„Der Ausgangspunkt für Innovationen in Deutschland ist gut“

Mit dem Wettbewerb „Top 100“ zeichnet Compamedia jedes Jahr die innovativsten Unternehmen im deutschen Mittelstand aus. Im Interview spricht Jurymitglied Prof. Klaus Fischer, CEO der Fischerwerke GmbH & Co. KG, über die Innovationsfähigkeit des deutschen Mittelstandes, die Erfolgsrezepte der ausgezeichneten Unternehmer sowie die FuE-Strategie bei den Fischerwerken.
Unternehmeredition: Herr Prof. Fischer, Sie sind Jurymitglied des Unternehmenswettbewerbs „Top 100“, der jährlich die innovativsten Unternehmen im deutschen Mittelstand kürt. Was sind die entscheidenden Erfolgsfaktoren der Gewinner?

Fischer: Diese Unternehmen trauen sich, unkonventionell zu denken. Sie probieren aus und fördern den Innovationsgeist auf allen Ebenen: von der Unternehmensführung bis zu den Mitarbeitern. Die Ergebnisse sind bemerkenswert: Unter den aktuellen „Top 100“ sind 51 nationale und 21 Weltmarktführer. Im Schnitt erwirtschaften die Unternehmen 42% ihres aktuellen Umsatzes mit Marktneuheiten und Innovationen. Zum Vergleich: Im Durchschnitt des deutschen Mittelstandes beläuft sich dieser Wert auf 10%. Beim Umsatzwachstum überflügelten die „Top 100“ im vergangenen Jahr ihre jeweiligen Wettbewerber um durchschnittlich 20,2 Prozentpunkte. Und das Wichtigste: In den kommenden drei Jahren werden diese Mittelständler voraussichtlich knapp 6.000 neue Stellen schaffen. Würden alle Unternehmen in Deutschland so zulegen, ergäbe das 20 Mio. neue Jobs!

Unternehmeredition: Welches Unternehmensbeispiel hat Sie besonders beeindruckt?

Fischer: Es ist nicht leicht, sich bei den Top-Innovatoren auf ein Unternehmen festzulegen, da alle Hervorragendes leisten. Aber besonders fasziniert haben mich zwei Unternehmen: Zum einen ist das die Peter Huber Kältemaschinenbau GmbH aus Offenburg. Mit 240 Mitarbeitern pflegt das Unternehmen eine breite Innovationskultur und setzt auf systematisches Ideenmanagement. Es gibt zum Beispiel den sogenannten „Tango-Club“: Auf diesem Kundenevent tauschen sich Unternehmen und Kunden über Ideen und Empfehlungen aus. Damit bietet Huber seinen Kunden eine direkte Feedbackmöglichkeit und kann vorab die Marktakzeptanz neuer Produkte testen. Interessant ist auch die SBS-Feintechnik GmbH & Co. KG. Sie überträgt ihre gewachsene Kompetenz immer wieder auf neue Marktbereiche. So hat das Unternehmen im 19. Jahrhundert mit dem Bau von Uhrwerken für Kuckucksuhren begonnen. Heute ist es damit Weltmarktführer und entwickelt zugleich Präzisionsteile für die Automobilbranche, die Medizintechnik und andere anspruchsvolle Bereiche. Die Zahl der gleichzeitig verfolgten Innovationsprojekte liegt dabei im hohen zweistelligen Bereich.

Unternehmeredition: Wie schätzen Sie generell das Innovationsmanagement des deutschen Mittelstandes ein? In welchen Bereichen gibt es noch den stärksten Nachholbedarf?

