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Atemholen vor der großen Einkaufstour

Viel Liquidität, viel Cash und damit auch viel Spielgeld für externes Wachstum durch Unternehmenskäufe/M&A ist derzeit sowohl bei deutschen Mittelständlern wie auch Finanzinvestoren vorhanden. Aber der Einkaufwagen ist derzeit noch halbleer: Die Ruhe vor dem Sturm?

Wenn man den Schlagzeilen der Wirtschaftspresse folgt, scheint es, als ob Unternehmensübernahmen/M&A boomen wie seit dem letzten Allzeithoch im Frühjahr 2007 – ein Jahr vor der Lehman Pleite – nicht mehr. So titelt die FAS am 03.07.2016: „Übernahmen überall“, in der Börsenzeitung vom 08.07.2016 heißt es „M&A – Guten Appetit!“. Die Stimmung scheint also sehr gut. Da überrascht es doch, dass die aktuellen Zahlen eine andere Sprache sprechen. Nach Mergermarket sind jedenfalls die M&A Aktivitäten in Europa im Mai 2016 zurückgegangen. Am meisten – nicht ganz überraschend – im Vereinigten Königreich, aber eben auch im restlichen Europa. Der weltweite M&A Markt wird vor allem – wie durchgängig in den letzten Jahren – durch die zahlreichen inneramerikanischen Übernahmen sowie den kontinuierlich wachsenden asiatischen Markt geprägt.

Angesichts dieser Diskrepanz zwischen gefühltem Hoch und den nüchternen Zahlen ist es spannend, einige Tendenzen des aktuellen Marktes etwas näher im Detail zu betrachten.

Die Chinesen kommen

Zunächst ist auffällig, dass die Unternehmensübernahmen in Deutschland und in Mitteleuropa mit chinesischer Beteiligung signifikant seit 2015 zunehmen. Exemplarisch hierfür stehen eine Reihe von Transaktionen, vor allem im Maschinenbau- und Automotive-Sektor, sowie aktuell die heiß diskutierte Übernahme von Kuka. Weiterhin offen ist auch die Akquisition der traditionellen deutschen Privatbank Hauck & Aufhäuser durch den chinesischen Investor Fonsun.

Doch gerade bei Kuka zeigt sich, dass derzeit in Deutschland einem bisher zahnlosen Tiger – dem Außenwirtschaftsgesetz (AWG) – möglicherweise neues Leben eingehaucht wird.

Viel Liquidität, viel Cash und damit auch viel Spielgeld für externes Wachstum durch Unternehmenskäufe/M&A ist derzeit sowohl bei deutschen Mittelständlern wie auch Finanzinvestoren vorhanden. Aber der Einkaufwagen ist derzeit noch halbleer: Die Ruhe vor dem Sturm?


“Die chinesischen Investoren sind inzwischen meist hochprofessionell und haben verstanden, wie das M&A-Spiel in Deutschland läuft.”

Prof. Dr. Christoph Schalast, Restsanwalt und M&A-Experte


Nach einer hitzigen Debatte 2008/2009 wurde das AWG eingeführt, um einen Verkauf deutscher Unternehmen, insbesondere Infrastrukturanbieter, an ausländische Investoren, sei es aus Russland oder China, einer besonderen Kontrolle durch das Bundeswirtschaftsministerium zu unterwerfen. Damals war die Befürchtung in der M&A Community groß, dies würde die Aktivitäten in Richtung Deutschland erheblich einschränken. Doch bis heute ist noch keine Untersagung bekannt geworden. Dies mag sich nun angesichts der Zunahme chinesischer Investoren ändern und man kann dem Gesetzgeber eigentlich nur dankbar sein. Denn er hat die Möglichkeit einer Vorfeldklärung für solche Transaktionen geschaffen, um die notwendige Rechtssicherheit schnell herzustellen.

Eins ist jedenfalls sicher: Die chinesischen Investoren sind inzwischen meist hochprofessionell und haben verstanden, wie das M&A-Spiel in Deutschland läuft. Doch die Posse um den Flughafen Frankfurt-Hahn zeigt, dass Professionalität auf beiden Seiten notwendig ist.

Die Regulierer zeigen ihre Muskeln

In einem ähnlichen regulatorischen Umfeld wird derzeit auch die geplante Fusion von Deutscher Börse und LSE be- und teilweise auch zerredet. Unabhängig von der Zustimmung der jeweiligen Aktionäre werden nach dem überraschenden Brexit-Votum nunmehr auch die „Regulatoren“ ein gehöriges Wort mitsprechen. Regulatoren sind sowohl die Fusionskontrolle, also EU Kommission, sowie die Börsenaufsicht, also das Hessische Wirtschaftsministerium. Spannend, dass in diesem Zusammenhang plötzlich ganz wagemutige Lösungen, wie ein Doppelsitz, ins Gespräch gebracht werden. So etwas hat bei großen Transaktionen noch nie funktioniert.

