Familienunternehmer atmen auf

Der Katastrophe entgangen

Damit wäre eines der wichtigsten Finanzierungsinstrumente von Familienunternehmen betroffen gewesen. Familienunternehmen setzen neben Bankkrediten und der Zuführung neuer Mittel in Form von Gesellschafterdarlehen in erster Linie auf einbehaltene Gewinne aus eigenem Cashflow, wie eine Untersuchung der Stiftung Familienunternehmen während der Wirtschaftskrise 2009 ergab. Einbehaltene Gewinne werden bei Personengesellschaften vielfach auf Privat- oder Darlehenskonten gebucht, und bei solchen Guthaben handelt es sich rechtlich auch um Gesellschafterdarlehen.

Es wäre aber eine realitätsferne Vorstellung gewesen, dass große Familienunternehmen eine Banklizenz erwerben und in der Folge die Bundesanstalt wie bei den Banken auch bei Tausenden Familienunternehmen darüber mitbestimmt, wer für die Geschäftsleitung geeignet ist. Mit Erleichterung nehmen die Unternehmen deswegen zur Kenntnis, dass die BaFin vor Kurzem die Definition des Einlagengeschäfts in ihrem Merkblatt geändert hat und Gesellschafterdarlehen grundsätzlich nicht mehr als Einlagengeschäft im Sinne des Kreditwesengesetzes ansieht.

Die großen Familienunternehmen in Deutschland sind damit einer Katastrophe noch einmal entgangen. Viele von ihnen wären ansonsten vor der in jeder Hinsicht schwierigen Alternative gestanden, komplizierte rechtliche Konstruktionen für die Gesellschafterdarlehen einzugehen oder eine Banklizenz zu erwerben, um hohe Bußgelder zu vermeiden. Auch die Behörde hätte sich mit einer solchen Verwässerung des Begriffs des Einlagengeschäfts und dem daraus folgenden Kontrollanspruch überfordert.

Einige Probleme bleiben

Der Streit um die Einordnung der Gesellschafterdarlehen beweist einmal mehr, dass Familienunternehmen nicht von vornherein damit rechnen können, dass Behörden Verständnis für ihre wirtschaftliche Realität aufbringen.

Dabei liegt die Begründung für die jetzt einschränkende Auslegung des Begriffs Einlagengeschäft durch die BaFin nicht fern, wenn man die Eigenschaften von Gesellschafterdarlehen genau analysiert. Gesellschafter unterliegen einer allgemeinen Treuepflicht gegenüber ihrer Gesellschaft. Aus dieser Treuepflicht folgt, dass die Gesellschafter keine Darlehensrückzahlung fordern dürfen, soweit die Rückzahlung zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führt. Dies gilt gleichermaßen für Kapital- und Personengesellschaften, wobei etwaige Besonderheiten bei sogenannten Publikumsgesellschaften für Familienunternehmen unerheblich sind. Spiegelbildlich dazu ist es Geschäftsführern gesetzlich ausdrücklich verboten, Zahlungen an die Gesellschafter zu leisten, soweit diese zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen. Die BaFin hat nunmehr anerkannt, dass Gesellschafterdarlehen wegen dieses Liquiditätsvorbehalts weder „fremde“ noch „unbedingt rückzahlbare“ Gelder sind. Damit entfällt ihre Qualität als Einlagengeschäft. Für die Darlehensgewährung durch persönlich haftende Gesellschafter geht die BaFin sogar noch einen Schritt weiter und verneint bereits von vornherein das Vorliegen von Geldern „des Publikums“.

Nach der Korrektur der BaFin-Auffassung kann für Familienunternehmen jedenfalls weitestgehend Entwarnung gegeben werden. Einige Problemstellungen im Einzelfall bleiben jedoch. Die dabei in der Praxis relevanteste Fallgruppe sind Darlehen von indirekt Beteiligten wie zum Beispiel Unterbeteiligten und Nießbrauchern. Soweit Darlehen hiernach unter den Tatbestand des Einlagengeschäfts fallen, ist dies wie schon bislang unschädlich, wenn die Gesellschaft bei einer Gesamtsumme von mehr als 12.500 EUR insgesamt nicht mehr als fünf Einzeleinlagen hat beziehungsweise unabhängig von einer Gesamtsumme nicht mehr als 25 Einzeleinlagen aufweist.


Zur Person

Prof. Dr. Rainer Kirchdörfer/Stiftung FamilienunternehmenProf. Rainer Kirchdörfer ist Vorstand der Stiftung Familienunternehmen. Er ist Partner der Sozietät Hennerkes, Kirchdörfer & Lorz in Stuttgart, Honorarprofessor an der privaten Universität Witten-Herdecke und ist Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Stiftung. www.familienunternehmen.de

Autorenprofil

Prof. Rainer Kirchdörfer ist Vorstand der Stiftung Familienunternehmen. Er ist Honorarprofessor an der privaten Universität Witten-Herdecke und Partner der Sozietät Hennerkes, Kirchdörfer & Lorz in Stuttgart.

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