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Der Umgang mit ESG im M&A-Prozess

Foto: © Vitalii Vodolazskyi_AdobeStock

ESG ist aus der heutigen Wirtschafts- und Finanzwelt nicht mehr wegzudenken: Kreditvergaben werden an ESG-Ratings gebunden, Risikobewertungen entsprechend angepasst. Auch im M&A-Markt spielen sie eine zunehmend zentrale Rolle. Doch wie können Unternehmen sicherstellen, auf jeder M&A-Prozessebene optimal mit der ESG-Thematik umzugehen?

Um Unternehmen bei der Bewäl­tigung genau dieser Herausforderung zu unterstützen, hat Helbling Business Advisors die Relevanz von ESG im M&A-Prozesszyklus beleuchtet und dabei drei relevante Ansatzpunkte definiert. Auf drei Ebenen, den drei Ps der nachhaltigen M&A, gilt es für Unternehmen, bestimmte Entscheidungen zu treffen beziehungs­weise Handlungen durchzuführen: An die Portfolioebene, welche die strategische Portfolioplanung umfasst, schließt die Prozessebene an, auf der die Prüfung der ESG-Konformität während der Transaktionsumsetzung erfolgt. Die Preisebene umfasst schließlich die Bewer­tung des Zielunternehmens unter Berücksichtigung des ermittelten ESG-Scores.

Portfolio: Erzielung strategischer ESG-Ziele

Auf der Portfolioebene steht die Portfolioplanung im Mittelpunkt und damit die Unternehmensstrategie, der Ursprung einer jeden Kauf- oder Verkaufs­entscheidung. Folglich setzt die erste Ebene bereits vor dem eigentlichen M&A-Prozess an. Konkret müssen Unter­nehmen hierbei ihre Portfolio-, Geschäfts­feld- beziehungsweise Produktstrategie erarbeiten und über Wachstum oder Abbau entscheiden. Das Portfolio kann dabei verschiedene Formen annehmen. Bei mittleren bis größeren mittelständischen Unternehmen geht es in der Regel um das klassische ­Beteiligungsportfolio. Hier ist häufig eine Holding- beziehungs­­weise Konzernstruktur vorzufinden, wobei die verschiedenen Geschäfts­bereiche in sogenannten Legal Entities – eigenständigen und voneinander getrenn­ten Unternehmen – organisiert sind. Das Portfolio kann aber ebenso einzelne Produktbereiche eines Unternehmens betreffen, die strategisch zum Verkauf gebracht werden können.

Das Portfolio ist der Ausgangspunkt für die ESG-Strategie eines Unternehmens. Zunächst muss analysiert werden, wie hoch die ESG-Konformität des Unternehmens derzeit ist und welche Zielkonformität angestrebt wird. An­schlie­ßend gilt es zu klären, wie realistisch dieses Ziel ist und wie es konkret erreicht werden kann. Hierbei stehen Unternehmen mehrere Optionen zur Verfügung.

So kann ESG-Konformität zugekauft werden, aber auch mangelnde ESG-­Konformität mit einer Entity oder einem Produktbereich verkauft werden. Zudem kann die ESG-Portfoliobewertung durch eine sogenannte ESG-Arbitrage erhöht werden. Hierbei erwirbt ein weitgehend ESG-konformes Unternehmen ein weniger ESG-konformes oder dessen Assets. Die ESG-Konformität des gekauf­ten Objekts wird nun durch die Integration in das Käuferunternehmen unmittelbar erhöht, beispielsweise mit dem Ersetzen der weniger ESG-konformen Fertigungs- und Produktionsprozesse des gekauften Objekts durch die eigenen, ESG-konformeren.

