahren erfolgreich tätig und hervorragend aufgestellt. Das handwerklich geführte Familienunternehmen konnte dank Diversifizierung und partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit regionalen Landwirtschaftsbetrieben auch in herausfordernden Zeiten Kurs halten.
Wenige Tage vor dem Mauerfall fuhr Arvid Kremer, Tierarzt aus der Nähe von Schwerin, zu einem privaten Besuch in die Bundesrepublik. Seine Gastgeber kredenzten ihm ein Putenschnitzel, was in seiner Heimat eine rare Spezialität war. Hühner ließen sich einfacher aufziehen als Puten, und so war das ummauerte Land eher für seinen Broiler bekannt. Der Genuss war die Initialzündung, denn mit dem Mauerfall beschloss der damals 51-Jährige, sich mit der Verarbeitung dieser Geflügelart selbstständig zu machen.
Vor seinem Studium als Veterinärmediziner hatte er eine Ausbildung zum Fleischer absolviert, kannte sich also auch bestens mit dem Schlachten und Zerlegen von Fleisch aus. In seiner Region sprach er mit den Mitgliedern einer in Auflösung befindlichen „Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft“ (LPG) und überzeugte sie von seinem neuen Konzept. Er fand einen Partner in Schleswig-Holstein, mit dem er die erste Million D-Mark in die Liegenschaften investierte. Schon wenige Tage nach der deutschen Einheit erfolgte die Schlachtung der ersten 150 Puten, nachdem im Juli die ersten 9.000 Putenküken eingestallt worden waren. Zuvor hatte er den mecklenburgischen Markt mit zugekauftem Putenfleisch getestet und auf einem speziellen Präsentationsfahrzeug für Wochenmärkte Ware verkauft.
Trennung von Agrar- und Ernährungswirtschaft in Europa
„Unser Vater hatte Haus und Hof verpfändet, um seine Idee umzusetzen“, erinnert sich 35 Jahre später sein Sohn Armin Kremer, 56, zurück. Er wurde bereits zwei Jahre später mit seinem Bruder Frank Gesellschafter, als sein Partner aus Schleswig-Holstein wieder ausstieg. 1993 begann dann der Aufbau der eigenen Verarbeitung, damit alle Putenprodukte aus eigener Herstellung angeboten werden konnten. Das Land Mecklenburg-Vorpommern, Bund und EU unterstützten mit Fördermitteln, damit das Unternehmen erfolgreich aufgebaut und fortgeführt werden konnte.

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Landwirt en v erarbeitet. Foto: @ Mecklenburger Landpute
„Wir waren und sind bemüht, alle Investitionen aus den Erträgen zu finanzieren“, so Kremer, der sodann ergänzt: „Zunehmend wurde und wird in Europa allerdings zwischen Agrar- und Ernährungswirtschaft unterschieden. Die Landwirtschaft liefert Rohstoffe, die Ernährungswirtschaft verarbeitet und vermarktet sie. Obwohl beide Bereiche eng miteinander verzahnt sind, fällt unter diesen Umständen die Förderung einer Schlachtanlage völlig weg. Dadurch kann die Wertschöpfungskette nicht konsequent umgesetzt werden. Weil jedes Land die Richtlinien anders auslegt, findet gerade in unserer Branche innerhalb Europas eine große Wettbewerbsverzerrung statt.“ Dennoch gelingt es in enger Kooperation mit Landwirten aus der Region, die tierischen Rohstoffe vor Ort zu beziehen.
Komplett auf Bio-Geflügelfleisch umgestellt

Seit 2022 ist die Produktion komplett auf Bio-Geflügelfleisch umgestellt. „Wir sind davon überzeugt, dass Lebensmittel aus ökologischer Erzeugung besser sind“, so Armin Kremer. Inzwischen hat das Unternehmen weiter diversifiziert. Nicht nur, dass es anspruchsvolle Babynahrung produziert – auch für Hund- und Katzenfutter Alles lokal: Es werden nur Puten von regionalen Landwirten verarbeitet.gibt es eine eigene Marke. Gemeinsam mit dem mecklenburgischen Sternekoch Ronny Siewert, der sich seit 2008 sechsmal den Gault-Millau-Stern erkocht hat, werden neue Ideen für Bio-Geflügelprodukte kreiert. So sind in den 35 Jahren des Bestehens mehr als 150 Produkte entstanden. Für Staats- und Regierungschefs wurden Putenmenüs gekocht und die Lufthansa beliefert. Nunmehr werden auch Rinder und Schweine aus individueller Haltung verarbeitet. Das Sortiment ergänzt dann die Mecklenburger Landpute um die neue Marke „Mecklenburger Premium“.
„Die Herausforderung ist die Wahrung der familieneigenen DNA“

Interview mit Ella Kremer, geschäftsführende Gesellschafterin, Mecklenburger Landpute
Unternehmeredition: Frau Kremer, Sie sind genauso wie Ihr Vater mit Mitte 20 als Gesellschafterin in das Familienunternehmen eingestiegen. Was hat Sie dazu bewogen, diesen Schritt so früh zu wagen?
Ella Kremer: Vor allem die erfolgreiche Entwicklung unseres Familienunternehmens in den letzten dreieinhalb Jahrzehnten. Wir sind zu einem starken mittelständischen Unternehmen mit einem Alleinstellungsmerkmal in einer ansonsten strukturschwachen Region gewachsen – das verpflichtet. Zudem habe ich hier 2017 meine Ausbildung als Fachfrau für Groß- und Außenhandel begonnen und anschließend ein Studium der Betriebswirtschaft absolviert.
Worin bestehen die Herausforderungen bei der Nachfolge?
Die Herausforderung besteht darin, angesichts der vielen Veränderungen in der Wirtschaft und der Landwirtschaft die familieneigene DNA zu bewahren – das heißt, wie bisher die komplette Wertschöpfungskette im Unternehmen zu behalten und immer häufiger auftretende Krisen zu managen. Dazu muss ich mir noch viele Dinge vor allem auf der fachlichen Seite aneignen, bevor es dann in die konkrete Umsetzung der Nachfolge geht. Allein die Umstellung auf die Bioproduktion war für mich ein Sprung ins kalte Wasser.
Wie bereiten Sie sich auf die Übernahme vor?

Die Übernahme erfolgt schrittweise, indem ich kontinuierlich mehr Verantwortung übernehme. Gemeinsam mit meinem Vater und unserem zweiten Geschäftsführer Markus Oberheu bilden wir eine gute Mannschaft, die Erfahrung mit neuen Impulsen verbindet und dadurch die Zukunft des Unternehmens nachhaltig gestaltet. Mit meinem Vater bilde ich auch schon in anderer Hinsicht ein perfektes Team: Gemeinsam sind wir sportlich als Rallyefahrer aktiv und haben im letzten Jahr gemeinsam den Weltmeistertitel im Masters Cup gewonnen. Wenn das kein gutes Omen für die Übernahme ist!
👉 Diese Fallstudie ist auch in der Magazinausgabe der Unternehmeredition 3/2025 erschienen.
Kurzprofil
Mecklenburger Landpute GmbH
Gründungsjahr: 1990
Branche: Ernährungswirtschaft
Firmensitz: Domsühl
Beschäftigte: 270
Umsatz: 40 Mio. EUR




