“Private Equity ist eine der drei Säulen unserer Finanzierung”

 

Im Mai zeichnete Euler Hermes die Hirschvogel Holding GmbH mit dem Preis “Beste Finanzkommunikation im Mittelstand” aus. 1938 als Gesenkschmiede im oberbayerischen Denklingen gegründet, ist Hirschvogel mittlerweile nach eigenen Angaben einer der weltweit größten Automobilzulieferer im Bereich Massivumformung. Im Interview spricht Josef X. Baumeister, CFO sowie Sprecher der Konzerngeschäftsführung und ehemaliger Banker, über die Erfolgsfaktoren seiner Finanzkommunikation und die Bedeutung von Private Equity im Finanzierungsmix des Unternehmens.

Unternehmeredition: Herr Baumeister, die Hirschvogel Holding GmbH hat für einen Automobilzulieferer das Krisenjahr 2009 mit einem positiven Geschäftsergebnis bemerkenswert gut überwunden. Was waren die Erfolgsfaktoren?
Baumeister: Wie alle Firmen der Zulieferbranche mussten auch wir uns seit Beginn der Krise im September 2008 mit über Nacht wegbrechenden Umsätzen von bis zu 45% auseinandersetzen. Als Reaktion identifizierten wir sofort Kostensparpotenziale und haben natürlich auch Kurzarbeit genutzt, die wir aber bereits im August 2009 wieder beendeten. Das gesamte Management hat in dieser Phase ebenfalls auf Gehalt verzichtet. Über das Thema betriebsbedingte Kündigungen haben wir nie diskutiert. Parallel haben wir begonnen, die Finanzierung mit den Kapitalgebern neu aufzustellen. Unser Vorteil als Familienunternehmen ist, dass wir dank kurzer Entscheidungswege und schlanker Organisation alles sehr rasch umsetzen konnten. Und es geht längst wieder aufwärts – wir verzeichneten im März dieses Jahres sogar den höchsten Umsatz, den wir bisher in unserer Geschichte je in einem Monat erzielten. Nach 392 Mio. EUR im Geschäftsjahr 2009 wollen wir dieses Jahr mindestens 470 Mio. EUR Umsatz erwirtschaften. Auch in den kommenden Jahren wollen wir dynamisch und ertragsorientiert weltweit stark wachsen und gezielt in Kundenprojekte investieren.

Unternehmeredition: Sie gewannen kürzlich den Preis “Beste Finanzkommunikation im Mittelstand” von Euler Hermes. Was macht die Finanzkommunikation bei Hirschvogel so preiswürdig?
Baumeister: Die Jury bewertete drei wesentliche Elemente unserer Finanzkommunikation: einmal das klare Leitbild geprägt von Vertrauen, Offenheit und Ehrlichkeit mit Anspruch auf größtmögliche Transparenz. Der zweite Punkt war der Inhalt, die Systematik und der Umfang unserer Finanzberichte. Dabei orientieren wir uns laut Jury an börsennotierten Unternehmen, und damit tun wir qualitativ und quantitativ schon mehr als die meisten großen Mittelständler. Und der sichtbare Erfolg unserer Vorgehensweise ist das dritte Element. Wir konnten seit 2003 stets überdurchschnittlich gute Konditionen aushandeln und gegen den allgemeinen Trend auch in der Krise beträchtliches Fremd- und Eigenkapital beschaffen. Unser Ziel ist, durch Transparenz Vertrauen aufzubauen und damit die jederzeitige Finanzierungsfähigkeit sicherzustellen. Denn das ist unser oberster Grundsatz: Wir sind und bleiben ein wirtschaftlich unabhängiges Familienunternehmen.

Unternehmeredition: Und wie gestaltet sich Ihre Finanzkommunikation im Detail?
Baumeister: Ich habe vom ersten Tag an ein klassisches Quartalsreporting nach gewissen Standards eingeführt sowie einen jährlichen, ca. 150 bis 200 Seiten umfassenden Ratingreport mit detailliertem Einblick in alle Bereiche, die Kapitalgeber besonders interessieren: Vertriebsstruktur, Kundenkreis, Marketingaktivitäten, Markt- und Wettbewerbsposition, Unternehmensstrategie sowie Risikomanagement. Und das dient dann als Grundlage eines jährlichen Ratingdialogs mit unseren Kapitalpartnern. Wir wollen erfahren, wie sie uns bewertet haben und warum. Parallel machen wir seit 2003 mit externen Partnern ein Ratingverfahren ohne Veröffentlichung, damit wir eine Vergleichsmöglichkeit haben. Und somit sind wir auf Augenhöhe mit unseren Kapitalgebern, können bilaterale Kreditverträge schnüren, ohne uns in irgendwelche Abhängigkeiten zu begeben.

