Kult ersetzt Zinsen

Immer mehr Anleger stecken ihr Geld in Dinge, die als krisenfest gelten. Nicht nur Oldtimer und Diamanten werden immer begehrter. Daneben entstehen auch neue Vermögenstitel wie Whisky oder Geigen. Je länger die Zinsen im Keller bleiben, desto mehr Blüten treibt das Geschäft mit dem guten Geschmack.

Seit 2016 ist die Destillerie in Betrieb. St. Kilian setzt auf Direktvertrieb, man kann sich ein eigenes 30-Liter-Fass kaufen. Darin reift der Whisky dann mindestens drei Jahre und wird anschließend in Flaschen zu je einem halben Liter abgefüllt. Mit ein paar Jahren Geduld kann der Kunde seine eigene Rendite erwirtschaften: „Je länger der Whisky lagert, desto höher steigt er im Wert“, ist Gründer Thümmler überzeugt.

Fässer von St. Kilian: Der Angel´s Share ist in den Lageräumen deutich zu spüren (© St. Kilians Destillers GmbH)
Fässer von St. Kilian: Der Angel´s Share ist in den Lageräumen deutich zu spüren (© St. Kilians Destillers GmbH)

Szenekenner werden zu Renditeexperten

Whisky steht beispielhaft für eine ganze Reihe von Sachwerten, die in den vergangenen Jahren im Preis gestiegen sind. Egal, ob man Wein sammelt oder Oldtimer, Uhren oder neuerdings auch die Apple-Macs der ersten Stunde – die Preise für Liebhaber-Objekte gehen nach oben.

„Es ist viel Geld in den vergangenen Jahren in andere Anlagesegmente geflossen, in Aktien, Edelmetalle, Rohstoffe, Private Equity, aber eben auch in andere Sachwerte wie Kunst oder Classic Cars“, sagt Oliver Postler, Chefanlagestratege im Private Banking der Hypo-Vereinsbank. Im Laufe der Zeit hat sich die Bank ein Netzwerk an Experten vor allem für Kunst und Oldtimer aufgebaut, das sie ihren vermögenden Kunden zur Verfügung stellt.

Auch Kai Neugebauer, der das Team Family Office und Vermögenscontrolling der Spudy Family Office GmbH leitet, stellt deutlich mehr Nachfrage nach Sachwerten infolge der EZB-Politik bei seinen vermögenden Kunden fest: „Wohlhabende Anleger ziehen Teile ihrer Vermögen aus herkömmlichen Geldanlagen ab und fragen vermehrt Luxusgüter nach. Auch Inflationsängste lassen zusätzlich das Interesse an Sachwerten steigen.“

Gerade wegen teils überhitzter Preise kann es deshalb passieren, dass man auf das falsche Pferd setzt und nicht die erhoffte Rendite erwirtschaftet. „Sachwerte ersetzen nicht das risikofreie Sparbuch. Solche Anlagen bringen weder Dividenden noch Zinsen und bergen gerade für Nichtkenner signifikante Risiken, da die Märkte in der Regel wenig transparent und relativ illiquide sind“, sagt Neugebauer. Der Liebhaber ist deshalb klar im Vorteil. Institutionelle Anleger suchen deshalb gezielt nach Szenekennern.

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