Lockdown wirkt sich auf deutsche Wirtschaft aus

Wirtschaftsgutachten
(c) Grispb

Einen Tag vor den nächsten Verhandlungen der Ministerpräsidenten und der Bundesregierung über die corona-bedingten Einschränkungen in Deutschland zeigen sich die Auswirkungen in vielen Bereichen der Wirtschaft. Besonders den Mittelstand betrifft der zweite Lockdown. In der Industrie hingegen bessert sich die Stimmung weiter. Hier unser aktueller Überblick über die Wirtschaftsprognosen.

Exporte brechen stark ein

Im Dezember 2020 wurden nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) von Deutschland Waren im Wert von 100,7 Milliarden Euro exportiert und Waren im Wert von 85,9 Milliarden Euro importiert. Auf das gesamte Jahr bezogen waren die Exporte 9,3 % und die Importe 7,1 % niedriger als im Jahr 2019. Diese Rückgänge waren export- und importseitig die höchsten Werte im Vorjahresvergleich seit der Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2009. Damals waren die Exporte um 18,4 % und die Importe um 17,5 % gegenüber 2008 zurückgegangen.

Die Außenhandelsbilanz schloss im Dezember 2020 mit einem Überschuss von 14,8 Milliarden Euro ab. Im Dezember 2019 hatte der Saldo in der Außenhandelsbilanz 15,1 Milliarden Euro betragen. Die Werte für die Industrieproduktion nähern sich nach Destatis-Berechnungen langsam wieder dem Vorkrisen-Niveau. Im Vorjahresvergleich war die Produktion im Dezember 2020 kalenderbereinigt 1,0 % niedriger als im Dezember 2019.  Im gesamten Jahr 2020 lag die Produktion allerdings um 8,5 % niedriger als im Vorjahr.

Ifo: Autoindustrie erwartet bessere Geschäfte

Die Geschäfte der deutschen Autohersteller und ihrer Zulieferer laufen eher durchschnittlich bis schlecht. Im Januar stieg die Beurteilung der aktuellen Lage dieses Industriebereiches nur leicht um einen Punkt auf minus 7,5 Punkte. Das hat die neueste Umfrage des ifo Instituts ergeben. „Die Autobauer sind vorsichtig optimistisch, dass die Nachfrage nach dem Lockdown wieder anziehen wird. Auch dafür werden gegenwärtig die Lager wieder gefüllt“, sagt Klaus Wohlrabe, Leiter der ifo-Umfragen. Die Produktion sei zuletzt leicht rückläufig gewesen und werde in den kommenden drei Monaten tendenziell konstant bleiben.  Der zweite Lockdown habe die Nachfragedynamik deutlich abgebremst. Die Produktionskapazitäten seien zu 84 Prozent ausgelastet. Im April 2020 mit dem ersten Lockdown war die Auslastung auf 46 Prozent gefallen.

IW rechnet mit weniger Wirtschaftswachstum

Die weiteren Schließungen und Einschränkungen sorgen nach Ansicht des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) für ein schwächeres Wirtschaftswachstum. Insbesondere im Dienstleistungssektor und bin der Industrie rechnet das IW mit einer endgültigen Erholung erst im Jahr 2022.  Rund die Hälfte der Industriefirmen rechnet sogar im Jahr 2022 noch mit Produktionsausfällen.

Verbraucherstimmung stagniert im Februar

Der aktuelle Konsumklimaindex der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) zeigt eine Stagnation bei der Verbraucherstimmung. Die Konjunkturerwartung legt etwas zu, während Einkommenserwartung und Anschaffungsneigung leichte Einbußen hinnehmen müssen. Folglich prognostiziert GfK für März 2020 einen Wert beim Konsumklimaindex von 9,8 Punkten und damit 0,1 Zähler weniger als im Februar dieses Jahres.  „Das Konsumklima kann damit seinen positiven Trend des Vormonats nicht fortsetzen. Die Ausbreitung des Coronavirus hat sicherlich dazu beigetragen, dass Verunsicherung unter den Verbrauchern aufkommt“ erklärt Rolf Bürkl, GfK Konsumexperte. Ein positives Zeichen für die Konjunktur in Deutschland ist die unverändert hohe Kauflaune.

ifo Beschäftigungsbarometer sinkt erneut

Die eher schlechte Stimmung in der deutschen Wirtschaft wirkt sich auch auf die Pläne der Firmen aus, neue Mitarbeiter einzustellen.  Die Einstellungspläne der deutschen Unternehmen sind zu Beginn des neuen Jahres leicht geschrumpft. Das ifo Beschäftigungsbarometer fiel im Januar leicht auf 95,0 Punkte, von 95,5 Punkten im Dezember. Die Mehrheit der Unternehmen plant weiterhin, ihre Mitarbeiterzahl zu verkleinern. Die einzig positive Ausnahme sind die Supermärkte, wo weiter Mitarbeiter gesucht werden. Trotz der Wintermonate wollen einige Unternehmen in der Bauwirtschaft ihr Personal aufstocken.

