“Wenn das alte Management das Vertrauen verloren hat, springen wir ein” (Ausgabe 4/2008)

Interview mit Dr. Frank Nikolaus, Vorsitzender, TMA Deutschland

Die Gesellschaft für Restrukturierung – TMA Deutschland e. V. ist der Berufsverband auf dem Gebiet der Unternehmensrestrukturierung und -sanierung. Ihr Vorsitzender, Dr. Frank Nikolaus, spricht im Interview über Krisenursachen sowie Lösungswege und darüber, warum eine gesunde Bilanz gerade heute Trumpf ist.

Unternehmeredition:
Was sind die häufigsten Gründe dafür, dass Unternehmen in eine Krise geraten?
Nikolaus: Zum einen ist es mangelnde Führung. So werden z. B. strukturelle Veränderungen zur Anpassung an Marktentwicklungen versäumt. Zum anderen fehlt häufig ein wirksames Controlling mit einer vorausschauenden Planung. Bei mittelständischen Familienunternehmen wird die Nachfolge nicht selten zu spät oder schlecht geregelt – etwa, wenn Nachkommen mit zu wenig Erfahrung an die Unternehmensspitze kommen oder umgekehrt diese ihr eigenes Know-how nicht einbringen können, weil die ältere Generation nicht loslässt.

Unternehmeredition:
Welche neuen Tendenzen gibt es bei den Krisenursachen?
Nikolaus: Die rein finanzinduzierten Fälle haben in den letzten Jahren zugenommen, durch teilweise höhere Verschuldungsgrade nach Übernahmen und durch die gestiegene Komplexität am Kapitalmarkt. Gerade heute sind gesunde Bilanzrelationen sehr wichtig. Ich befürchte aber, dass durch Finanzierungsengpässe zunehmend – operativ durchaus gute – Firmen in die Krise geraten könnten.

Unternehmeredition:
Was tun Sie mit Ihren Teams in der Regel als Erstes im Unternehmen?
Nikolaus: Leider werden wir oft sehr spät hinzugezogen, wenn die Krise schon weit fortgeschritten ist. Zunächst machen wir einen Quick Check. Es wird eine Liquiditätsplanung für die nächsten acht bis zwölf Wochen, die dann rollierend fortgeschrieben werden kann, erstellt. Dann arbeitet man sich Schritt für Schritt zur operativen und strategischen Ebene durch, um Veränderungsprozesse einzuleiten. Da die Krise oft schon in einem fortgeschrittenen Stadium ist, kommen wir um Kostensenkungen – und leider dann in der Regel auch Personalabbau – meist nicht herum.

Unternehmeredition:
Ersetzen Sie dabei das alte Management?
Nikolaus: Wenn das alte Management durch gravierende Fehler das Vertrauen – bei Mitarbeitern, Gläubigern, Kunden etc. – verloren hat, springen wir ein. Meist ist es aber so, dass wir gemeinsam mit dem bisherigen Management die Krise meistern und neues Vertrauen aufbauen. Nicht alle Mitglieder unseres Berufsverbands und deren Firmen bieten die Übernahme von Managementverantwortung selbst an. TMA Deutschland unterstützt aber ausdrücklich die Bereitschaft einzelner Berufsvertreter, die Rolle des CRO (Chief Restructuring Officer) zu übernehmen. Auch ich selbst stehe dafür gelegentlich zur Verfügung, aber mit dem Fokus auf die Kapitalseite (Financial Restructuring Advise).

Unternehmeredition:
Wie lange dauert eine Restrukturierung?
Nikolaus: Meist zwischen drei und zwölf Monaten. Am Ende soll das Unternehmen nicht nur die Krise überwunden haben, sondern auch strategisch für die Zukunft gerüstet sein. Das heißt meist: Konzentration auf die Kernkompetenzen, die wieder gestärkt werden.

Unternehmeredition:
Herr Dr. Nikolaus, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Bernd Frank
redaktion@unternehmeredition.de
Zur Person: Dr. Frank Nikolaus
Dr. Frank Nikolaus (nikolaus@tma-deutschland.org) ist geschäftsführender Gesellschafter der Beratungs- und Investmentgesellschaft Nikolaus & Co. sowie Vorsitzender des deutschen Zweigs der in den USA ansässigen TMA Turnaround Management Association. Er ist seit 1993 als Restrukturierungsmanager tätig, u. a. betreute er den Automobilzulieferer Schefenacker und den Kabelnetzbetreiber ish. www.tma-deutschland.org

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