Unternehmeredition: Bevor Sie 2003 zu Hirschvogel wechselten, waren Sie als Banker tätig und brachten so seltenes Insiderwissen mit. Welchen Einfluss hat das auf die Beziehung Ihres Unternehmens zu den Banken?
Baumeister: Ich sehe es sehr kritisch, dass die Banken eine strukturierte Finanzierung propagieren und dann auch noch das Mandat dafür beanspruchen. Wir hingegen strukturieren unsere Finanzierung seit 2003 im Dreijahresrhythmus eigenständig, da wir diese Kompetenz im Haus haben. In bilateralen Verhandlungen gestalten wir bewusst ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Eigenkapitalgebern, Forderungsfinanzierern und unseren derzeit fünf Kernbanken. Und darum sind wir unabhängig, d.h. wenn sich bei einem Kapitalgeber in der Geschäftspolitik etwas ändert und wir das nicht mehr mit unserem Wertefundament vereinbaren können, sind wir in der Lage, ihn adäquat zu ersetzen. Das haben wir selbst mitten in der Krise mit zwei Kapitalgebern gemacht, die ohne nachvollziehbaren Grund die Bedingungen ändern wollten. Viele Unternehmen verstehen nach wie vor nicht, dass das Finanzmanagement eine wichtige Strategieaufgabe ist.

Unternehmeredition: Hirschvogels Finanzierungspartner sind aber nicht nur Fremdkapitalgeber, sondern Sie haben mit der Hannover Finanz seit 2003 auch einen Eigenkapitalgeber mit an Bord, der mit einer stillen Beteiligung engagiert ist. Welchen Stellenwert hat Private Equity im Finanzierungsmix des Unternehmens?
Baumeister: Private Equity in Form von Mezzanine ist eine der drei Säulen unserer Finanzierung: Forderungsfinanzierung, Kernbanken und Eigenkapitalpartner. Unsere Unabhängigkeit ist uns dabei sehr wichtig. Deshalb ist für uns als Familienunternehmen ein Börsengang oder die Direktbeteiligung eines Finanzinvestors undenkbar, ebenso wenig eine Bank im Eigenkapital oder eine Forderungsfinanzierungsgesellschaft, hinter der eine Bank steht. Denn wenn diese Bank eine unserer Kernbanken ist, wären wir erpressbar. Das sind die Feinheiten, die viele schnell übersehen. Klare Verhältnisse sind die Voraussetzung für eine vertrauensvolle Partnerschaft.

Unternehmeredition: Derzeit stehen Sie aus traurigem Anlass heraus vor einer ganz anderen Herausforderung – Mehrheitseigner und CEO Dr. Manfred Hirschvogel ist im Juli unerwartet verstorben. Wie gestaltet sich nun seine Nachfolge?
Baumeister: Seit 1. August fungiere ich als Sprecher der Konzerngeschäftsführung und weiterhin als CFO, und Dr. Dirk Landgrebe ist zum Geschäftsführer Technik ernannt worden. Um die Gesellschafter des Unternehmens kompetent zu vertreten, wurde ein Beirat eingerichtet, in dem unter anderem der Cousin und der Sohn von Dr. Manfred Hirschvogel sitzen sowie zwei Vertreter der Hannover Finanz und unser langjähriger Rechtsbeistand. Uns traf dieser Schicksalsschlag jedoch nicht ganz unvorbereitet; schon 2007 haben wir unsere Gesellschafterverhältnisse neu strukturiert und eine Stiftung gegründet, die derzeit 36,7% der Anteile hält. Sie hat neben ihrem sozialen Engagement den Auftrag, das Unternehmen langfristig abzusichern. Wir sind also auch weiterhin ein handlungsfähiges und wirtschaftlich unabhängiges Familienunternehmen.

Unternehmeredition: Herr Baumeister, herzlichen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Esther Mischkowski.
redaktion@unternehmeredition.de


Zur Person: Josef X. Baumeister
Josef X. Baumeister (josef.baumeister@hirschvogel.de) ist seit 2004 CFO und seit 1. August 2010 zudem Sprecher der Konzerngeschäftsführung der Hirschvogel Holding GmbH. Der Automobilzulieferer ist ein führender Spezialist im Bereich Massivumformung und hat Standorte in Deutschland, USA, China, Brasilien, Indien und Polen mit nahezu 3.000 Mitarbeitern. 2009 erwirtschaftete der Konzern 392 Mio. EUR. www.hirschvogel.com

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