Fischer: Der deutsche Mittelstand verfügt im Bereich Innovationsmanagement über viele Vorteile. Ich nenne die überschaubare Unternehmensgröße und die Tradition als Familienunternehmen. Beides führt meiner Erfahrung nach dazu, dass alle Unternehmensbereiche eng zusammenarbeiten. Die Kommunikationswege sind kürzer und der Austausch zwischen Geschäftsführung und Mitarbeitern direkter und oft auch informeller. Die Entscheidungswege sind in der Regel auch unbürokratischer als in Großkonzernen, das spart jede Menge Zeit. Auch die größere Nähe zum Markt ist zu nennen. Außerdem sind die Mittelständler mutiger, was die Ideenentwicklung und das Ausprobieren betrifft. Und da in mittelständischen Unternehmen oft die Inhaber mit ihrem Privatvermögen haften, ist ihr Handeln eher langfristig als kurzfristig ausgelegt. Sie setzen auf dauerhafte Erfolge durch die Investition in das betriebliche Innovationsklima. Trotzdem gibt es aber auch noch viel zu tun. Nachholbedarf gibt es beispielweise bei den Innovationsstrukturen. Vielen Unternehmen fehlen klare Strukturen für das Innovationsmarketing, also die Umsetzung von Innovationen. Deshalb scheitern nicht wenige Unternehmen trotz technologisch hochinnovativer Produkte im Markt. Die Idee ist das eine, der Markterfolg das andere.

Unternehmeredition: In der wirtschaftlichen Boomphase der vergangenen Jahre dürften die meisten Mittelständler ihr F&E-Budget wieder erhöht haben. Nun zeichnet sich die nächste Konjunkturabkühlung ab. Wie gefährlich ist es, im Bereich F&E zu sparen?

Fischer: Mäßige Konjunkturaussichten sind noch lange kein Grund, bei F&E zu sparen. Durch neue Ideen lassen sich neue Märkte einfacher erschließen. Deshalb lautet mein eigenes Credo als Unternehmer: Wenn kein Wind geht: Rudern! Man sollte nicht die Hände in den Schoß legen und abwarten, bis andere die Probleme lösen. Die „Top 100“ übrigens investierten allein im vergangenen Jahr 623 Mio. EUR in ihre Innovationstätigkeit.

Unternehmeredition: Die Fischerwerke haben sich seit der Gründung im Jahr 1948 vom schwäbischen Werkstattbetrieb zum international agierenden Mittelständler entwickelt. Was waren für Sie die entscheidenden Erfolgsfaktoren?

Fischer: In den vergangenen 64 Jahren gab es einige Veränderungen, die zum Erfolg des Unternehmens beigetragen haben. Neben der Erschließung neuer Märkte und der Entwicklung neuer Produkte ist das Bildungsengagement einer unserer Erfolgsfaktoren. Ich lege großen Wert auf Aus- und Weiterbildung. Deshalb fördere ich Mitarbeiter mit Schulungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten im eigenen Bildungszentrum. Außerdem zeichnet uns aus, dass wir trotz der Internationalisierung der Fischerwerke immer noch am Standort Deutschland festhalten und diesen fördern. Obwohl wir mittlerweile über 75% des Umsatzes im Ausland erzielen, produzieren wir ungefähr die Hälfte in Deutschland. Auch eine verbindliche Unternehmensphilosophie und das Einhalten von Leitbildern sind seit mehr als 20 Jahren Erfolgsgaranten unseres Unternehmens. Damit kommt den Mitarbeitern eine zentrale Rolle zu. Sie können die von ihnen geforderten Verbesserungsvorschläge selbst gestalten. Damit sind sie offen für Neues und bereit für Veränderungen. Jeder Einzelne wird angehalten, durch Ideen das Unternehmen voranzutreiben.

Unternehmeredition: Welche Rolle spielt das Thema Innovation für den nachhaltigen Erfolg Ihres Unternehmens? Gibt es ein gezieltes Innovationsmanagement?

Fischer: Natürlich lege ich großen Wert auf gezieltes Innovationsmanagement. Nur so kann man erfolgreiche Produkte entwickeln und neue Märkte erschließen. Deshalb setze ich mich kontinuierlich für Prozessoptimierungen ein. Seit 2004 gibt es dafür den eigenen Unternehmensbereich Fischer consulting, der Kunden und Geschäftspartner unterstützt. Doch auch in unserem Unternehmensziel spielt Innovation von Beginn an eine wichtige Rolle. Innovation ist fest im Leitbild verankert. Jeder Mitarbeiter soll innovativ und offen für Neues sein. Dabei bedeutet Innovation mehr als die Summe unserer Patente. Es geht um die Optimierung aller Prozesse, die jeden Mitarbeiter betrifft. Überall müssen wir schnell, flexibel, effektiv und weltweit auf die Anforderungen unserer Kunden reagieren.

