Nach dem Motto „Gemeinsam sind wir stark“ hat Big Move ein Netzwerk etablierter Mittelständler aus dem Transportbereich versammelt. Die Experten für Schwer- und Spezialtransporte sowie Autokrane und Industriemontagen profitieren voneinander.
Es ist zwei Uhr nachts. Von der Buchheisterstraße in Hamburg-Steinwerder rollt ein Schwertransport langsam Richtung Autobahn. Auf dem achtachsigen Sattelschlepper der Firma Gustav Seeland befindet sich eine Bohranlage, 23,50 Meter lang, 3,50 Meter breit und 3,81 Meter hoch, die an der A7 in Othmarschen erwartet wird. Hier baut die Stadt einen zwei Kilometer langen Lärmschutztunnel, um die Autobahn auf acht Fahrspuren zu erweitern. In Schneckentempo geht es durch die Stadt, Dutzende Straßen und Kreuzungen passiert die nächtliche, von Polizeifahrzeugen begleitete Karawane. Plötzlich stoppt der Transport. An der Willy-Brandt-Straße befindet sich eine Schranke, die sich normalerweise automatisch öffnet – heute Nacht aber nicht. Die Feuerwehr wird gerufen. Nach 30 Minuten ist die Schranke abgebaut, die Fahrt kann weitergehen. Um 4:45 Uhr ist es geschafft. Der Schwertransport ist am Ziel.
„Wir fangen da an, wo andere aufhören.“ Olaf Beckedorf ist kein Unternehmer, der zu Übertreibungen neigt. Im Gegenteil: Der Vorstandsvorsitzende der Big Move AG ist zurückhaltend mit Aussagen zu seiner Gesellschaft. Die bildet das Dach für 15 Schwerlast- und Speziallogistikfirmen, die Brückenteile, Windkraftanlagenflügel, ganze Jagdflugzeuge und 75 Tonnen schwere Verzinkungswannen auf 30 Meter langen Kesselbrücken transportieren. Dafür haben die mittelständischen, häufig familiengeführten Betriebe in ihren Fuhrparks Zugmaschinen mit bis zu 750 PS, Tieflader mit acht oder zehn Achsen und Autokrane mit einer Tragkraft von bis zu 500 Tonnen. Der Clou: Big Move kann alle rund 600 Spezialfahrzeuge nutzen. „Davon profitiert jeder Betrieb im Verbund“, erläutert Beckedorf das Prinzip, das aus der Landwirtschaft bekannt ist: Teure Maschinen werden gemeinsam genutzt, damit optimal ausgelastet und schnell refinanziert. „Früher musste jeder Betrieb Equipments wie eine spezielle Kesselbrücke für 500.000 EUR kaufen, obwohl er die nur ein- oder zweimal im Jahr braucht. Heute leihen sich unsere Partner solche Teile gegenseitig aus“, erläutert der Vorstandschef. Und Big Move kann so für jede Schwertransportanfrage die maßgeschneiderten Logistikdienstleistungen bieten.
Arno Alt, Geschäftsführer der Firma W. Mayer in Zweibrücken, die seit Herbst 2023 zu Big Move gehört, lobt den Verbund: „Der Markt ändert sich und die sich abspielenden Konzentrationstendenzen treiben vor allem kleinere Familienbetriebe an, Lösungen für die Zukunftssicherung zu finden. Mit Big Move im Rücken haben wir Zugriff auf eine viel größere Flotte und können über die Partner auch an anderen Standorten agieren. Jeder Partner in dem Verbund profitiert zudem von einer höheren Einkaufsmacht.“ Außerdem werde W. Mayer und jedes andere Netzwerkmitglied durch die Verzahnung unter dem Dach von Big Move am Markt sichtbarer. Und damit nicht genug: „Es gibt Synergien bei der Digitalisierung, die hohe Investitionen verlangt.“
Alle Netzwerkpartner sind gleich
Apropos Digitalisierung: Big Move hat eine virtuelle Plattform entwickelt, auf der zur Verfügung stehende Ladung und Fahrzeuge gematcht werden. „Damit verbessern wir die Auslastung unserer Fahrzeuge und verringern die Zahl der Leerfahrten“, verspricht Beckedorf. „Wenn jemand ein Schwergut zum Beispiel von Berlin nach Stuttgart gebracht hat, schaut er in unserem System nach, ob es auch umgekehrt etwas zu transportieren gibt.“ Das reduziere die Mautgebühren, die Kraftstoffkosten und die CO2-Emissionen: „So leisten wir zumindest einen kleinen Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels.“ Gerne würde er noch mehr tun – „aber leider gibt es für Schwerguttransporte noch keine geeigneten E-Trucks. Ob es die jemals geben wird, ist nicht absehbar.“