Viel Liquidität, viel Cash und damit auch viel Spielgeld für externes Wachstum durch Unternehmenskäufe/M&A ist derzeit sowohl bei deutschen Mittelständlern wie auch Finanzinvestoren vorhanden. Aber der Einkaufwagen ist derzeit noch halbleer: Die Ruhe vor dem Sturm?


“Bezahlt werden muss mit außergewöhnlich hohen Multiples.”

Prof. Dr. Christoph Schalast, Restsanwalt und M&A-Experte


Insgesamt wird dabei eines deutlich: Wer sich nicht im Vorfeld mit seinem Regulierer/Regulierern abstimmt, muss mit einer langen Hängepartie rechnen. Sei es ein Inhaberkontrollverfahren durch die BaFin (Hauck & Aufhäuser), ein Fusionskontrollverfahren, die Außenwirtschaftskontrolle durch das Bundeswirtschaftsministerium oder die Börsenaufsicht.

Vorbild DAX und MDAX?

Doch trotz dieser Kapriolen steht andererseits die Übernahmeofferte von Bayer für Monsanto weiter im Raum. Es wäre die größte jemals getätigte M&A Transaktion aus Deutschland. Man kann nur hoffen, dass die Lessons Learned aus Daimler/Chrysler vom Bayer-Team berücksichtigt werden. Eines ist aber auch interessant: Sobald in einer Branche erste Megatransaktionen angekündigt werden, entwickelt sich dies schnell zu einem Konsolidierungsschub. So wird derzeit bei Wettbewerbern, wie etwa BASF, schon nervös nachgefragt, was sie denn als Antwort in der Pipeline haben. Ähnliches ist gerade im Lebensmittelmarkt festzustellen nach der Ankündigung von Danone, ins Geschäft für vegane Lebensmittel einzusteigen. Danone plant die Übernahme des amerikanischen Pioniers in diesem Bereich, White Wave. Nichtsdestotrotz ist eine solche kleine Kettenreaktion noch kein Megatrend. Sicher ist nur, dass Themen wie Chemicals oder auch Food den Markt mitprägen.

Auch der große Mittelstand (MDAX) ist derzeit so aktiv wie selten zuvor. Ursache hierfür ist sowohl die hohe Liquidität im Markt wie die Verfügbarkeit von Fremdfinanzierungen. Doch bezahlt werden muss dies mit außergewöhnlich hohen Multiples, die sich bei strategischen Akquisitionen in den mittleren zweistelligen Bereich steigern können. Hier muss man sehr vorsichtig sein, denn die alte Regel gilt weiter: Der Gewinn des Kaufmanns liegt im (klugen, preiswerten) Einkauf.

Viel Liquidität, viel Cash und damit auch viel Spielgeld für externes Wachstum durch Unternehmenskäufe/M&A ist derzeit sowohl bei deutschen Mittelständlern wie auch Finanzinvestoren vorhanden. Aber der Einkaufwagen ist derzeit noch halbleer: Die Ruhe vor dem Sturm?


“Der Markt schwächelt, das spricht dafür, dass der Mittelstand sein Pulver noch trocken hält.”

Prof. Dr. Christoph Schalast, Restsanwalt und M&A-Experte


Wenn also die großen DAX- und MDAX-Unternehmen sowie auch die Finanzinvestoren mit dem Einkaufswagen herumfahren, der Markt aber insgesamt etwas schwächelt, dann spricht dies dafür, dass der Mittelstand derzeit sein Pulver noch trocken hält. Ursachen hierfür dürften im augenblicklichen Umfeld die Unsicherheiten durch den Brexit und die Zukunft des Freihandels mit den USA/Kanada sein. Nichtsdestotrotz ist zu erwarten, dass auch hier die M&A Aktivitäten erheblich an Fahrt zunehmen werden. Dabei wissen die deutschen Mittelständler meist recht genau, dass es einfacher ist, in einem bekannten Umfeld, insbesondere in der DACH-Region, zu investieren. Gleichzeitig wagen sie sich zunehmend in die USA sowie nach Südostasien und agieren dabei erfolgreicher als noch vor wenigen Jahren. Ein Grund hierfür ist der Aufbau professioneller Inhouse M&A-Teams. Und einen Vorteil haben sie dabei regelmäßig: Mittelständler geraten selten in den Fokus von „Torwächtern“, wie den Kartellämtern und sonstigen Aufsichtsbehörden. Das macht ihr Business etwas leichter.

Fazit: Ein spannendes „Restjahr“ 2016 liegt vor uns.


Zur Person

(© privat)

Prof. Dr. Christoph Schalast ist Gründungspartner der Kanzlei Schalast & Partner Rechtsanwälte in Frankfurt a. M. Schwerpunkte seiner Tätigkeit sind M&A, Real Estate sowie das Bank- und Finanzmarktrecht. Der Rechtsanwalt und Notar leitet an der Frankfurt School of Finance & Management den Studiengang Mergers & Acquisitions. www.schalast.com

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