Druck wächst auf die Nachfolgen im deutschen Mittelstand

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Die Unternehmensnachfolge im deutschen Mittelstand entwickelt sich zu einem der drängendsten wirtschaftlichen Probleme. Die heute veröffentlichten Ergebnisse des Nachfolgemonitor 2025 vom Verband Deutscher Bürgschaftsbanken e.V., Creditreform Rating AG und KCE KompetenzCentrum für Entrepreneurship & Mittelstand der FOM Hochschule zeigen deutlich, dass sich aus einer demografischen Herausforderung eine strukturelle Krise entwickelt hat. Der anhaltende Mangel an geeigneten Nachfolgern, eine Überalterung der Unternehmensinhaber sowie Verschiebungen innerhalb zentraler Branchen verschärfen die Lage weiter.

Bereits vor einigen Jahren war erkennbar, dass sich der Generationenwechsel im Mittelstand verlangsamt. Das durchschnittliche Alter der Übergebenden stieg in den Erhebungen des Nachfolgemonitors von 58 Jahren (2021) auf 61 Jahre (2022). Dieser Trend setzte sich fort: 2024 lag das Durchschnittsalter bei 63 Jahren. Neueste Zahlen aus 2025 belegen, dass der Anteil der über 75-jährigen Übergeber mittlerweile bei 7,9% liegt. Gleichzeitig stieg der Anteil der 55- bis 64-jährigen Übergeber auf 43,4% – laut den Studienautoren ein Höchststand seit Beginn der Erhebungen.

Dem gegenüber steht eine vergleichsweise kleine Nachfolgegeneration. Das Durchschnittsalter der Übernehmenden verharrt seit Jahren bei etwa 38 Jahren. Die Altersgruppe der 30- bis 39-Jährigen bilde mit rund 50 % das Zentrum der Nachfolgeaktivität. Die demografische Schere zwischen geburtenstarken Unternehmergenerationen und einer schrumpfenden Zahl potenzieller Nachfolger öffne sich zunehmend.

Nachfolgen auf historischem Tiefstand

Die Zahl der erfolgreichen Nachfolgen ist rückläufig. Im Jahr 2024 wurde laut dem Nachfolgemonitor 2025 ein historischer Tiefstand erreicht. Noch nie seit Beginn der Datenerfassung wurden demnach weniger Unternehmen erfolgreich übergeben. Die geringe Zahl geeigneter Kandidaten sowie verschärfte Anforderungen an Finanzierung und unternehmerische Kompetenz wirke sich direkt auf die Übergaberate aus. Trotz dieser Rückgänge bleibt die Erfolgsquote der übergebenen Unternehmen stabil. Im Jahr 2025 erreichen 68 % der übernommenen Betriebe ihr früheres Umsatzniveau oder übertreffen es. Dies zeige: Die Qualität der Nachfolgen ist hoch – das Problem liegt in der Quantität.

Ein deutlicher Strukturwandel zeige sich bei den Formen der Nachfolge. Während 2021 noch 76 % der Übergaben als Solo-Nachfolgen erfolgten, liegt dieser Anteil 2024 wieder bei über 81 %. Team-Nachfolgen würden eine zunehmend untergeordnete Rolle spielen. Gründe dafür seien vor allem komplexere Entscheidungsprozesse sowie der Mangel an passenden Partnern. Zudem verändere sich die Motivation der Übernehmenden. Familientraditionen oder emotionale Bindungen würden an Bedeutung verlieren. Selbstständigkeit, Existenzsicherung und monetäre Anreize stünden zunehmend im Vordergrund. Diese Entwicklung deute auf eine stärkere Professionalisierung der Nachfolge hin.

Branchenspezifische Dynamiken

Die Branchenentwicklung ist nach den Zahlen des aktuellen Nachfolgemonitors von deutlichen Verschiebungen geprägt. Das Handwerk erlebe einen strukturellen Aufschwung. Gründe sind der Fachkräftemangel, stabile lokale Nachfrage sowie Chancen der Digitalisierung. Entsprechend steige die Zahl der Nachfolgen in diesem Sektor. Anders stellt sich die Situation im Einzelhandel dar. Die Konkurrenz durch den E-Commerce setzt viele Betriebe unter Druck. Die Zahl der Nachfolgen ist hier weiter rückläufig. Besonders kritisch ist die Lage in ländlichen Regionen mit schwacher Kaufkraft.

Regional zeigt sich Schleswig-Holstein als Vorreiter bei der Beteiligung von Frauen an Unternehmensnachfolgen. In einigen Landkreisen liegt der Frauenanteil bei über 30 %. Bundesweit beträgt der Anteil weiblicher Nachfolgerinnen rund 21 %. Auffällig ist laut Nachfolgemonitor, dass Frauen tendenziell höhere Investitionen tätigen, aber im Schnitt geringere EBIT-Werte erzielen. Dies weist auf bestehende strukturelle Hürden hin.

Finanzierung im Wandel

Die Finanzierung von Nachfolgen hat sich in den letzten Jahren ebenfalls verändert. Der Kaufpreisanteil stieg 2025 auf 77 % der Mittelverwendung. Immobilien- und Betriebsmittelfinanzierungen verlieren an Bedeutung. Dies steht im Zusammenhang mit steigenden Unternehmensgrößen und höheren Kapitalanforderungen. Erstmals enthält der Nachfolgemonitor systematische Umsatzmultiplikatoren zur Bewertung mittelständischer Betriebe. Diese liegen branchenabhängig zwischen 0,16 und 0,43. Höhere Multiplikatoren erzielen Freie Berufe (0,84) und Dienstleister (0,83), während Einzelhandel (0,10) und Handwerk (0,15) deutlich niedriger bewertet werden.

