Verkaufen Inhaber ihr Unternehmen, befürchten sie, anschließend mit Gewährleistungs und Freistellungsansprüchen konfrontiert zu werden. Dieses Risiko kann mit einer Gewährleistungsversicherung minimiert oder sogar ausgeschlossen werden.

von Dr. Markus J. Friedl

Kann in Familienunternehmen kein Nachfolger gefunden werden oder ist die Nachfolge anderweitig schwierig, wird der Unternehmer einen Verkauf in Erwägung ziehen. Dabei ist er sich bewusst, dass er in einem Kaufvertrag Garantien über bestimmte Umstände des Unternehmens abgeben muss und bei Verletzung solcher Garantieerklärungen dem Käufer auf Schadensersatz haftet. Darüber hinaus haftet der Verkäufer regelmäßig bis zur Übertragung für anfallende Steuern, sodass er den Käufer für eine mögliche Nachzahlung gegenüber den Steuerbehörden frei stellen muss. Auch wenn der Verkäufer sein Unternehmen kennen sollte, wird in solchen Situationen schnell klar, dass er nicht allwissend ist. Zudem stellt sich erst nach Übertragung des Unternehmens heraus, ob Steuerforderungen, für die der Verkäufer aufkommen muss, von den Finanzbehörden geltend gemacht werden.

Sind die Garantien im Kaufvertrag vollumfänglich und richtig?

Der Verkäufer muss also befürchten, dass potenzielle Käufer einen Teil des Kaufpreises zur Begleichung eventueller Garantieverletzungen oder Steuerforderungen zurückhalten wollen. Können sich Käufer und Verkäufer nicht bezüglich des Garantiefalls oder der Höhe der Steuernachforderung einigen, behält der Käufer die kalkulierten Beträge zurück. Der Verkäufer muss somit auf die Zahlung des Kaufpreisanteils klagen. Er muss darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass die Garantieerklärungen im Kaufvertrag richtig waren und Steuerforderungen nicht bestehen. Da der Verkäufer nach der Unternehmensübertragung aber häufig aus der Geschäftsführung ausgeschieden ist, hat er keinen Zugriff auf die Unterlagen des Unternehmens. Er ist dann gezwungen, gegen das Unternehmen auf Auskunft zu klagen. Dieses Risiko des Verkäufers, letztlich nicht den vereinbarten Kaufpreis zu erhalten und den Rechtsweg beschreiten zu müssen, in dem er sich tendenziell in einer nachteiligen Position befindet, können sich belastend auf die Verkaufsentscheidung und das -verfahren auswirken. In diesem Szenario empfiehlt sich der Abschluss einer Gewährleistungsversicherung oder englisch Warranty & Indemnity Insurance (nachfolgend kurz: W&I-Versicherung), die übliche Risiken von Garantieverletzungen und Steuernachforderungen übernimmt. Die W&I-Versicherung ist ein eigenständiges Vertragsverhältnis, das entweder vom Verkäufer oder vom Käufer abgeschlossen wird. Heutzutage ist die käuferseitige W&I-Versicherung das vorherrschende Modell einer Versicherungspolice. Dies bedeutet, dass der Käufer die Bedingungen der W&I-Versicherung mit der Versicherung verhandelt. Dennoch ist es für einen reibungslosen Verkaufsprozess unentbehrlich, dass bereits der Verkäufer Kontakt zu einem Versicherungsmakler oder einer oder mehreren Versicherungen aufnimmt, um die Garantien und Steuerfreistellungen auf ihre Richtigkeit prüfen zu lassen. Das Ergebnis dieser Prüfung sollte der Verkäufer den Kaufinteressenten zusammen mit seinem Entwurf des Kaufvertrags zur Verfügung stellen. Auf Basis der Ergebnisse ihrer Due Diligence sowie des Umfangs der gewünschten Garantiehaftung/Steuerfreistellung können die Interessenten sowohl mit dem Verkäufer als auch mit der Versicherung verhandeln.

Die W&I-Versicherung orientiert sich strikt am Kaufvertrag

Grundsätzlich knüpft die W&I-Versicherung an das Haftungsregime des Kaufvertrags an. Dieser sieht regelmäßig für einen Garantieverstoß eine betragsmäßige Haftungsobergrenze (etwa 30 Prozent des Kaufpreises) und für den Umfang der Steuerfreistellung den vereinbarten Kaufpreis als absolute Betragsobergrenze vor. Daneben ist regelmäßig ein Schadensfreibetrag (Deductible) vereinbart, für den der Käufer selbst haftet. Die W&I-Versicherung orientiert sich an diesen Beträgen. So wird die Deckungssumme für Garantieverstöße und Steuerfreistellungen mit den vereinbarten Haftungsobergrenzen im Kaufvertrag identisch sein. Die W&I-Versicherungspolice sieht – wie viele andere Versicherungsarten – einen Selbstbehalt (Retention) vor, mit dem der Verkäufer selbst haftet. Dessen Betrag beläuft sich üblicherweise auf 0,5 bis 1,0 Prozent des Unternehmenswerts. Allerdings ist der Selbstbehalt nicht identisch mit dem Freibetrag des Kaufvertrags. Vielmehr ergibt sich aus dem Zusammenspiel beider Beträge, dass sich Käufer und Verkäufer gleichermaßen an Schadensumfängen beteiligen, die nicht von der W&I-Versicherung gedeckt werden: der Käufer, der den Schaden in Höhe des Freibetrags nicht ersetzt bekommt, und der Verkäufer, der weitergehende Schäden gegenüber dem Käufer bis zum Eintritt der Deckung selbst tragen muss. Größere Schadensumfänge aus beliebigen Garantieverletzungen oder Freistellungsverpflichtungen werden von der W&I-Versicherung bis zur Deckungssumme übernommen.

