Kapital für Freigeister

Wenn sich etablierte Unternehmen an Start-ups beteiligen, eröffnen sich beiden Seiten neue Perspektiven. Noch aber stehen häufig Zurückhaltung und die Scheu vor Risiken dem Corporate Venturing im Weg.

Bei der Nürnberger Diehl Gruppe, als weltweit agierender und familiengeführter Technologiekonzern, hat die Tochter Diehl Ventures zehn Suchfeldkategorien erarbeitet. Diehl Ventures ist eng in die Organisation der Mutter integriert und verfügt über direkte Anbindung an den Vorstand um Dr. Thomas Diehl. „Wir haben ein strategisches Interesse und wollen Start-ups auf ihrem langen Weg bei der Entwicklung neuer Technologien und Geschäftsmodelle begleiten“, betont Dr. Mathias Glasmacher, Geschäftsführer der Diehl Ventures. Beim Scouting ist es hilfreich, dass die Abteilung Zentrale Technologie des Konzerns seit Jahren enge Kontakte zu Hochschulen pflegt und die Mitarbeiter der Ventures-Tochter auf Empfehlung ein Investment in der Frühphase in Betracht ziehen. Bei Diehl Ventures gilt ebenfalls das Credo, kleine Beteiligungen einzugehen:„Wir wollen nichts überstülpen, was zur Lähmung eines agilen Start-ups führen könnte“, sagt Glasmacher.

Diehl Gruppe: Die Tochter Diehl Ventures erarbeitete zehn Suchfeldkategorien.
Diehl Gruppe: Die Tochter Diehl Ventures erarbeitete zehn Suchfeldkategorien.

Eigene Entwicklung beschleunigen

Junge Firmen können ihrerseits durch den Austausch mit etablierten Unternehmen ihre Entwicklung beschleunigen. „Wir können den Start-ups helfen, Fehler zu vermeiden und bewusst bestimmte Dinge zu machen“, betont Glasmacher. Konkret kann das bedeuten, dass der Konzern gemeinsam mit dem Newcomer in den Markt geht und Kunden akquiriert, Entwicklungsaufträge annimmt oder selbst Produktionsdienstleistungen bereitstellt. Start-ups stoßen bei potentiellen Kunden allzu häufig auf Skepsis, weil die Vorteile ihres Angebots nicht erkannt oder sie als Newcomer noch keine Erfolge vorzuweisen haben. Für WHU-Professorin Kammerlander können gerade hierbei durch die Kooperationen Defizite ausgeglichen werden: „Der Mittelstand kennt die Bedürfnisse seiner Kunden, verfügt über gewachsene Netzwerke und hat Erfahrung mit Marketingstrategien.“ Allerdings drohten auch Fallstricke bei der Zusammenarbeit. So kann es vorkommen, dass ein Gründer seine Ideen beziehungsweise Fähigkeiten in einer neuen, durchstrukturierten Umgebung nicht entfalten kann. „Die Unternehmenskulturen passen oft nicht zusammen, und damit stellt sich die Frage, welcher Freiraum dem Start-up innerhalb der Gesamtorganisation eingeräumt wird“, verweist Kammerlander auf Forschungsergebnisse. Diese würden nahelegen, dass eine gewisse Autonomie und die räumliche Trennung der Venture-Firmen vom Unternehmen sinnvoll sind.

Tipps allein reichen nicht

Auch Unterschiede in der Denkweise können die Zusammenarbeit hemmen. „Ein Start-up denkt in Tagen, ein etabliertes Unternehmen in Monaten“, stellt Dienstleister Rudolph fest. Das betrifft häufig auch die monetäre Seite. Ein Start-up ist oft nur für ein oder zwei Jahre finanziert, kleine Summen können da existenziell sein. „Größere Unternehmen können sich oft gar nicht vorstellen, dass ein erster Umsatz von 20.000 Euro für das Start-up enorm wichtig sein kann“, sagt Rudolph. Deshalb können viele Missverständnisse auftreten. Tipps alleine reichen da nicht.

 

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