Paradigmenwechsel beim Scheitern

Mit einem neuen Gesetz wurde in Deutschland vor fünf Jahren die Insolvenzordnung reformiert. Wer heute in eine Liquiditätskrise gerät, kann sich frühzeitig selbst sanieren. Bislang eignet sich die vorläufige Insolvenz nur in wenigen Fällen. Betroffene Unternehmer sehen darin indes eine strategische Chance.

Schutzschirm vor der Liquidation

Doch das wäre nach fünf Jahren wohl eine zu hohe Erwartung an ein neues Gesetz: „Insgesamt ist das ESUG eine Erfolgsstory“, urteilt Prof. Dr. Georg Streit, Insolvenzrechtsexperte bei der Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek. „Auch das Schutzschirmverfahren lässt der Geschäftsführung in der Eigenverwaltung weitreichende Gestaltungsmöglichkeiten.“ Das erste große Unternehmen, das sich unter dem Schutzschirm des ESUG sanierte, war die Centrotherm Photovoltaics AG mit Sitz in Blaubeuren, Baden-Württemberg.

Der auf Sonnenenergie spezialisierte Maschinenbauer litt unter dem weltweit hohen Preisdruck in der Fotovoltaikbranche. „Obwohl im Juli 2012 noch keine Zahlungsunfähigkeit und keine Überschuldung eingetreten waren, stellte Centrotherm beim Amtsgericht Ulm einen Antrag auf Einleitung eines Schutzschirmverfahrens und Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung“, erinnert sich Tobias Hoefer, Gründungspartner der Kanzlei Schmidt-Thieme. Als Sanierungsexperte wurde er für das Schutzschirmverfahren als sogenannter Chief Restructuring Officer (CRO) in den Centrotherm-Vorstand berufen.

„Es gab viele gute Gründe dafür, das Schutzschirmverfahren zu wählen“, erinnert sich Hoefer. So konnte er selbst vorschlagen, wer sein Sachwalter werden sollte. Zudem kann das zuständige Gericht eine Frist von drei Monaten anordnen, innerhalb derer Gläubiger keine Zwangsvollstreckungen einleiten dürfen. Der wohl wichtigste Grund für die Nutzung des Schutzschirmverfahrens war aber die Außenwirkung. „Centrotherm ist ein weltweit aufgestellter Konzern“, sagt Hoefer. Kunden, Lieferanten und internationalen Marktteilehmern signalisierte das Verfahren: „Wir gehen gehen freiwillig unter den Schutzschirm, um gar nicht erst insolvent zu werden.“

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