Mittelstand sieht die Lage skeptisch

Der zweite Lockdown, der zum Jahresende ausgerufen wurde, mit der Schließung von vielen Geschäften im stationären Einzelhandel bedrückt die Unternehmensstimmung im Mittelstand. Das KfW-ifo-Geschäftsklima für den Mittelstand in Deutschland sinkt um 4,2 Zähler auf -14,8 Saldenpunkte. Sowohl die Lagebeurteilung als auch die Geschäftserwartungen gehen nach unten. Das Geschäftsklima unter den kleinen und mittleren Einzelhandelsunternehmen befindet sich nach Aussagen der KfW im Sturzflug, schließlich müssten schon seit Mitte Dezember die meisten Geschäfte geschlossen bleiben. Das KfW-ifo-Mittelstandsbarometer zeigt unterm Strich einen schlechten Jahresstart und wieder zunehmenden Pessimismus bei einem Großteil der mittelständischen Unternehmen.

Durch den verlängerten und verschärften Lockdown bricht die Wirtschaftsleistung nach der KfW-Analyse in den betroffenen Unternehmen erheblich ein. In anderen Branchen würden zudem die Umsätze durch die Rücknahme der temporären Mehrwertsteuersenkung belastet. „Im Vergleich zum Frühjahr 2020 ist die Lage aktuell bei den mittelständischen Unternehmen aber weniger angespannt“, erklärt Dr. Michael Schwartz von KfW-Research. Umsatzeinbußen würden in vielen Bereichen gegenwärtig als weniger drastisch eingeschätzt. Stabil zeige sich daher auch die Liquiditätslage der Unternehmen. Zwar zehre die Corona-Krise noch immer an den Liquiditätsreserven vieler KMU – insgesamt ist die Lage aber weiterhin stabil

ifo Exporterwartungen merklich verbessert

Die Stimmung unter den deutschen Exporteuren hat sich nach einer Befragung des ifo-Instituts deutlich aufgehellt. Die ifo-Exporterwartungen der Industrie sind im Januar von 1,9 Punkten auf 6,0 Punkte gestiegen – das ist der beste Wert seit Oktober. Klarheit beim Brexit und der US-Präsidentschaft, eine robuste Industriekonjunktur und der weltweite Impfstart führen nach Ansicht der ifo-Experten zu einem vorsichtigen Optimismus in der deutschen Exportwirtschaft. Deutliche Zuwächse beim Export erwarten die Hersteller von Computern und elektrischen Ausrüstungen. Auch die Unternehmen aus dem Bereich des Maschinenbaus und der Chemischen Industrie blicken zuversichtlich auf ihre künftigen Exporte.

Gläubiger werden skeptischer

Lieferanten und Kreditgeber meldeten für das 2. Halbjahr 2020 eine Abnahme des Zahlungsverzugs und eine Verringerung der Forderungslaufzeiten. Beide Entwicklungen sind positiv für Gläubiger. „Im Zuge der Corona-Krise und zunehmender wirtschaftlicher Risiken sind Lieferanten und Kreditgeber in ihrem Forderungsmanagement deutlich aufmerksamer geworden“, erläutert Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Wirtschaftsforschung, die Auswertung. Die staatlichen Hilfsmaßnahmen zur Überwindung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie seien offenbar wirksam. Auf Basis von rund 3,5 Mio. Rechnungsbelegen aus dem Creditreform Debitorenregister Deutschland wurde für das 2. Halbjahr 2020 ein durchschnittlicher Zahlungsverzug im B2B-Geschäft von 9,79 Tagen ermittelt (2. Halbjahr 2019: 10,69 Tage). Die durchschnittliche Forderungslaufzeit sank im 2. Halbjahr 2020 auf 41,77 Tage (Vorjahreszeitraum: 42,07 Tage). „Eine negative Kettenreaktion beim Zahlungsverhalten ist bislang ausgeblieben. Auch die Zahl der Insolvenzen blieb 2020 auf einem paradox niedrigen Niveau und damit auch mögliche Folgeerscheinungen“, so Hantzsch weiter. „Die anhaltende Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ist in diesem Zusammenhang hoch effektiv. Es ist aber zu befürchten, dass die staatliche Lenkung des Insolvenzrechts die Ausfälle lediglich verschiebt.“

Autorenprofil

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.

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