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Zwischen Wachstum und Unabhängigkeit

Die Wirtschaftskrise scheint überwunden, die Prognosen der Ökonomen sind optimistisch, ganz besonders die deutsche Wirtschaft wächst dynamisch: im Jahr 2010 stärker als in jedem Jahr seit der Vereinigung und doppelt so schnell wie der europäische Durchschnitt. Familienunternehmen tragen in hohem Maße zu diesem Wachstum bei – und stellen sich neuen Herausforderungen, die das Wachstum mit sich bringt. Dazu gehört an erster Stelle die Unternehmensfinanzierung, die derzeit einen Wandel vollzieht.

Finanzierung im Umbruch

Nach wie vor ist es zwar die Hausbank, die von den meisten Familienunternehmen als Kreditgeber zuerst angesprochen wird. Trotzdem hat der klassische Bankkredit nicht mehr alleiniges Monopol, nicht zuletzt auch deshalb, weil Kredite nur noch in begrenzterem Umfang oder zu stark verteuerten Konditionen zur Verfügung stehen. Der Grund: Die für die Banken geltende Regelung “Basel III” fordert eine höhere Eigenkapitalbasis zur Verbesserung der Risikoabdeckung, was zu einer Verknappung und einer Verteuerung der Kredite führen wird. Ein weiterer Punkt beschäftigt eine Reihe von Familienunternehmen und Investoren, nämlich der Refinanzierungsbedarf, der auf die Unternehmen zukommt, die in den Jahren 2004 bis 2008 Mezzanine-Finanzierungen in Anspruch genommen haben. Die ersten laufen im Jahr 2011 aus. Insgesamt handelt sich hier um ein Volumen von rund 5 Mrd. EUR, die bis 2014 fällig werden.

Unabhängigkeit ist oberstes Gebot

Familienunternehmen zeichnen sich durch eine hohe Übereinstimmung von Familien- und Unternehmenszielen aus, was sich auch in einer eher konservativen Finanzierungsstruktur niederschlägt. Hier die Balance zu finden zwischen Unabhängigkeit und Wachstum, ist ein große Herausforderung für Familienunternehmen. Das ist sicher einer der Hauptgründe, warum der Börsengang von vielen Familienunternehmen nur vereinzelt in Erwägung gezogen wird, da er mit einer Einschränkung der Unabhängigkeit verbunden wird und ein Mitspracherecht externer Parteien mit sich bringt. In der Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Finanzierungslösung spiegeln sich auch die besonderen Charakteristika von Familienunternehmen wider, das gilt für ihre Langfristorientierung und ihre Risikoaversion. Unter Berücksichtigung dieser Überlegungen bietet der Kapitalmarkt Finanzierungsalternativen, die von den Familienunternehmen auch zunehmend wahrgenommen und in Erwägung gezogen werden.

Transparenz, Reporting, Rechnungslegung

Eine Finanzierung über den Kapitalmarkt ist allerdings an eine Reihe von Bedingungen geknüpft: Neben der ausgewogenen Relation von Unternehmensgröße zu eingeworbenem Kapital müssen Familienunternehmen weitere Kriterien erfüllen, um eine Kapitalmarktfinanzierung zu realisieren, angefangen bei der Transparenz, dem Reporting und der Erfüllung von gesetzlichen Anforderungen bis hin zu Vorschriften bzgl. der Rechnungslegung. Damit verbunden ist immer ein zeitlicher Aufwand, der von vielen Unternehmen unterschätzt wird, aber auch ein Mehr an Professionalisierung in der Unternehmenssteuerung. So berichten viele, dass alleine der Aufbau von Know-how im Rahmen der Vorbereitung einer kapitalmarktnahen Finanzierung positiv ist. Die Kehrseite der Medaille: Wer sich einmal auf das “Parkett” begeben hat, kann sich nicht mehr so schnell entfernen. Das Unternehmen wird visibel – für die Konkurrenz, die Kunden und die Mitarbeiter.

Anleihe und Schuldscheine kommen Familienunternehmen entgegen

Generell sind die meisten Familienunternehmen zur Finanzierung des operativen Geschäfts nicht auf eine Kapitalmarktfinanzierung angewiesen. Dieser Schritt wird meistens erst im Fall einer Wachstumsfinanzierung angestrebt. Wie eine aktuelle Studie der Stiftung Familienunternehmen und des Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmens PwC zeigt, bevorzugen Familienunternehmen die Aufnahme von Schuldscheindarlehen und Anleihen. Schuldscheindarlehen weisen einige Charakteristika auf, die Familienunternehmen durchaus entgegenkommen, nämlich einen weitgehend bekannten Investorenkreis, eine relativ geringe Vorbereitungszeit, eine schlanke Dokumentation und relativ geringe Anforderungen an die Rechnungslegung und die Publizität. Eine intensivere Nutzung von Anleihen ist vor allem bei den sehr großen Familienunternehmen wahrscheinlich. Aber auch mittelgroße Unternehmen könnten von der Entwicklung der Segmente für Mittelstandsanleihen profitieren. Nach wie vor skeptisch stehen laut der Studie Familienunternehmen einem Börsengang gegenüber. Mezzanine-Finanzierung ist aufgrund der relativ hohen Kapitalkosten und der eingeschränkten Verfügbarkeit derzeit keine alternative Finanzierungsquelle, und auch die Beteiligungen von Private Equity werden von den meisten nach wie vor abgelehnt. Mit Ausnahme von Minderheitsbeteiligungen ist die Bereitschaft, einen angelsächsisch geprägten Investor ins Unternehmen zu nehmen, bei den meisten Familienunternehmen gering.

Fazit
Es gibt kein Patentrezept dafür, wie sich Familienunternehmen finanzieren und welche konkreten Wege sie beschreiten sollen. Für die Entscheidung spielen nicht nur die strategischen Unternehmensziele, sondern auch die in der Familie praktizierten Wertvorstellungen eine entscheidende Rolle. Darüber hinaus darf nicht vergessen werden, dass es am Kapitalmarkt und seinen Akteuren liegt, verloren gegangenes Vertrauen wieder aufzubauen.


Zur Person
Stefan Heidbreder ist Geschäftsführer der unabhängigen Stiftung Familienunternehmen. Die gemeinnützige Stiftung verfolgt satzungsgemäß drei wesentliche Ziele: Die Förderung des Austauschs von Familienunternehmern, die Unterstützung von Forschungsaktivitäten und -institutionen sowie die Verbesserung der Wahrnehmung und Akzeptanz der Familienunternehmen in Politik und Öffentlichkeit. www.familienunternehmen.de

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