„Die Services aus der Public Cloud disruptieren inzwischen einen ganzen Markt. Betreiber von Rechenzentren stehen vor einer Gezeitenwende. Das gilt auch für Firmen, die selbst ein solches eigenes RZ haben“, sagt Oliver Schallhorn, Geschäftsführer von Innovations ON. Er muss es wissen, denn bis vor drei Jahren war er viele Jahre Geschäftsführer bei zwei der ganz großen deutschen Systemhäuser – aber er erkannte bereits vor rund zehn Jahren den neuen Trend zur Public Cloud und wagte dann noch einmal im Alter von knapp über 50 Jahren den Schritt in die Selbstständigkeit. Die neue Situation bringt er prägnant auf den Punkt: „Ein Rechenzentrum und deren Mitarbeiter sind kein Asset mehr, welches ein Unternehmen besser macht – alle sind inzwischen irgendwie in der Cloud.“
Ganze Prozesse in die Cloud migrieren
Bereits bei der Gründung seines Unternehmens Cloudbuddies, heute Innovations ON, wollte er von Beginn an zu 100% auf die Public Cloud setzen. Der Public-Cloud-Markt hat derzeit drei dominierende Anbieter – allesamt aus den USA: Google, Amazon und Microsoft. Das strategische Ziel bei der Kundenberatung war der Transfer kompletter Prozesse und Systeme in die Cloud, um auf diese Weise Abläufe zu verbessern, skalierbar zu machen und Digitalisierungsschritte zu erleichtern. Die Hauptzielgruppe sind größere Mittelständler ab 100 Computerarbeitsplätzen. Als Schallhorn nach seiner Gründung richtig Fahrt aufnehmen wollte, begann das Coronavirus, die Welt in eine Schockstarre zu versetzen. In Gesprächen mit Mittelständlern spürte er die Unsicherheit. Doch die Pandemie war zugleich der Turbo für seinen geschäftlichen Ansatz. „Die Firmen wachen auf – Corona hat sie zu uns getrieben“, sagt Schallhorn. Die Bereitschaft, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen, habe stark zugenommen. Und oftmals fehle es an Know-how, um die Chancen und Möglichkeiten von Cloudlösungen zu erkennen. Schallhorn und sein Team bieten den Unternehmen eine Beratung im Vorfeld an, erstellen dann ein Konzept, führen die Migration in die Cloud durch und übernehmen im Anschluss auch das Management der IT-Infrastruktur aus der Cloud.
Vision eines Full-Service-Angebots