Ein neuer Trend betrifft die regionale Verteilung gesicherter Arbeitsplätze. 2025 stieg der Anteil der durch Nachfolge erhaltenen Stellen in zentralen und peripheren Lagen um 7%. Hintergrund ist laut Nachfolgemonitor die höhere Flexibilität bei Standortentscheidungen durch verstärkte Homeoffice-Nutzung.


„Nachfolgelösungen funktionieren dann gut, wenn die Unternehmen unter Volllast arbeiten“

Interview mit Prof. Dr. Carsten Kruppe, Professur für Allgemeine BWL, FOM Hochschule für Oekonomie & Management

Unternehmeredition: Was machen die Unternehmen anders, die den Übergang erfolgreich gestalten?

Prof. Dr. Carsten Kruppe
Prof. Dr. Carsten Kruppe

Prof. Dr. Carsten Kruppe: Wir stellen vor allem fest, dass Nachfolgelösungen dann gut funktionieren, wenn die Unternehmen praktisch unter Volllast arbeiten. Wenn der Inhaber schon aus mangelnder Motivation oder vielleicht wegen gesundheitlicher Probleme oder aus Altersgründen die Zügel etwas schleifen lässt, dann wirkt sich das auf das Unternehmen und den Übernahmeprozess aus. Solange der Einsatz für die Firma weiter hoch ist, sind die Grundvoraussetzungen erst einmal gut. Auch nur dann wird ein Unternehmer einen angemessenen Preis für sein Lebenswerk erzielen können. Wichtig kann es auch sein, dass der Verkäufer den Übernehmer in dem Prozess begleitet und als Mentor gegebenenfalls zur Verfügung steht.

Das Durchschnittsalter der Übergeber steigt weiter, während geeignete Nachfolger fehlen. Wie wirkt sich dieser demografische Trend auf die Stabilität des Mittelstands aus – und ab wann wird es kritisch, die Nachfolge aufzuschieben?

Unsere Zahlen geben keinen Hinweis auf ein konkretes Alter, ab dem es zu spät sein kann für eine Übergabe. Es kommt mehr auf den Prozess der Nachfolge an. Dieser sollte sorgfältig geplant sein. Optimal ist aus unserer Sicht eine längere Phase für den Übergang, bei welcher der bisherige Inhaber quasi als Mentor gemeinsam mit der Nachfolgerin oder dem Nachfolger zusammen die Übergabe gestaltet.

Immer mehr Babyboomer-Unternehmer wollen verkaufen. Gibt es genug Nachfolger und Investoren – oder erleben wir bereits einen Käufermarkt, in dem Verkäufer bei Preis und Bedingungen Zugeständnisse machen müssen?

In der aktuellen Situation gibt es schon eher einen Käufermarkt. Es gibt mehr verkaufsfähige Unternehmen im Angebot als dazu passende Käufer. Und diese Entwicklung dürfte sich verstärken.

Aktive Unternehmer haben auch immer die Option einer Unternehmensgründung. Und in der öffentlichen Wahrnehmung schneiden solche Start-ups besser ab, als die Übernahme eines bestehenden erfolgreichen Betriebs. Dabei bietet eine Übernahme den Vorteil, dass er bereits über etablierte Strukturen und einen festen Kundenstamm verfügt. Auch helfen die durch den laufenden Betrieb erzielten Cashflows die Übernahme beziehungsweise weitere Investitionen zu finanzieren.

Viele Inhaber erleben, dass die Bewertung ihres Unternehmens unter ihren Erwartungen liegt. Welche Faktoren bestimmen heute den realen Unternehmenswert – und wie stark zählen Zukunftsthemen wie Digitalisierung, Nachhaltigkeit oder Fachkräftebindung?

In unserer Befragung für das Bundesland Schleswig-Holstein haben wir feststellen können, dass der Faktor Nachhaltigkeit eine zunehmende Rolle in einem Übernahmeprozess spielt. Nicht nur jüngere, sondern auch ältere Übernehmende erkennen die gestiegene Wichtigkeit nachhaltigen Wirtschaftens. Wichtig wird aber auch die Kompetenzen der Belegschaft bewertet, was in Umkehrschluss bedeutet, dass die Bindung von Fachkräften einen hohen Stellenwert besitzt.

Immer häufiger hört man, dass Nachfolgelösungen an der Finanzierung scheitern – weniger wegen fehlender Ideen, sondern wegen fehlenden Eigenkapitals oder steigender Zinsen. Erleben Sie tatsächlich einen Mangel an Kapital für Unternehmensübernahmen, oder liegt das Problem eher in der Struktur und Vorbereitung solcher Finanzierungen?

Für eine Finanzierung bedarf es einerseits einer guten Vorbereitung, aber vor allem sind die fundamentalen Unternehmensdaten wie beispielsweise der Cashflow eine wichtige Entscheidungsgrundlage für eine Finanzierung. Bei vielen Unternehmensnachfolgen gibt es durch Bürgschaftsbanken, Mittelständische Beteiligungsgesellschaften und die jeweilige Hausbank die Möglichkeit zu einer Risikoaufteilung. Das müssen die Beteiligten am Übernahmeprozess aber auch in Anspruch nehmen.

Wenn Sie einem typischen Mittelständler, der gerade über Nachfolge nachdenkt, nur einen Rat geben dürften – welcher wäre das?

Rechtzeitig beginnen und den gesamten Übergabeprozess von der Vorbereitung bis zum Abschluss aktiv begleiten.

Wir danken Ihnen für das interessante Gespräch!

Das Gespräch führte Alexander Görbing.

Autorenprofil

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen und Tech-Start-ups.

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