Prozess: ESG in der M&A-Umsetzung

Die zweite Ebene ist der M&A-Prozess selbst. Bei einem Verkauf gilt es, die Chancen herauszustellen, welche die ESG-Konformität des Unternehmens für den Käufer bietet, sowie das aus dem Konformitätsniveau resultierende Trans­aktions- und Bewertungsrisiko zu minimieren. Letztere können sich im Prozessabschluss auf zwei Weisen negativ auswirken: in Form eines verringerten Kaufpreises oder in Form rechtlicher Freistellungen und Garantien für den Käu­fer. Deshalb ist es während dieser Phase essenziell, den ESG-Status des Unterneh­mens in der Equity Story und damit in der Verkaufsdokumentation zu berücksichtigen – insbesondere in Bezug auf die aus der ESG-Konformität resultierenden Alleinstellungsmerkmale. Auch für Unternehmen, die in ihrer ESG-Entwicklung in Rückstand geraten sind, ist es wichtig, ihre bestehende ESG-Konformität bestmöglich zu verkaufen.

Um die obigen Empfehlungen optimal realisieren zu können, sollten Unternehmen zunächst eine gründliche ESG-Konformitätsprüfung analog zu ­einer ESG Due Diligence durchführen. Die wesentlichen Prüfkriterien basieren dabei auf dem Global Reporting Ini­tiative Standard (GRI), einem Anbieter von Richtlinien für die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Beispielhafte Kriterien für die drei Teilaspekte sind Emissionen, Arbeitssicherheit und steuerliche Transparenz. Auf Basis dieser Analyse lässt sich über bestimmte Branchenkenntnisse ein ESG-Score ermitteln, der im Vergleich zu der Peergroup einer Industrie steht. Je höher dabei der Score, desto höher die Konformität mit den Richtlinien. In einem weiteren Schritt kann das Ergebnis der Konformitätsprüfung in ein finanzielles Risiko übersetzt werden. Dies wird durch die Kombination der GRI-Kriterien mit den Stan­dards des Sustainability Accounting Stan­dards Board (SASB) ermöglicht. Das SASB bietet dazu eine sogenannte Materiality Map, die in über 70 Industrien unterteilt die Nachhaltigkeitsfaktoren darstellt, die sich entscheidend auf die Finanzlage oder die Betriebsleistung eines Unternehmens auswirken.

Preis: Einfluss von ESG auf den Kaufpreis

Auf der dritten Ebene gilt es nun, den zuvor ermittelten ESG-Score in einen konkreten Kaufpreis zu übersetzen. Ausgehend von der Unternehmens­bewertung wird errechnet, welchen Ein­fluss ein gewisser Grad an ESG-Konformität auf den Kaufpreis hat. Hierzu existieren verschiedene Ansätze. Mittels eines Bewertungsfaktors, der vom ESG-­Score abgeleitet werden kann, lässt sich eine erwartete Kaufpreisanpassung berechnen. Auch hier gibt es wiederum verschiedene bewährte Wege, mögliche Anpassungen, die potenziell jährlich durchgeführt werden können, zu identifizieren.

Die Bewertung des M&A-Targets führt schließlich auch zu einer Neubewertung des Gesamtportfolios. Damit hat das Thema ESG im Rahmen von M&A-­Transaktionen eine deutliche Auswirkung auf die strategische Bewertung und damit den Return von Investoren. Da auch die Ratings seitens der Banken für die Vergabe von Fremdkapital an Unternehmen mittlerweile ESG als Kriterium beinhalten, ist es umso wichtiger, die Unternehmensbewertungen diesbezüglich zu ergänzen.

FAZIT

Der Trend ist eindeutig: Mit dem European Green Deal wird die Bedeutung von ESG stetig ansteigen, auch für den M&A-Markt. Die drei Ps für nachhaltige M&A sollen Unternehmen dabei helfen, in M&A-Prozessen richtig mit ESG umzugehen. Erstens braucht es eine ESG-­Portfoliostrategie, zweitens sollten Unter­nehmen eine detaillierte ESG-Konformi­tätsprüfung durchführen, um die Equity Story um ESG-bedingte Alleinstellungsmerkmale ergänzen zu können, und drittens müssen Unternehmen den Einfluss des ESG-Scores auf Kaufpreis und Gesamtportfolio­bewertung berechnen.

Dieser Beitrag ist in der Magazinausgabe der Unternehmeredition 3/2022 erschienen.

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