Unternehmen in der Krise

Seit Inkrafttreten der Neuerungen im Insolvenzrecht soll das Gericht nun bei nicht offensichtlich aus-sichtslosem Antrag auf Eigenverwaltung bereits im Eröffnungsverfahren von der Anordnung eines Verfügungsverbots oder Zustimmungsvorbehalten sowie der Bestellung eines vorläufigen Insolvenz-verwalters absehen. Stattdessen soll vom Gericht ein (vorläufiger) Sachwalter eingesetzt werden, der lediglich Überwachungsfunktionen wahrnimmt. Ziel dieses Vorgehens ist es, das Vertrauen der Ge-schäftspartner in die Unternehmensleitung und deren Sanierungskonzept nicht zu zerstören.

Schutzschirmverfahren und Einstieg von Investoren
Das ebenfalls neu eingeführte „Schutzschirmverfahren“ ermöglicht es einem Schuldner – solange er nicht zahlungsunfähig und eine Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist – unter Aufsicht eines von ihm vorgeschlagenen Sachwalters und innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten einen Insol-venzplan auszuarbeiten. Während dieser Zeit kann das Gericht auch eine Sperre für Vollstreckungs-handlungen gegen den Schuldner anordnen. Der verminderte Kontrollverlust und der weitreichende Einfluss auf das Verfahren sollen den Anreiz für Schuldner schaffen, den Eröffnungsantrag frühzeitig zu stellen und so Sanierungschancen zu erhalten. Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Schutzschirmverfahrens ist allerdings die Vorlage einer Bescheinigung, dass kein Fall der Zahlungs-unfähigkeit vorliegt und eine Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist. Hinsichtlich dieser Be-scheinigung sind gut ein Jahr nach Inkrafttreten des ESUG noch viele Fragen nicht abschließend ge-klärt. Diese zeitliche und fachliche Hürde ist bei den Sanierungsplanungen nicht zu unterschätzen. Hier ist eine möglichst frühzeitige Vorbereitung des Verfahrens dringend anzuraten.

Als Teil des vom Schuldner zu erarbeitenden Insolvenzplans können künftig auch gegen den Willen von Altgesellschaftern Gläubigerforderungen gegen Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte ausgetauscht werden (Debt-Equity-Swap). Dies geht regelmäßig mit Kapitalmaßnahmen unter Bezugsrechtsaus-schluss für Altgesellschafter einher. Bisherige Gläubiger des Unternehmens können so – mit deren Einverständnis – enger an dieses gebunden und als Investoren in die Sanierung einbezogen werden.

Fazit:
Das erneuerte Insolvenzrecht bietet für Unternehmenslenker und Gläubiger wesentlich mehr Möglich-keiten zur Einflussnahme auf den Verfahrenslauf als zuvor. Die ersten Erfahrungen zeigen, dass sich die Zahl der Verfahren in Eigenverwaltung bereits nach gut einem Jahr etwa verdreifacht hat und dass ein Verfahren in Eigenverwaltung nach dem ESUG die Chance auf einen schnellen Abschluss des Verfahrens bietet. Der kürzlich bekannt gewordene Fall des Suhrkamp Verlags zeigt auch, dass die Werkzeuge der Insolvenzordnung von den Unternehmen und Unternehmern durchaus angenommen werden. Eine erfolgreiche Sanierung setzt jedoch immer die Bereitschaft der Beteiligten voraus, sich frühzeitig in einer Krise mit den Handlungsalternativen zu befassen und mit wesentlichen Gläubigern und dem Gericht auszutauschen. Aber nicht in jedem Fall sind die genannten Sanierungswerkzeuge der beste Weg für in die Krise geratene Unternehmen. Im Einzelfall bleibt zu prüfen, was die Gründe für die Krise sind und ob unter Umständen der „herkömmliche“ Insolvenzverwalter mit den ihm zur Verfügung stehenden durchgreifenden Mitteln die für alle Parteien wirtschaftlich sinnvollere Lösung darstellt.

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