gehört zu den Pionieren des privatwirtschaftlichen Glasfaserausbaus in Deutschland. Obwohl die Nachfolge frühzeitig und sehr erfolgreich geregelt wurde, blickt Stefan Tiemann, geschäftsführender Gesellschafter in zweiter Generation, etwas skeptisch in die Zukunft.
Unternehmeredition: Herr Tiemann, vor 14 Jahren haben Sie das Unternehmen von Ihrem Vater übernommen. Heuer feiern Sie das 30-jährige Bestehen Ihres Familienunternehmens. Würden Sie unter den heutigen Rahmenbedingungen die gleiche Entscheidung treffen?
Stefan Tiemann: Ehrlich gesagt, würde ich mir das heute zweimal überlegen. Damals waren die Rahmenbedingungen in der Telekommunikationsbranche und in Deutschland andere. Ich hatte von klein auf Einblick in die Arbeit meines Vaters und war 15 Jahre alt, als er 1994 im Rahmen eines Management-Buy-outs alle Gesellschafteranteile der RFT radio-television Brandenburg GmbH von der Treuhand übernahm. Sein Einsatz zur Rettung der RFT hat mich beeindruckt und mich nicht zuletzt in meinem Wunsch bestärkt, mit dem Studium der Elektrotechnik zu beginnen. So war für mich schon früh klar, dass ich einmal in das Familienunternehmen eintreten möchte. Diesen Schritt bereue ich trotz der geänderten Rahmenbedingungen nicht.
In etlichen Unternehmen läuft eine Übergabe an den Nachfolger nicht immer reibungslos ab. Wie war es bei Ihnen?
Das lief sehr geordnet ab. Bereits während des Studiums habe ich nach und nach Verantwortung für einzelne Bereiche wie Marketing und Produktentwicklung übernommen. Mit der konkreten Umsetzung haben wir vier Jahre vor der eigentlichen Übernahme begonnen. Wir haben die damals geltenden Regelungen zur Erbschaftsteuer für Familienunternehmen genutzt. Unter Einhaltung bestimmter Kriterien entfiel die Einkommensteuer, wodurch ein Substanzverzehr des Eigenkapitals vermieden wurde. Mein Vater hat sich zwar nach der offiziellen Übergabe schrittweise aus dem operativen Geschäft zurückgezogen, steht mir aber bis heute von Fall zu Fall beratend zur Seite. Von seiner strategischen Weitsicht beim Aufbau und der Ausrichtung des Unternehmens habe ich sehr profitiert. Insgesamt sehe ich uns schon als Vorbild für andere Unternehmen, wenn es um eine erfolgreiche Unternehmensnachfolge geht.
Was ist das Kerngeschäft der RFT Kabel?
In erster Linie ist es die Versorgung der Menschen in unserem Einzugsgebiet mit Kabelfernsehen, IPTV, Internet und Telefon. Unser Brandenburgnetz erstreckt sich über vier Landkreise vom Nordwesten bis in den Südwesten des Landes Brandenburg und umfasst auch die beiden kreisfreien Städte Brandenburg an der Havel und Potsdam. Derzeit zählen rund 96.000 Haushalte zu unseren Kunden. Darüber hinaus bieten wir Lösungen für Geschäftskunden im eigenen Rechenzentrum an und begleiten Unternehmen sowie Behörden mit individuellen, hochsicheren IT-Lösungen bei der Digitalisierung.
Wie hat sich das Unternehmen unter Ihrer Führung weiterentwickelt?
Wir haben uns mit unseren Glasfasernetzen technologisch neu aufgestellt und diese kontinuierlich weiter ausgebaut. 2016 haben wir in Neuruppin einen weiteren Unternehmensstandort und das RFT-Rechenzentrum in Betrieb genommen. Ein weiterer wichtiger Meilenstein war die Übernahme des IT-Systemhauses Agiliscom 2018 in unsere Unternehmensgruppe. So können wir alle Leistungen aus einer Hand anbieten – von der Planung und dem Bau von Glasfasernetzen über die Bereitstellung von Kommunikationsdiensten bis hin zur Entwicklung individueller IT-Lösungen und Cloudanwendungen für die Digitalisierung. Damit sind wir technologisch hervorragend für die Zukunft aufgestellt. Weitere Zukäufe oder Firmenübernahmen sind derzeit nicht geplant. Vielmehr konzentrieren wir uns gezielt auf kleine und mittlere Unternehmen oder auch auf Branchen wie die Landwirtschaft, in denen es noch großes Entwicklungspotenzial im Bereich der Digitalisierung gibt.
Warum betreibt Ihr Unternehmen ein eigenes Glasfasernetz? Dies erfordert schließlich enorme Investitionen.