Die Unterform der Nil Recourse-Versicherung

Die Kosten der W&I-Versicherung berechnen sich anhand der Deckungssumme, des Freibetrags sowie des Selbstbehalts

Möchte der Verkäufer das Risiko ausschließen, den Selbstbehalt aus eigenen Mitteln zahlen zu müssen, kann er gegenüber dem Käufer auf eine sogenannte Nil Recourse-Versicherung (auch Zero Liability-Versicherung genannt) bestehen. Bei dieser Unterart der W&I-Versicherung haftet der Verkäufer nur für Schäden im Betrag von einem Euro und laufzeitmäßig nur bis zum Ablauf von einem Tag nach der Unternehmensübertragung. Damit ist die persönliche Haftung des Verkäufers faktisch ausgeschlossen. Eine solche Konstellation kann bei Verkäufen interessant sein, bei denen der Verkäufer einen hohen Selbstbehalt zu tragen hätte. Vereinzelt wird argumentiert, einer solchen Nil Recourse-Police unterläge kein wirksamer Versicherungsvertrag; denn hafte der Verkäufer nicht mehr, trage er auch kein Risiko. Ohne versicherbares Risiko sei aber keine Versicherungspolice denkbar. Auch sei es bedenklich, dass der Verkäufer bei völliger Enthaftung keinen Anreiz habe, die abgegebenen Garantie- und Freistellungserklärungen zu prüfen. Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass zwischen Verkäufer, Käufer und Versicherung das Risiko des Käufers, bei Garantieverletzungen oder Freistellungsansprüchen eine Entschädigung zu erhalten, auch bei einer Nil RecoursePolice besteht. Die Erfahrung zeigt, dass Versicherungen, die solche Policen anbieten, die Versicherbarkeit des Risikos gleichermaßen prüfen. Dies hat zur Folge, dass Verkäufer und Käufer die Garantien und Freistellungen ernsthaft verhandeln, zumal eine Deckung für vorsätzliches Verhalten des Verkäufers oder offengelegte Umstände generell ausgeschlossen ist. Die Kosten der W&I-Versicherung berechnen sich anhand der Deckungssumme, des Freibetrags sowie des Selbstbehalts. Folglich ist eine Nil RecoursePolice teurer. Als Faustformel kann dabei festgehalten werden, dass die Versicherungsprämie zwischen einem und zwei Prozent der Versicherungssumme beträgt. Bei einer käuferseitigen W&I-Versicherung hat der Käufer die Versicherungsprämie zu zahlen. Bei den Verhandlungen über den Kaufpreis wird er diese Summe entsprechend abziehen. Dabei sind ausdrückliche Vereinbarungen im Kaufvertrag bezüglich des Einflusses der Versicherungsprämie auf den Kaufpreis oder eine Beteiligung des Verkäufers daran möglich. Wird das Unternehmen in einem Auktionsverfahren verkauft, kann ein kompetitiver Prozess dafür sorgen, dass Kaufinteressenten die Versicherungsprämie nur eingeschränkt auf den Verkäufer überwälzen.

Mögliche Entschädigungspflicht versus geringerer Verkaufspreis

Der Abschluss einer selbst käuferseitigen W&I-Versicherung wirkt sich somit für den Verkäufer kaufpreismindernd aus. Er hat also abzuwägen, ob er bis zu sieben Jahre nach dem Verkauf mit Verpflichtungen aus Garantien und Freistellungen konfrontiert werden – mit einer möglicherweise erheblichen Reduktion des Kaufpreises – oder sich dieses Risikos von Anfang an durch eine W&I-Versicherung entledigen will, dafür aber einen geringeren Verkaufspreis akzeptiert.

ZUR PERSON Dr. Markus J. Friedl ist Rechtsanwalt und Partner im Frankfurter Büro von Pinsent Masons. Er berät nationale und internationale Mandanten umfassend bei Unternehmenskäufen und -verkäufen. Beispielsweise hat er eine Reihe von Unternehmensinhabern beim Verkauf ihres Unternehmens begleitet und sie zum Abschluss und zur Einbindung einer W&I-Versicherung in den Verkaufsprozess beraten. www.pinsentmasons.com/de-de

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