Kein Klassiker, aber eine Lösung mit Charme

Von Gerd Dürr, Head of Corporate Brokerage, Baader Bank AG

Bei jedem inhabergeführten Unternehmen gehört die Unternehmensnachfolge zum natürlichen Lebenszyklus. In Deutschland stehen rein statistisch Jahr für Jahr mehr als 70.000 Unternehmensnachfolgen an. Den Inhabern bieten sich verschiedene Möglichkeiten, ihre Unternehmensnachfolge zu regeln. Sie können das Unternehmen in der Familie weitergeben, wobei Auswahl und möglichst langfristige Einarbeitung des Nachfolgers die entscheidenden Punkte bei der Nachfolge innerhalb der Familie sind. Prognosen zufolge wird die familieninterne Nachfolge sukzessive weiter sinken.

Familienexterne Lösungen nehmen zu

Im Gegensatz dazu gewinnt die Weitergabe des Unternehmens an das interne (MBO) oder ein externes Management (MBI) immer mehr an Bedeutung. Besitzt das Unternehmen ein überzeugendes Wachstumspotenzial, besteht zudem die Möglichkeit, im Rahmen eines Bieterverfahrens an einen strategischen Käufer oder eine Private Equity- bzw. klassische Unternehmensbeteiligungsgesellschaft zu verkaufen. Ein Börsengang wird bis dato eher selten als klassisches Nachfolgeszenario in Betracht gezogen, bietet jedoch gut und langfristig vorbereitet ein hohes Potenzial und die Flexibilität, sich als Unternehmer schrittweise aus der Unternehmensführung zurückzuziehen und das Unternehmen sukzessive zu veräußern.

IPO: Wachstumsperspektiven in den Vordergrund stellen

Als Familienunternehmen gelten Gesellschaften, bei denen die Fami­lie mindestens 25% der Stimmrechte hält und damit eine Sperrminorität besitzt und mindestens ein Mitglied der Gründerfamilie als Vorstand oder Aufsichtsrat tätig ist. Dieser Definition folgend sind ca. 50% aller an der Börse (Basis: CDAX) gelisteten Unternehmen Familiengesellschaften. Allen Familienunternehmen ist gleich, dass ihnen der öffentliche Kapitalmarkt grundsätzlich als Finanzierungsinstrument offen steht und ein Unternehmensverkauf via Aktienverkauf grundsätzlich jederzeit möglich ist. Unternehmen, die einen Börsengang planen und darüber hinaus mittelfristig eine Nachfolgeregelung anstreben, sollten in erster Linie die Wachstumsperspektiven in den Vordergrund stellen und alle den Börsengang vorgeschalteten strukturellen und kapitalmarktrechtlichen Maßnahmen als Investition in einen späteren Unternehmensverkauf ansehen. Ein Börsengang stellt hohe Anforderungen an das Management und erfordert oftmals ein Umdenken bzgl. der Unternehmensführung. Positionierung am Kapitalmarkt, Formulierung der Equity Story, Anpassung der internen Strukturen, ggf. Umstellung des Rechnungswesens und Controlling, Erfüllen der kapitalmarktrechtlichen Anforderungen und nicht zuletzt umfangreiche Pflichten in der Kommunikation gegenüber Investoren erfordert Ressourcen, kostet Geld und benötigt Zeit.

Mehr Aufmerksamkeit und Transparenz nach Börsengang

Gelingt im Anschluss der Börsengang, wird sich zum einen die Finanzierungsstruktur des Unternehmens deutlich verbessern, was sich tendenziell positiv auf den Unternehmenswert auswirkt. Zum anderen ist allein augrund der umfangreichen Dokumentation während des IPO-Prozesses (Due Diligence, Wertpapierprospekt, Gutachten, Unternehmensbewertung) und der hohen Transparenzanforderungen der Börse eine gesunde Basis gelegt, um Aufmerksamkeit bei potenziellen Käufern zu wecken. Erfahrungsgemäß gestalten sich aus den vorgenannten Gründen Unternehmensverkäufe bei börsennotierten Gesellschaften tendenziell einfacher und lassen sich schneller abwickeln.

Aus der Praxis

Zugegebenermaßen ist ein direkter Exit des Unternehmers beim Börsengang eher schwer zu vermitteln und wird von Investoren kritisch hinterfragt. Vielmehr bietet ein IPO in Verbindung mit einer gewissen Börsenhistorie perspektivisch eine sehr gute Möglichkeit zur erfolgreichen Unternehmensnachfolge. Eines der bekanntesten Beispiele der jüngeren Vergangenheit ist die Übernahme der Medion AG im Sommer 2011 durch den chinesischen Computerkonzern Lenovo Group Ltd. (der Erwerb wurde über eine deutsche Tochtergesellschaft der Lenovo Group abgewickelt). Nach einem erfolgreichen Börsengang im März 1999 veräußerte Medion-Inhaber Gerd Brachmann seinen Anteil > 36% an den chinesischen strategischen Partner.

Autorenprofil

Gerd Dürr ist Head of Corporate Brokerage, Financing Group, bei der Baader Bank Aktiengesellschaft. Die Bank mit Sitz in Unterschleißheim berät und begleitet mittelständische Unternehmen bei Kapitalmaßnahmen, Börsengängen und der Emission von Unternehmensanleihen. www.baaderbank.de

Vorheriger ArtikelAlixPartners Umfrage: Unternehmen setzen wieder auf Wachstumsstrategien
Nächster ArtikelFinanzinvestoren als Nachfolgelösung