Mein Vater Dr. Klaus-Peter Tiemann prognostizierte schon 2008 im Rahmen eines Vortrags an der Technischen Hochschule die Gigabitgesellschaft für das Jahr 2024. Damals betrugen die Mehrkosten für die Realisierung eines Glasfasernetzes im Vergleich zu herkömmlichen Technologien rund 20%. Dennoch haben wir auf Glasfaser gesetzt und 2009 in der Stadt Premnitz das erste Glasfaserortsnetz in den neuen Bundesländern in Betrieb genommen. Dies hat unsere Rolle als maßgeblicher Treiber des Glasfaserausbaus in Deutschland mit besonderer Bedeutung für die ländliche Region Brandenburg gestärkt.
Die Bundesregierung hat in den letzten zehn Jahren Milliarden an Fördermitteln für den Breitbandausbau bereitgestellt. Wie hat die RFT Kabel davon profitiert?
Lassen Sie mich kurz aufschlüsseln, nach welchen Kriterien diese Mittel vergeben wurden. Zum einen gab es das Betreibermodell. Das heißt, eine Kommune oder Gebietskörperschaft errichtet ein eigenes Netz und betreibt es dann selbst. Zum anderen gab es das Wirtschaftlichkeitslückenmodell, das vor allem in strukturschwachen Regionen zur Anwendung kommt. Im Land Brandenburg besteht zudem die Besonderheit, dass der Breitbandausbau in die Zuständigkeit der Landkreise fällt. Diese schreiben die Leistungen aus, meist in zwei bis vier Losen. Dabei geht es dann um so hohe Ausbauvolumina, dass nur die großen Telekommunikationskonzerne zum Zuge kommen. Wir haben uns deshalb bewusst nicht an diesen Ausschreibungen beteiligt.
Wie haben Sie dann die hohen Investitionen finanziert?
Grundlage unserer Investitionen sind langfristige Verträge mit Wohnungsunternehmen im Rahmen von Gestattungsverträgen. Diese dienen gegenüber den Banken als Sicherheit für Kredite. Das hat für uns den Vorteil, dass unsere Netze im Eigentum des Unternehmens bleiben. Wenn aber die Politik die Rahmenbedingungen ändert, wie mit dem neuen Telekommunikationsgesetz (TKG), dann wird es für uns immer schwieriger, den Netzausbau eigenwirtschaftlich zu betreiben. Das liegt an fehlenden Refinanzierungsmöglichkeiten.
Können Sie noch etwas konkreter werden?
Im Jahr 2022 trat die Novelle des TKG in Kraft. Es wurde unter anderem beschlossen, das sogenannte Nebenkostenprivileg abzuschaffen. War die Refinanzierung des Glasfaserausbaus zuvor durch TV-Sammelverträge mit der Wohnungswirtschaft gesichert, müssen nun die Mieterinnen und Mieter Einzelverträge abschließen – aber nur, wenn sie auch wirklich fernsehen wollen und auf uns als Netzanbieter setzen. Sie haben jetzt die Wahl.
Welche Konsequenzen hatte das für RFT Kabel?
Um den Verlust an Kunden so gering wie möglich zu halten, mussten wir unseren Vertrieb neu strukturieren und dafür erhebliche Eigenmittel einsetzen. Um es auf den Punkt zu bringen: Der Mehraufwand für die Einzelvermarktung von TV-Anschlüssen ist im Vergleich zur Betriebskostenumlage bei uns um circa 60% bis 70% gestiegen. Aber auch für die Kunden wird es teurer, denn TV-Grundversorgung war in der Vergangenheit durch die Sammelverträge günstiger.
Warum war die Novellierung des TKG überhaupt notwendig?
Mit der Novellierung des TKG sollte der Verbraucherschutz durch mehr Wettbewerb gestärkt und der Breitbandausbau beschleunigt werden. Beides ist nicht gelungen. Die Genehmigungsverfahren dauern immer noch zu lange, weil viele Akteure daran beteiligt sind – darunter die Städte, Gemeinden und Ämter, die Landesbehörden, die Fachdienste der Landkreise und Kommunen sowie Planungsbüros. Diese müssen mehrere Tausend Kilometer Leitungsbau, Durchführungen unter Autobahnen und Bahnstrecken sowie Standortgenehmigungen für Kabelverzweiger, Multifunktionsgehäuse und Points of Presence genehmigen. Die Genehmigungszeiträume liegen daher oft zwischen sechs und neun Monaten. Das ist zu lang und hat auch Gründe. So stehen beispielsweise Informationen nicht allen Beteiligten in Echtzeit zur Verfügung und können nicht zentral abgerufen werden. Problematisch ist auch, dass Gesetze, Richtlinien und Verordnungen, die vom Land oder vom Bund vorgegeben werden, innerhalb eines Amts je nach Abteilung zum Teil unterschiedlich interpretiert und ausgelegt werden. An dieser Stelle braucht es dringend einheitliche Regelungen.
Welche Lösungen sehen Sie dafür?