Die erste Phase der Coronapandemie war für Schallhorn nicht leicht: „Wenn ich das mit der Pandemie vorher gewusst hätte, dann wäre der Schritt in die Selbstständigkeit so vielleicht nie erfolgt“, sagt er. Im Nachhinein hat er aber alles richtig gemacht, da sein Angebotsportfolio die Bedürfnisse der Kunden bestens erfüllt. Digitalisierung gehe langfristig nicht ohne eine Cloudinfrastruktur. Um für die betreuten Unternehmen die volle Bandbreite der Betreuung digitaler Geschäftsprozesse anbieten zu können, fehlten anfangs aber das Know-how und die passenden Mitarbeiter sowie das dafür notwendige Kapital zum Investieren. Die für ihn einfachste Lösung schien es dann zu sein, sich mit anderen Firmen zusammenzuschließen oder diese zu übernehmen sowie Teilbereiche selbst aufzubauen. In dieser Phase der Überlegungen für eine Ausweitung des Angebots und eines strategischen Wachstums kam im Frühjahr 2020 der Kontakt zur Nord Holding GmbH zustande. „Ich wollte eigentlich erst eine Standardabsage schreiben, denn mit Private-Equity-Kapital waren meine Probleme nicht zu lösen“, erinnert sich Schallhorn. In einem ersten Gespräch zeigte sich dann, dass die Visionen von Schallhorn und der Nord Holding sehr ähnlich aussahen – und so fiel schließlich der Entschluss für eine Zusammenarbeit.
One face to the customer
Unter dem Dach der neuen Public Cloud Group soll zukünftig ein breites Spektrum von Leistungen zum Thema „Public Cloud“ angeboten werden. Dazu gehören Unternehmen, die sich auf einen der drei Clouddienstleister Amazon, Microsoft oder Google spezialisieren. Ein weiteres, immer wichtiger werdendes Thema ist die technologische Betreuung im SAP-Bereich sowie deren Migration und anschließendes Management in der Cloud – schließlich wird es auch einen Bereich geben, der die Kunden in Sachen Data, Cybersecurity sowie Cloud Native-Entwicklung berät. Dabei sollen die Kunden bei IT-Fragen rund um die Public Cloud nur einen Ansprechpartner haben und sich nicht mit Schnittstellenproblematiken auseinandersetzen müssen. In einem ersten Schritt hat sich nun die Nord Holding an den Unternehmen Cloudwürdig (Google Cloud Premier Partner), Innovations ON (AWS Advanced Consulting Partner) sowie DI-on (plattformübergreifende cloudnative Applikationsentwicklung) mehrheitlich beteiligt. Im November wurde mit Switcom zudem ein auf Microsoft Azure fokussierter IT-Dienstleister aus Hamburg übernommen.
Fünf Jahre Zeit
Als Zeithorizont für das Full-Service-Konzept sieht Schallhorn die nächsten vier bis fünf Jahre: „Wir werden wie in einem Puzzle die richtigen Bausteine zusammensetzen“, kündigt er an. Für das wachsende Unternehmen sieht er große Chancen. Da Schallhorn bereits weit in die Zukunft denkt, beschäftigt er sich auch schon jetzt mit der Frage der Gewinnung von weiteren Mitarbeitern. Um das geplante Wachstum umsetzen zu können, plant Schallhorn die Gründung einer eigenen Akademie, um dort Nachwuchskräfte auszubilden.
„Der Ansatz ‚Hier ist mein Geld‘ reicht nicht mehr“

Unternehmeredition: Wie kam der Kontakt zu Oliver Schallhorn zustande? Wie haben Sie die Idee einer Holding entwickelt?
Christoph Grunewald: Herr Schallhorn ist einer unserer Industrieexperten, mit denen wir regelmäßig Geschäfts- und Investmentideen in den verschiedenen Industrien besprechen und gemeinsam entwickeln. Ich selbst habe in einem früheren M&A-Mandat während meiner Zeit im Investmentbanking die Übernahme eines Public-Cloud-Anbieters betreut. Uns kam dann die Idee, dass im Bereich Managed-Public-Cloud-Services ein starkes Wachstum zu erwarten ist, während der Markt eher atomisiert ist.
Es ist aber ein eher ungewöhnlicher Ansatz für einen Private-Equity-Investor, quasi auf der grünen Wiese ein neues Unternehmen zu schaffen.
Da haben Sie recht, aber heutzutage reicht der Ansatz „Hier ist mein Geld“ nicht mehr, um attraktive Firmen für sich zu gewinnen. Geld haben alle – Sie brauchen auch eine gute Story. Wir haben uns intensive Gedanken über ein Holdingkonzept und seine Marktchancen gemacht, bevor wir uns mit unserer Idee an Herrn Schallhorn gewandt haben. Dann stellte sich heraus, dass wir ungefähr die gleichen Gedanken hatten. Die Public-Cloud-Gruppe ist für uns eine Mischung aus einem klassischen Investment- und einem Venture-Capital-Ansatz. Und da wir als Evergreen-Fonds nicht exitgetrieben sind, haben wir die notwendige Ruhe und Geduld, um diese Holding aufzubauen.
Wie sehen Sie aktuell den Markt für Private-Equity-Investments?
Es ist unverändert viel Geld unterwegs. Es herrscht aktuell ein Verkäufermarkt. Mit diesen Wettbewerbsbedingungen müssen wir einfach umgehen und uns noch innovativer aufstellen. Sie brauchen eine Strategie für die weitere Entwicklung einer Firma, damit es zu einer Kooperation kommen kann. Kapital allein reicht nicht.
KURZPROFIL Public Cloud Group
Gründungsjahr: 2021
Branche: Software/IT-Service
Sitz des Unternehmens: Magstadt bei Ulm
Umsatz 2021 (geschätzt): 25 Mio. bis 30 Mio. EUR
Mitarbeiterzahl: etwa 130

Alexander Görbing
Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.