720 € Freibetrag für Mitarbeiterbeteiligung ja, aber …

Ein Kommentar von Dr. Heinrich Beyer, AGP

Dr. Heinrich Beyer

Für alle, die sich mit Mitarbeiterbeteiligung beschäftigen, war es sicherlich die Nachricht des Jahres 2019: Die Verdopplung des Freibetrags für die Mitarbeiterkapitalbeteiligung nach § 3,39 EStG von 360 € auf 720 € durch einen Beschluss der Großen Koalition am 10. November. Diese Nachricht kam auch für uns aus heiterem Himmel und ist ein Beispiel dafür, dass politische Entscheidungen manchmal auf recht ungewöhnliche Weise zustande kommen. Wir stellen für unternehmeredition.de gerne noch einmal unsere Position vor:

Ein Erfolg auch für uns!

Als Bundesverband Mitarbeiterbeteiligung – AGP haben wir uns natürlich sehr gefreut, nicht zuletzt weil unser Verband wohl sehr dazu beigetragen hat, dass das Thema Mitarbeiterbeteiligung in der politischen Öffentlichkeit in Berlin derart präsent war, dass im entscheidenden Moment – nämlich in den Koalitionsverhandlungen zur Grundrente – dafür jemand „die Hand gehoben hat“. Ohne unsere Jahrestagungen, den Berliner Appell, unser Buch zur „Kapitalbeteiligung im 21. Jahrhundert“ und eine kontinuierlich starke Präsenz in Berlin wäre das womöglich nicht der Fall gewesen.

Effekt zu erwarten, deutlichere Erhöhung wünschenswert

Aber letztlich sind die 720 € zu wenig, und die strukturellen Probleme der Förderung von Kapitalbeteiligungen in Deutschland bleiben ungelöst. Wenn es die Bundesregierung mit einer nachhaltigen Förderung von Vermögensbildung und Teilhabe ernst meint, müssen weitere Schritte folgen.

Mit der Erhöhung des Freibetrages erwarten wir zwar einen durchaus deutlichen Effekt für den Vermögensaufbau von Arbeitnehmern, die schon jetzt entsprechende Beteiligungsangebote ihres Unternehmens nutzen können. Hinzu kommt, dass nun eine oftmals übersehene Regelung des § 3,39 EStG, nämlich die Möglichkeit der (beschränkten) Entgeltumwandlung durch die Arbeitnehmer, deutlich öfter zur Anwendung kommen könnte. Denn wenn die 720 € nicht oder zumindest nicht vollständig vom Arbeitgeber „zugewendet“ werden, was in den meisten Unternehmen der Fall ist, können die Mitarbeiter ihre eigene Einlage bis zur Höhe des Differenzbetrag steuerfrei, nicht aber sozialabgabenfrei, einbringen. Beispiel: Das Unternehmen wendet 360 € zu und der/die Mitarbeiter/in legt 1.000 € ein, so kann er/sie davon 360 € als steuerfrei deklarieren mit einer Nettoersparnis von etwa 100 €.

Insgesamt also eine deutliche Verbesserung. Inwieweit aber mehr Unternehmen zukünftig Beteiligungsprogramme für ihre Mitarbeiter anbieten werden, bleibt jedoch abzuwarten, da der Freibetrag weiterhin gering ausfällt.

Von daher fordern wir die stufenweise Erhöhung des Freibetrags auf 3.000 €.

Ausweitung der Gruppe der Begünstigten

Dieser Freibetrag sollte allen Beschäftigten zur Verfügung stehen, unabhängig davon, ob sie bei einem Arbeitgeber beschäftigt sind, der Beteiligungsprogramme anbietet oder nicht – sei es, weil er nicht will, oder nicht kann, wie z.B. der öffentliche Dienst oder sozial-caritative Einrichtungen. Dieser Freibetrag sollte entsprechend auch für andere Investments genutzt werden können, z.B. Aktien, Fonds, ETFs, oder Teilhaberfonds. Durch diese generelle Verwendungsfähigkeit käme der Freibetrag allen Beschäftigten zugute und würde einen weiteren, wichtigen Baustein für den Vermögensaufbau und die Altersvorsorge bilden.

Wünsche an die Politik

Wir sprechen uns weiterhin dafür aus, dass

  • nicht in Anspruch genommene Freibeträge über einen Zeitraum von bis zu drei Jahren kumuliert werden können. D.h. erfolgt zum Beispiel ein Investment in das Arbeit gebende Unternehmen erst nach drei Jahren, so können 9.000 Euro als Freibetrag angesetzt werden.
  • generell die Besteuerung von vergünstigten oder unentgeltlichen Überlassungen von Kapitalanteilen erst zum Zeitpunkt des Verkaufs oder der Rückgabe erfolgt.
  • spezielle Regelungen für Mitarbeiterbeteiligungen in Startups auf den Weg gebracht werden, wie die Besteuerung der Auszahlungen aus virtuellen Beteiligungen als Kapital- und nicht als Arbeitseinkünfte, was in anderen Ländern üblich ist.
  • die Praxis der Unternehmensbewertung durch die Finanzbehörden geprüft und dass auf die Besteuerung von vergünstigten Anteilsübertragungen an die Mitarbeiter im Rahmen der Unternehmensnachfolge verzichtet wird.
  • Mitarbeiterkapitalbeteiligung als Kriterium von Corporate Social Responsibility in den gängigen Katalog der sogenannten „ESG“-Kriterien (Environment – Social – Governance) als Prüfkriterium für die Beschäftigungsbedingungen mit aufgenommen wird.

Und, ganz wichtig, wir fordern eine Informationskampagne und ein nachhaltiges Bekenntnis „Pro Mitarbeiterkapitalbeteiligung“ von allen gesellschaftlich wichtigen Gruppen – Politik, Parteien, Sozialpartner etc.

Fazit

Die Erhöhung ist ein Schritt in die richtige Richtung, nicht weniger aber auch nicht mehr. Ein Durchbruch hin zu mehr Vermögensbildung und Teilhabe ist es nicht. Es bleibt zu hoffen, dass die politische Diskussion darüber nicht abgewürgt sondern durch diesen überraschenden Beschluss befördert wird.

Dr. Heinrich Beyer, Geschäftsführer der AGP

Autorenprofil
Vorheriger ArtikelNeue Impulse im Aufsichtsratsnetzwerk ArMiD
Nächster ArtikelFamilienunternehmer in München-Südbayern mit neuem Vorstand