„An der Spitze ist immer Platz” – Sawade findet neuen Investor

Rettung aus der Insolvenz: der Pralinenhersteller Sawade hat einen neuen Investor
Aus der Insolvenz gerettet: die traditionsreiche Berliner Pralinenmanufaktur Sawade. © Sawade GmbH

Der insolvente Pralinenhersteller Sawade ist gerettet: Seitdem das Amtsgericht Charlottenburg am 7. Januar den Insolvenzplan in der Gläuberversammlung bestätigt hat, steht dem Einstieg eines neuen Mehrheitsgesellschafters in die traditionsreiche Berliner Pralinenmanufaktur nichts mehr im Wege. Das im August 2020 begonnene Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung wurde von der Restrukturierungskanzlei BBL Brockdorff & Partner gesteuert. Die Unternehmeredition sprach mit Partner Dr. Oliver Damerius, der Sawade seit 2019 bei seiner Sanierung berät.
INTERVIEW EVA RATHGEBER

Unternehmeredition: Was waren die Gründe für die Insolvenz von Sawade und was hat Sie im Sommer letzten Jahres dazu bewogen, die Federführung des Insolvenzverfahrens zu übernehmen?
Dr. Oliver Damerius:
Sawade war von den jetzigen Inhabern, Melanie und Benno Hübel, erst im Jahr 2014 aus einer Insolvenz übernommen worden. Der finanzielle Bedarf für die erheblichen Investitionen in die Modernisierung der Produktion und in die Neuausrichtung der Marke wurde dabei unterschätzt, ebenso wie der notwendige Zeitrahmen. Deshalb waren Nachfinanzierungen erforderlich, und schließlich startete Sawade schon im Jahr 2019 einen Investorenprozess, suchte also nach neuen Investoren für das weitere Wachstum. Dann kam Corona.

Dr. Oliver Damerius, Sanierungsberater von BBL
Dr. Oliver Damerius, Sanierungsberater bei BBL © BBL

Interessenten zogen sich zurück oder schoben die weiteren Gespräche auf. Läden mussten schließen, der Umsatz ging zurück. Staatliche Corona-Hilfen waren nicht zu erlangen, weil formale Voraussetzung dafür ist, im Vorjahr einen Gewinn erzielt zu haben. Die Absage eines vielversprechenden Investors im Sommer 2020 gab dann den Ausschlag für den Insolvenzantrag. Wir mussten die Flucht nach vorn antreten, um die Weihnachtsproduktion zu sichern.

Unternehmeredition: Hatten Sie keine Angst, dass das Verfahren scheitern und das Unternehmen tatsächlich pleitegehen könnte?
Damerius: Nein, so wie ein Chirurg keine Angst vor Operationen hat. Es ist ja mein tägliches Geschäft, in komplexe und eskalierte Krisensituationen einzutauchen, unter hohem Druck Rettungsmöglichkeiten zu finden und umzusetzen. Genauso wie ein Arzt, kann man am Anfang das Ergebnis nur einschätzen und das Bestmögliche tun.

Unternehmeredition: Heute ist klar: Sie haben Sawade erfolgreich aus der Insolvenz geführt und einen neuen Investor gefunden. Wie fühlt sich das für Sie an und welche Faktoren waren entscheidend für Ihren Erfolg?
Damerius: Ich bin stolz und glücklich, dass das so gut geklappt hat. Und in diesem Fall bin ich auch begeistert vom Produkt und von dem Enthusiasmus der Inhaber. Das war auch ein entscheidender Faktor für den Erfolg. Letztlich müssen ja auch die Unternehmer überzeugend sein, wenn man Investoren gewinnen will oder Vertragspartner und Gläubiger zu Zugeständnissen bewegen muss. Ja, und auch die Solidarität der Kunden hat geholfen. Es gab eine Aktion „Rettet Sawade – Esst mehr Pralinen“. Und das hat super funktioniert, insbesondere auch über Social Media.

Unternehmeredition: Der neue Mehrheitsgesellschafter ist die Berliner Beteiligungsgesellschaft Fintura Corporate Finance. Was können Sie über den neuen Investor sagen? Warum investiert er in Sawade und welche Pläne verfolgt er mit der traditionsreichen Pralinenmanufaktur?
Damerius: Der Investor ist sehr auf Diskretion bedacht. Er steht sozusagen nicht gerne im Rampenlicht. Ich kann aber sagen, dass er die Philosophie und die Strategie der Eheleute Hübel voll und ganz teilt. Und der Investor ist in Berlin sehr gut vernetzt, so dass sich interessante Kooperationen ergeben könnten.

Unternehmeredition: Die Corona-Krise dauert aktuell noch weiter an. Glauben Sie, dass Sawade im Zuge der jüngsten Entwicklung langfristig gerettet sein wird?
Damerius: Ja, ich glaube das wird auch langfristig funktionieren. Wir haben die Unternehmensplanung sehr konservativ gestaltet und bisher wurde sie immer übertroffen. Es liegt natürlich auch ein bisschen daran, dass die Leute während des Lockdowns nicht viel shoppen können, Schokolade aber schon.

Unternehmeredition: Wie beurteilen Sie die weiteren Geschäftsperspektiven für ein Unternehmen wie Sawade?
Damerius: Ich sage immer: „An der Spitze ist immer Platz“. Hohe Qualität und Top-Service werden sich immer durchsetzen und sichern ausreichend hohe Margen. Deshalb bin ich für Unternehmen wie Sawade sehr optimistisch. Die andere Variante ist „billig und großvolumig“ – das geht auch. Alles dazwischen nennen wir „Unternehmen in der Todeszone“, wo es mangels klarer Positionierung schwierig ist, die notwendige Ertragskraft zu erreichen.

Unternehmeredition: Haben Sie aktuell viele Klienten, denen es so geht wie Sawade? Was empfehlen Sie Mittelständlern, die sich in einer ähnlichen Situation befinden?
Damerius: Wir haben aktuell viele Klienten, die ebenfalls durch die Corona-Pandemie arg gebeutelt sind. In erster Linie sind das Hotelketten, Gastronomiebetriebe und überhaupt alles, was mit Reisen und Tourismus zu tun hat. Vielen meiner Klienten konnte durch die staatlichen Kreditprogramme, durch Steuerstundungen und Kurzarbeit geholfen werden. Man hangelt sich so durch. Aber es wird viele Unternehmen geben, bei denen Veränderungen notwendig sein werden, bedingt durch den Strukturwandel und noch einmal befeuert durch die Corona-Pandemie.

Für solche Fälle gibt es schon seit langer Zeit die Möglichkeit, notwendige Restrukturierungen in einer sogenannten Eigenverwaltung oder in einem Schutzschirmverfahren umzusetzen. Das bedeutet, dass man als Unternehmer die Restrukturierungen in eigener Regie durchführt, beaufsichtigt nur durch einen sogenannten Sachwalter. So war es auch bei Sawade.

Und seit dem 1. Januar 2021 gibt es noch ein ganz neues Gesetz, das sogenannte Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz, kurz StaRUG. Damit kann man jetzt auch ganz ohne Insolvenzantrag eine Restrukturierung auch gegen den Willen einzelner Beteiligter durchsetzen. Ich rate jedem Unternehmer, sich hier rechtzeitig zu informieren. Denn nur wenn man sehr früh aktiv wird, sind alle Optionen verfügbar.

Unternehmeredition: Wir danken Ihnen für das interessante Gespräch!

Autorenprofil

Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.

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