Unternehmeredition: 2011 erwirtschafteten Ihre weltweit 3.900 Mitarbeiter einen konsolidierten Umsatz in Höhe von 606 Mio. EUR. Wie ist die aktuelle Geschäftsentwicklung? Wie schätzen Sie die weiteren Zukunftsaussichten Ihres Unternehmens ein?

Fischer: Da sind noch keine seriösen Prognosen möglich. In Deutschland ist eine leichte Rückwärtstendenz im Bausektor zu beobachten. International müssen wir in einigen für uns wichtigen Märkten in Südeuropa mit weiterem Rückgang rechnen. Ob dies von anderen Märkten z.B. in Asien und Südamerika ausgeglichen werden kann, ist noch offen. Insofern rechne ich mit Stabilität auf niedrigem Niveau. Unsere Zukunftsaussichten schätze ich sehr gut ein. Wir haben für einen weltweiten Markt
sehr viele Produkte, die zum Beispiel im Zuge der CO2-Thematik eine große Rolle spielen. Wenn es darum geht, energieeffizient zu sanieren, bieten wir die notwendige Befestigungstechnik. Wie vorher angesprochen, sind wir dabei, wenn innovative Lösungen für die Zukunft des Bauens entwickelt werden. Wir kooperieren mit Hochschulen und Instituten, die an neuen nachhaltigen Formen und Prozessen im Bausektor arbeiten.

Unternehmeredition: Wie bewerten Sie den Innovationsstandort Deutschland? Was sind die größten Stärken und Schwächen?

Fischer: Der Ausgangspunkt für Innovationen in Deutschland ist gut. Ich denke, der Glaube, dass man Dinge verändern kann, ist in den Köpfen der Unternehmer fest verankert. Auch die Bildung und eine gute Infrastruktur sind Innovationstreiber am Standort Deutschland. Die Hürden, mit denen innovative Unternehmen in der Bundesrepublik zu kämpfen haben, sind nach meiner Einschätzung behördliche Genehmigungsverfahren und politische Rahmenbedingungen. Bürokratie und steife Normen verzögern oftmals den Innovationsprozess und schrecken sogar vor der Einführung neuer Produkte ab. Mit Brüssel ist hier eine weitere Ebene hinzuzurechnen.

Unternehmeredition: Was ist Ihr persönlich wichtigster Rat an mittelständische Unternehmen?

Fischer: Seien Sie selbstbewusst, mutig und flexibel! Die deutschen Mittelständler haben gegenüber großen Unternehmen viele Vorteile, die sie nutzen können. In die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter zu investieren ist wichtig. Alles im Unternehmen wird durch Mitarbeiter bestimmt. Davon hängt der Erfolg ab. Wichtig ist prozessorientiertes Denken, schnelles, effizientes und schlankes Agieren. Wenn das in der Mitarbeiterschaft verankert ist, entstehen auch die Ideen.

Unternehmeredition: Herr Prof. Fischer, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Markus Hofelich.

markus.hofelich@unternehmeredition.de


Zur Person: Prof. Klaus Fischer
Prof. Klaus Fischer ist CEO der Fischerwerke GmbH & Co. KG (www.fischer.de) sowie Jurymitglied des Innovationsprojektes „TOP 100 – die innovativsten Unternehmen im Mittelstand“ (www.top100.de). Die Geschäftsfelder des Unternehmens mit Sitz in Waldachtal-Tumlingen im Nordschwarzwald umfassen Befestigungssysteme (z.B. Dübel), „automotive systems“, Fischertechnik sowie Consulting. Die Unternehmensgruppe erzielte 2011 mit weltweit 3.900 Mitarbeitern einen konsolidierten Umsatz von 606 Mio. EUR.

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