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Work-Life-Balance in der Praxis

Die Dexina GmbH ist vor neun Jahren als Beratungsunternehmen mit Fokus auf Personalmanagement und IT-Dienstleistungen gestartet. Vor zwei Jahren hat sich das Geschäftsmodell gedreht. Seither steht die Vermittlung von Work-Life-Balance, von selbst entwickelten „Arbeitswelten“ im Vordergrund. 

Das junge Beratungsunternehmen wuchs schnell, und nach kurzer Zeit wurde der Raum knapp. Mit finanzieller Unterstützung der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft MBG Baden-Württemberg sollte ein Neubau entstehen, in dem alle Platz haben. Bei der Planung ging es Unternehmenschef Heiner Scholz auch darum, ein Umfeld zu schaffen, indem sich jeder Einzelne bestmöglich entfalten kann. Mit der Gestaltung der Räume entwarf er eine eigene Arbeitsphilosophie und entwickelte daraus nach und nach ein neues Geschäftsmodell: Live@Work, also Leben bei der Arbeit. Life-Work-Balance steht im Vordergrund. Die Mitarbeiter im neuen Haus in Böblingen leben es vor und entwickeln es weiter. „Arbeit und Leben sind nicht trennbar. Der Mensch muss sein Leben balancieren zwischen Arbeit und Familie, Freunden. Aus dieser Perspektive haben wir eine neue Arbeitswelt gebaut“, sagt Scholz.

Neues Geschäftsfeld entdeckt

Das neue Geschäftsfeld drängt die bisherigen Beratungsaktivitäten schnell an die Seite. Mit „Live@Work“ macht Dexina im zweiten Jahr schon 40 Prozent des Umsatzes. „Wir entwickeln gerade einen ganz eigenen Markt“, sagt Scholz. Das Interesse an solch neuen Formen des Arbeitens sei groß. Mehr als 1.000 Geschäftsführer seien in den vergangenen zwei Jahren schon bei Dexina gewesen, um sich die dort gelebte Arbeitswelt anzusehen. Das zeigt auch, dass es nicht nur junge Unternehmen sind, die über alternative Arbeits- und Führungsformen nachdenken. Zielgruppe für das Live@Work-Produkt sind für Scholz Unternehmen ab 30 Mio. Euro Umsatz, die Life-Work-Balance in die Praxis umsetzen wollen. Es können aber auch Großkonzerne sein, die beispielsweise in Entwicklungsabteilungen wieder eine Start-up-Kultur etablieren möchten.

Was ist anders? Im normalen Arbeitsleben gibt es bei besonderen Leistungen Prämien und Boni. Bei Dexina gibt es eine Überraschung. Das funktioniert so: Ein Mitarbeiter hat einen besonderen Erfolg verzeichnet. Einem Kollegen fällt das auf. Der sucht nun noch drei weitere Kollegen, denen das Verdienst auch aufgefallen ist. Dann bekommt der erfolgreiche Mitarbeiter einen lange gehegten Wunsch erfüllt, beispielsweise einen Hubschrauberrundflug. Derzeit ist Scholz dabei, weitere solche Erlebniskomponenten für das Gehaltsmodell zu entwickeln. Noch ein Beispiel: Im normalen Arbeitsleben gibt es einen Überstundenausgleich. Bei Dexina gibt es pro Jahr zwölf bezahlte Ausgleichstage, die der Mitarbeiter nehmen kann, wann er will und wenn er meint, er brauche sie. Der Mitarbeiter soll selbst entscheiden, ob er einen Tag Erholung, etwa nach einem anstrengenden Projekt nötig hat oder nicht.   Die Dexina GmbH ist vor neun Jahren als Beratungsunternehmen mit Fokus auf Personalmanagement und IT-Dienstleistungen gestartet. Vor zwei Jahren hat sich das Geschäftsmodell gedreht. Seither steht die Vermittlung von Work-Life-Balance, von selbst entwickelten „Arbeitswelten“ im Vordergrund. 

