Die Chancen auf eine erfolgreiche Sanierung insolventer Unternehmen in Deutschland haben sich 2025 erneut verschlechtert. Laut einer Analyse der Unternehmensberatung Falkensteg sank die Rettungsquote bei Firmen mit einem Umsatz über 10 Mio. EUR im Jahr 2024 auf nur noch 33,2%. Im Vorjahr lag dieser Wert fast zwei Prozentpunkte höher. Vor vier Jahren erhielten noch fast 60% der betroffenen Unternehmen eine zweite Chance. Besonders in den Branchen Automotive und Metallwaren hat sich die Lage drastisch verschärft. Dort halbierten sich die Quoten innerhalb eines Jahres. Im Maschinenbau bleibt die Sanierungsquote mit rund 56% hingegen stabil.
Insolvenz wird wieder zur Marktbereinigung
Diese Entwicklung ist nach Einschätzung von Jonas Eckhardt, Partner bei Falkensteg, Ausdruck einer Rückkehr zu marktwirtschaftlichen Prinzipien. „Gerade die Coronahilfen und die Kurzarbeit während der Pandemie hatten die reinigende Wirkung der Insolvenz verwässert“, betont Eckhardt. Bei rund zwei Dritteln der betroffenen Firmen fehle es an einem tragfähigen Geschäftsmodell oder einer funktionierenden Organisationsstruktur, die eine Sanierung ermöglichen könnte. Eine Übernahme durch Investoren oder eine Einigung mit Gläubigern sei längst kein Automatismus mehr. Vor allem Investoren in den Bereichen Automotive und Immobilien agieren laut Falkensteg deutlich selektiver. Teilbereiche werden nur noch übernommen, wenn sie ins eigene Portfolio passen. „Insolvente Unternehmen müssen heute bereits im Verfahren umfassend saniert sein, um überhaupt noch einen Käufer zu finden“, erklärt Eckhardt weiter. Die Folge seien häufiger komplette Betriebsschließungen und längere Verfahren.
Großinsolvenzen bleiben auf hohem Niveau
Die detaillierte Auswertung von Falkensteg zeigt deutliche Unterschiede zwischen den Branchen. Während die Rettungsquote im Maschinenbau 2024 bei 56,3% liegt, verzeichnet der Bereich Metallwaren weniger als zwanzig Prozent. In der Automobilbranche halbierte sich die Quote von 41,2% im Jahr 2023 auf 20,3% im Jahr 2024. Auch der Konsumgüterbereich musste Rückgänge hinnehmen. Die Zahl der Insolvenzanträge großer Unternehmen bleibt weiter hoch. Nach Angaben von Falkensteg meldeten die Amtsgerichte im ersten Halbjahr 2025 insgesamt 201 Großinsolvenzen. Das ist der zweithöchste Wert seit 2018 und entspricht einem Plus von 17% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Im zweiten Halbjahr 2024 lag die Zahl noch bei 206. Die Dynamik hat sich also leicht abgeschwächt, liegt aber weiter deutlich über dem Niveau der Jahre vor der Pandemie.
Die meisten Insolvenzen entfallen auf die Immobilienbranche mit 27 Fällen, was einem Rückgang um 10 % entspricht. Dahinter folgt das verarbeitende Gewerbe. In der Automobilindustrie wurden 26 Insolvenzen gezählt, bei Metallwaren 22, in der Elektrotechnik 20 und im Maschinenbau 18. Auffällig ist der starke Anstieg bei Kunststoffverarbeitern und Autohändlern. Dort stiegen die Insolvenzen um 150 % beziehungsweise 180 %. Der Konsumbereich entwickelte sich dagegen stabiler, doch Investitionsgüter wie Autos und Möbel bleiben laut Falkensteg unter Druck.
Trendwende erst ab 2026 erwartet
„Die Krise in der deutschen Wirtschaft macht derzeit eine Erholungspause. Da Insolvenzen immer nachgelagert sind, wird es mindestens bis 2026 dauern, bis die ersten positiven Signale bei den Insolvenzzahlen ankommen“, sagt Eckhardt. Wesentliche Treiber seien weiterhin strukturelle Probleme und tiefgreifende Umbrüche. „In der Automobilindustrie werden noch viele Unternehmen ausscheiden müssen, weil ihr Produkt perspektivisch nicht mehr oder nur in geringeren Stückzahlen benötigt wird. Und die Lokomotive Automotive zieht die Zulieferer aus dem Maschinenbau, Metallwaren und der Elektronik mit in die Pleite.“ Für das Gesamtjahr 2025 rechnet Falkensteg mit rund 440 Großinsolvenzen. Das wäre ein Plus von 16% gegenüber dem Vorjahr. Trotz positiver Konjunkturdaten bleibe der Reformstau bestehen. „Die psychologische Komponente spielt derzeit eine große Rolle, viele Unternehmen und Investoren hoffen auf eine Verbesserung der Rahmenbedingungen, doch bisher bleibt es beim Glauben und Hoffen“, so Eckhardt.
IWH meldet hohe Insolvenzzahlen

Im zweiten Quartal summierten sich die Insolvenzen auf mehr als 4 500 Fälle. Damit wurde der Rekordwert aus dem ersten Quartal nochmals übertroffen. Die Zahl der Insolvenzen liegt inzwischen höher als während der weltweiten Finanzkrise 2009. Besonders größere Firmen mit vielen Beschäftigten waren betroffen. Nach Berechnungen des IWH verloren allein in den größten insolventen Unternehmen rund 16 000 Menschen ihren Arbeitsplatz. Damit bleibt die Zahl der betroffenen Beschäftigten ähnlich hoch wie in den Monaten zuvor. Vor der Corona-Pandemie lagen diese Werte deutlich darunter.
Betroffene Branchen
Das IWH erhebt eigene Zahlen für betroffene Branchen und nennt Industrie, Handel sowie das Hotel- und Gastgewerbe als besonders betroffene Bereiche. Dort seien im zweiten Quartal so viele Insolvenzen gezählt wie seit Beginn der Erhebung im Jahr 2020 nicht mehr. Besonders in der Industrie würden große Betriebe ins Gewicht fallen, die viele Arbeitsplätze sichern. Die Insolvenzzahlen seien in fast allen Bundesländern gestiegen. Besonders deutlich fiel der Anstieg in wirtschaftsstarken Ländern wie Bayern, Hessen und Baden-Württemberg aus. Laut IWH habe sich der Trend seit dem Ende der Corona-Hilfen verstärkt. Viele Betriebe, die zuvor künstlich am Markt gehalten wurden, mussten ihre Tätigkeit einstellen.
Ursachen für die Entwicklung
Steffen Müller, Leiter der Insolvenzforschung am IWH, verweist auf mehrere Gründe: „Über viele Jahre hinweg haben extrem niedrige Zinsen Insolvenzen verhindert, und während der Pandemie sind durch staatliche Stützungsmaßnahmen auch Unternehmen am Markt geblieben, die bereits zuvor schwach aufgestellt waren“, erklärt Müller. Seit dem Wegfall der Hilfen und dem Anstieg der Zinsen holten viele Firmen ihre Insolvenzen nun nach. Laut Müller gehöre diese Entwicklung zur Marktbereinigung, die auch Platz für wirtschaftlich stabile Unternehmen schafft.




