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Private Debt – die etwas andere Finanzierung

Flexiblere Gestaltung der Finanzierungsbedingungen sowie ein wesentlich schnellerer und schlankerer Kreditvergabeprozess – Private Debt bietet Unternehmen in finanzieller Schieflage eine echte Alternative, ihre Finanzierungslücken unabhängig von der klassischen Bankenfinanzierung zu schließen. 

 Polo Motorrad, Duran, A.T.U., Selecta und NKD. Diese prominenten Beispiele eint eines: Sie alle wurden mittels Private Debt, das heißt unabhängig vom Mitwirken einer Hausbank, finanziert.

Speziell die Nachfrageseite bei mittelständischen Unternehmen war bislang getrieben durch eine starke Bankenfinanzierung. Seit der Finanzkrise, weiter ansteigender Regulierungsanforderungen wie Basel III und IV sowie der Umsetzung der neuen Accounting-Richtlinie IFRS 9 haben sich die deutschen und europäischen Banken jedoch deutlich stärker aus der Kreditvergabe riskanterer Geschäfte zurückgezogen. Von dieser Entwicklung hat der Private-Debt-Markt sowohl in Europa als auch in Deutschland deutlich profitiert. Gemäß des Remaco Direct Lending Report vom Mai 2017 beträgt das Committed Capital von Private Debt für Europa mittlerweile 18,8 Mrd. US-Dollar und ist damit erst mal höher als jenes für Nordamerika. Mittlerweile existieren mehr als 40 Private Debt Funds, die in Unternehmen in Deutschland entlang aller Ratingklassen investieren wollen, mit speziellem Fokus auf BBB-Ratings.

Finanzierungsform für alle Fälle

Private Debt ist ein Sammelbegriff für das Bereitstellen von Fremdkapital durch Nichtbanken. Es handelt sich also um Instrumente der Fremdfinanzierung, die vorwiegend von privatwirt­schaftlichen institutionellen Investoren außerhalb des Bankensektors zur Verfügung gestellt werden. In der Regel sind das illiquide, privat platzierte, nicht geratete Schuldtitel. Sie reichen von erstrangig besicherten Krediten (Senior Secured Loans) über nachrangige, unbesicherte Kredite (Junior Unsecured Loans) bis hin zu Mezzanine. Private Debt unterscheidet sich in Direct Lending, das heißt die Vergabe von Fremdkapital direkt an ein Unternehmen ohne breite Syndizierung durch eine Bank, und Unitranche Loans, besicherte und sehr flexible Kredite, die eine Senior- sowie eine Mezzanine-Tranche zusammenfassen. Beim so genannten Syndicated Lending hingegen sind unter Führung einer Bank weit mehr als zehn Syndizierungspartner beteiligt.

Private Debt entstammt dem angelsächsischen Raum, wo es bereits seit Längerem eine etablierte Finanzierungsform darstellt. Häufig wird Private Debt als Wachstumsfinanzierung oder zur Finanzierung von Übernahmen genutzt, aber auch für komplexe Refinanzierungsfälle bieten so genannte Credit-Opportunity-Fonds diese Finanzierungsform an. Distressed-Debt-Fonds wiederum kaufen am Sekundärmarkt vorrangig besicherte Darlehen mit Abschlag zum Nominalwert auf, um mit neuen Finanzierungstranchen Unternehmen in Sondersituationen zu stabilisieren und bei erfolgreicher Restrukturierung ein Upside für sich zu generieren.

Flexiblere Gestaltung der Finanzierungsbedingungen sowie ein wesentlich schnellerer und schlankerer Kreditvergabeprozess – Private Debt bietet Unternehmen in finanzieller Schieflage eine echte Alternative, ihre Finanzierungslücken unabhängig von der klassischen Bankenfinanzierung zu schließen. 

Eine attraktive Alternative

Unternehmen in der Restrukturierung sind entweder vom Kapitalmarkt abgeschnitten oder die bestehenden Finanzierungspartner wollen das Unternehmen nicht weiter begleiten. Eine mehr als prekäre Situation, denn die Finanzierungslücken müssen schnellstmöglich wieder geschlossen werden, um der Weg in die Insolvenz zu vermeiden.

In dieser Situation bietet Private Debt eine attraktive Alternative, und das, obwohl sie für eine Finanzierung teurer ist als ein Bankkredit. Der Vorteil liegt zum einen in der flexibleren Gestaltung der Finanzierungsbedingungen sowie in einem wesentlich schnelleren und schlankeren Kreditvergabeprozess. Bis zur Genehmigung der notwendigen Finanzierung dauert es oft nur wenige Wochen. Bei der Beurteilung gehen die Direct-Lending-Investoren dabei weniger vergangenheitsbezogen vor, sondern prüfen das geplante Finanzierungsvorhaben und die anstehende Investition sehr genau. Die Beurteilung der Bonität erfolgt also meist in die Zukunft gerichtet. Ist das Unternehmen in der Lage, eine vernünftige Positionierung am Markt zu halten, und kann es eine anstehende Investition fundiert begründen, dann ist die Chance relativ gut, eine Finanzierung zu erhalten. Ein weiterer Vorteil ist, dass individuell auf die Bedürfnisse der Unternehmen in Restrukturierungssituationen eingegangen und neben dem Kapital auch Financial Know-how zur Verfügung gestellt werden kann.

Fazit

Die Spezialisierung der Finanzmärkte nimmt weiter zu, wodurch vermehrt individuelle Lösungen für Unternehmen mit Finanzierungsbedarf zur Verfügung gestellt werden. Eine Rückkehr in die Zeiten, in denen Banken die nahezu einzigen Player im Kreditumfeld waren, wird es in dieser Form wohl nicht mehr geben. Private-Debt-Finanzierungen bieten eine gute Alternative, in komplexeren Finanzierungsituationen auftretende Finanzierungslücken zu schließen, ohne dabei auf die Unterstützung einer Bank angewiesen zu sein.


Zur Person:

Jan-Erik Gürtner ist Geschäftsführer und Partner der Helbling Business Advisors, eines führenden Beratungshauses für Restrukturierung, Mergers & Acquisitions und Operational Excellence.

www.helbling.de

 

 

 

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