Grundlage der engen Zusammenarbeit der 15 Transportfirmen ist eine außergewöhnliche Unternehmenskonstruktion: Die Verbundbetriebe – von der Bloedorn Spedition in Dortmund bis zu Weiland Kran & Transport im hessischen Lampertheim – sind in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gleichberechtigt zusammengeschlossen. Jeder Partner hat eine Stimme. Die GbR ist die alleinige Aktionärin der Big Move AG, die im Regensburger Handelsregister eingetragen ist und in Mintraching ihren Hauptsitz hat. In Harmstorf bei Hamburg befinden sich die Niederlassung der AG und die Big Move Projekt GmbH. Diese fungiert für den Verbund als gemeinsame, überregionale Vertriebsorganisation. Beckedorf: „Großunternehmen wie Airbus, Siemens oder der Windkraftanlagenhersteller Vestas kaufen nicht regional ein.“
Gegründet wurde Big Move 2004 von Horst Wallek, Chef der damaligen Wallek GmbH (heute Wallek & Geser Spezialtransporte GmbH), und Marlo Gutmann von Spedition Gutmann GmbH & Co. KG sowie neun weiteren Firmen. Wallek war bis Ende 2016 Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft, 2017 übernahm Olaf Beckedorf diese Position.
Im Mai wurde mit den Verbundfirmen, Dienstleistern und Fahrzeugherstellern in Willingen im Sauerland das 20-jährige Bestehen gefeiert. Konzipiert war das Event als „bunter Marktplatz für kreativen Austausch“. Beckedorf: „Miteinander reden und zusammen Lösungen generieren gehört zur DNA unseres Unternehmens.“
Detaillierte Vorarbeiten sind das A und O
Wenn ein Schwertransport über die Straßen rollt, zieht er die Blicke auf sich: blinkende Warnlichter, Begleitautos, Polizei, überlange und -breite Brummis. Die Zahl der Schwertransporte in Deutschland ist in den letzten zehn Jahren laut Deutscher Verkehrs-Zeitung auf etwa 500.000 pro Jahr gestiegen. Und kein Schwertransport ist wie der andere. Mal muss nur ein Bagger zu einer Baustelle gebracht werden, meistens aber ist das Objekt der Begierde schwerer: etwa ein riesiger Schleiftisch, 6,5 Meter breit und 195 Tonnen schwer, der von der Firma Hegmann Transit auf dem Land- und Wasserweg in den Hafen von Antwerpen transportiert wurde, oder die 1,5 Tonnen schweren Klimageräte zur Lüftung und Entrauchung, die Gustav Seeland mit einem Kran auf das Dach eines Geschäftshauses am Hamburger Jungfernstieg gehoben hat – oder eine ganze Straßenbahn, die von Colossus Logistics von Berlin ins brandenburgische Brück gebracht wurde.
Jeder dieser Aufträge muss bis ins Detail geplant werden. Es gilt, die bestmögliche Strecke zu finden, mögliche Hindernisse vor dem Beginn des Transports zu beseitigen – das kann ein Verkehrsschild oder auch schon mal eine Ampel sein – und alle gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich Abmessungen, Gewicht und Auswirkungen auf die Umwelt einzuhalten. Ein Meisterwerk verkehrstechnischer Logistik. Nicht selten dauern diese Vorarbeiten drei, vier oder sechs Monate und länger. „Manchmal warten wir mehrere Wochen auf eine Genehmigung“, nennt Beckedorf einen Grund für das meist lange „Vorspiel“. So müssten für Transporte über Bundesländergrenzen hinweg oft völlig unterschiedliche Auflagen erfüllt werden, etwa was Nachtfahrten oder Begleitfahrzeuge angeht: „Das gesamte Genehmigungswerk umfasst nicht selten 100 Seiten und mehr.“
Anpassungsfähigkeit ist die größte Herausforderung
Big Move ist nicht der einzige Schwerguttransporteur auf Deutschlands Straßen. Es gibt viele Wettbewerber – etwa Gruber Logistics in Italien, Hüffermann Krandienst in Wildeshausen oder Müller Spezialtransporte in Perl an der Mosel. Hunderte Firmen verfügen über Titanen der Straße, agieren allerdings vorwiegend regional. „Das genau ist der Vorteil unseres Netzwerks“, stellt Beckedorf klar. „Wir können Transportlösungen weltweit anbieten – aus einer Hand.“ Und das will Big Move noch erfolgreicher machen. Ziel ist ein jährliches Umsatzwachstum von rund 15%. Dafür stellt sich der Schwergutverbund noch breiter auf: Zum einen möchte man noch internationaler agieren, zum anderen die Angebotspalette um Dienstleistungen wie Lagerhaltung und Reinigung von Maschinen ergänzen. „Und wir wollen für unsere Transporte Straßen und Wasserwege noch besser vernetzen“, sagt Beckedorf.