Eine Lösung wären digitale Antrags- und Genehmigungsverfahren auf der Basis von Geodaten, die für jeden Landkreis und die kreisfreien Städte vorliegen. Im klassischen Verfahren müssen Anträge und Planungsunterlagen bei jeder beteiligten Genehmigungsbehörde einzeln eingereicht werden. Dies führt zu einem sehr zeitintensiven Abstimmungs- und Beteiligungsprozess. Ein Geodatenportal, in dem alle Informationen abrufbar sind und auf das alle Beteiligten zugreifen können, würde hier Abhilfe schaffen. Das sorgt von Anfang an für Transparenz, beschleunigt den Genehmigungsprozess und schont die Umwelt, weil viele Tonnen Papier eingespart werden. Hier sind viele Kommunen und Landkreise in anderen Regionen schon weiter. Ein solches Portal würde auch bei weiteren Problemen helfen, die uns alternativen Telekommunikationsunternehmen aktuell das Leben schwer machen.
Welche wären das aus Ihrer Sicht?
Zum Beispiel der massive Überbau bereits vorhandener Glasfaserinfrastrukturen durch die großen Telekommunikationskonzerne. Auch Versuche dieser, mit zum Teil unlauteren Mitteln, wie dem Einsatz von Drückerkolonnen, unsere Kunden zu verunsichern und zum Abschluss neuer Verträge zu drängen. Über allem aber steht eine überbordende Bürokratie. Da kommen schnell 30 Seiten Formulare pro Woche zusammen, die von verschiedenen Bundesämtern angefordert werden.
Wie können diese Probleme gelöst werden?
Kommunikation ist hier das Stichwort. Es gilt, mit den Menschen über ihre Bedürfnisse zu sprechen, den Dialog mit der Politik auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene zu intensivieren, auf Schwachstellen in den Gesetzgebungsverfahren hinzuweisen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Wichtig ist es, verlässliche Planungshorizonte zu schaffen. So kann verhindert werden, dass kleine und mittlere Netzbetreiber, die bisher die Motoren des Glasfaserausbaus in Deutschland waren, auf der Strecke bleiben. Für die RFT Kabel, aber auch für meine Mitstreiter in den Branchenverbänden kann ich sagen: Wir bleiben am Ball!
Wie sehen Sie die weitere Entwicklung Ihres Unternehmens?
Prognosen sind schwieriger geworden; das gilt sicher auch für andere Branchen. Wir werden uns mit Themen wie KI auseinandersetzen, um beispielsweise Prozesse im Kundenservice zu optimieren – wobei die Menschen in unserem Einzugsgebiet die Möglichkeit der persönlichen Beratung in unseren Kundencentern noch gern in Anspruch nehmen. Ein wichtiges Standbein ist und bleibt unser eigenes Rechenzentrum, das wir bereits vor acht Jahren unter dem Aspekt der nachhaltigen Energieversorgung geplant haben. Es bietet uns die Möglichkeit, kundenspezifische Digitalisierungslösungen zu entwickeln. Gerade im Hinblick auf das Thema Cybersecurity ist das ein wichtiger Vorteil. Telekommunikationsnetze gehören zu den kritischen Infrastrukturen im Bereich der Daseinsvorsorge. Vor diesem Hintergrund sehen wir uns mit unserer Netzwerkarchitektur zukunftssicher aufgestellt.
Herr Tiemann, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Torsten Holler.
👉👉 Dieser Beitrag erschien in der aktuellen Magazinausgabe der Unternehmeredition 3/2024
ZUR PERSON
Diplom-Wirtschaftsingenieur Stefan Tiemann, 45, übernahm 2010 das Familienunternehmen RFT Kabel von seinem Vater Dr.-Ing. Klaus-Peter Tiemann. Die drei Großbuchstaben im Namen stehen für das ehemalige DDR-Kombinat Rundfunk-Fernsehen-Television, das mit rund 23.000 Mitarbeitern Fernseher, Rundfunkgeräte und Fernmeldetechnik produzierte. Das Unternehmen unterhielt auch Serviceabteilungen, die unter anderem im Antennenbau tätig waren. Aus diesem Bereich entstand das heutige Familienunternehmen. Das bekannte Markenzeichen RFT wurde durch das Familienunternehmen übernommen. Stefan Tiemann ist Vorstandsmitglied im Bundesverband Anga Der Breitbandverband e.V., einem Branchenverband der Breitbandbranche.
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KURZPROFIL
RFT Kabel Brandenburg GmbH
Gründung: 1994
Branche: Telekommunikation
Firmensitz: Brandenburg an der Havel
Umsatz 2023: 50 Mio. EUR
Mitarbeiter: 69
Torsten Holler
Der Wirtschaftsjournalist Torsten Holler schreibt seit 1987 regelmäßig für renommierte Wirtschaftsmedien über verschiedenste Themen.