Das will auch die Politik. Die Nutzung von Flüssen, Seen und Kanälen für Großraum- und Schwertransporte ist ein wichtiger Baustein der Verkehrspolitik. Insbesondere Windkraftanlagenteile, Kabeltrommeln und andere Güter, die für die Energiewende benötigt werden, sollen möglichst über das Wasser transportiert werden. Seit 1. März läuft dazu im Hochsauerland ein Pilotprojekt des Bundesverkehrsministeriums. Beckedorf: „Um die Wasserstraßen für Groß- und Schwertransporte attraktiver zu machen, muss der bürokratische Aufwand für uns Logistiker aber weiter abgebaut werden.“ Bei Oliver Luksic, Parlamentarischer Staatssekretär und Koordinator der Bundesregierung für Güterverkehr und Logistik, stößt er damit auf offene Ohren: „Vereinfachte Genehmigungen für klar definierte Strecken“ seien hilfreich. Für Viktor Haase, Staatssekretär des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen, ist die Wasserstraßennutzung zudem „ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem klimaneutralen Industriestandort“. Das Pilotprojekt setze auf „die clevere Vernetzung der Verkehrsträger und aller Beteiligten aus Herstellern, Transporteuren und Verwaltung, um die wichtige Expertise sinnvoll zusammenzubringen“.
Die Anpassungsfähigkeit an einen sich permanent ändernden Markt sei die größte Herausforderung, bekennt Big-Move-Chef Beckedorf. Er und seine Kollegen in den Schwergutverbundfirmen bemängeln, dass die Politik Experten wie sie zu selten in Gesetzesvorhaben einbindet. „Es wäre sinnvoll, frühzeitig den Sachverstand von Branchenkennern hinzuzuziehen“, fordert der gebürtige Hamburger. Ein positives Beispiel sei die Anhörung des Bundesverbands Schwertransporte und Kranarbeiten bei der Neuregelung der Richtlinien für Großraum- und Schwertransporte. Auch Big Move hat Änderungsvorschläge unterbreitet. Beckedorf: „Zum Beispiel haben wir deutlich gemacht, was praktikabel ist und was nicht. Ich bin sicher, dass die Neuregelung durch unser Zutun besser werden wird.“
FAZIT
Vor dem Hintergrund des beinharten Wettbewerbs auf dem Scherguttransportmarkt, der kommenden, vor allem ökologischen, Herausforderungen und angesichts des zunehmenden Wunsches vieler Kunden, auch komplexe Lösungen aus einer Hand zu bekommen, scheint Big Move durch die Bündelung der Stärken der 15 Partner des Netzwerkes gut positioniert zu sein.
Kurzprofil Big Move AG
Gründungsjahr: 2004
Branche: Logistikgewerbe
Unternehmenssitz: Mintraching und Hamburg
Umsatz 2023: 600.000 EUR (alle 15 Verbundfirmen: rund 200 Mio. EUR)
Mitarbeiter: 3 (alle 15 Verbundfirmen: rund 1.200)
Jürgen Hoffmann
Nach mehreren Stationen in Redaktionen (u.a. „Bild am Sonntag“) und in der Wirtschaft (u.a. Digital Equipment) arbeitete Jürgen Hoffmann als Agenturchef (1997- 2009). Seither ist er als freier Autor für Publikationen wie Die Welt, FAZ, Tagesspiegel, Deutsche Welle und SZ tätig.