Einige Ergebnisse sind messbar. Die neue Arbeitsweise ermöglicht beispielsweise eine bessere Flächennutzung. 90 Prozent der Bürofläche wird genutzt, 20 Prozent mehr als üblicherweise. Das liegt unter anderem daran, dass sich jeder Mitarbeiter aussuchen kann, wo und wann er arbeitet, ob zu Hause, unterwegs oder im Büro. „Von den Mitarbeitern sind in der Regel selten mehr als 30 zu gleichen Zeit im Büro“, sagt Scholz. Auch der Verzicht auf feste Arbeitsplätze hilft dabei, die Flexibilität in den Räumen zu erhöhen. Messbar ist auch der Rückgang des Krankenstandes. Er beträgt mittlerweile zwei Prozent, 28 Prozent weniger als früher. Im Bundesdurchschnitt liegt er nahe sechs Prozent.

Work-Life-Balance nicht für jedermann

Kinder bei der Arbeit: Für Dexina Teil der Work-Life-Balance. (© Dexina GmbH)

Nicht alle Mitarbeiter haben den Schwenk von einem Beratungsunternehmen mitgemacht, das seriös und professionell daherkommt und dessen Mitarbeiter im dunklen Anzug oder Kostüm erscheinen, zu einem Dienstleister, der viel Wert auf Emotionalität legt. „Als wir anders wurden, haben sich viele Mitarbeiter gegen die Dexina entschieden, andere haben sich gerade deshalb für uns entschieden“, sagt Scholz.

Die MBG ist einer der wesentlichen Finanzierer der „neuen Dexina“ gewesen. „Ein solides und nachvollziehbares Geschäftsmodell und eine dahinterstehende solide Geschäftsführung sind uns wichtige Kriterien, wenn wir uns mit mezzaninem Kapital in Form einer stillen Beteiligung engagieren. Dexina entsprach diesen Kriterien voll und ganz“, sagt Geschäftsführer Guy Selbherr. Die öffentlich geförderte Beteiligungsgesellschaft stellt branchenunabhängig Unternehmen bis zu zehn Jahren Beträge zwischen einer und 2,5 Mio. Euro zur Verfügung. Beteiligungskapital in Form von stillen Beteiligungen. Die haben den Vorteil, quasi Eigenkapital zu sein, ohne dass damit Stimmrechte verbunden sind. „Die Dexina war zum Zeitpunkt der Beteiligung in einer Wachstumsphase. Es ging seinerzeit um neue Räumlichkeiten, die Umsetzung der eigenen Firmenphilosophie und die Etablierung eines neuen Geschäftsmodells daraus.“ Selbherr kann sich gut vorstellen, dass das alternative Arbeitskonzept bei der Dexina auch gut in andere, schon etablierte Unternehmen passen könnte.

Kurzprofil Dexina GmbH

 Gründungsjahr 2006
 Branche Unternehmensberatung
 Unternehmenssitz  Böblingen
 Umsatz 2014  ca. zehn Mio. Euro
 Mitarbeiterzahl 64

www.dexina.de

Die Dexina GmbH ist vor neun Jahren als Beratungsunternehmen mit Fokus auf Personalmanagement und IT-Dienstleistungen gestartet. Vor zwei Jahren hat sich das Geschäftsmodell gedreht. Seither steht die Vermittlung von Work-Life-Balance, von selbst entwickelten „Arbeitswelten“ im Vordergrund. 

„Sinn und Balance sind unseren Mitarbeitern wichtiger als Gehalt“

Interview mit Heiner Scholz, Geschäftsführender Gesellschafter der Dexina GmbH

(© Privat)

Unternehmeredition: Wie muss man sich die Arbeitswelt bei der Dexina in Böblingen vorstellen?
Scholz:
Wer bei uns hereinkommt, der sieht vielleicht Kinder herumlaufen. Menschen sitzen auf der Treppe und diskutieren. In der Küche wird am Herd gekocht. Mitarbeiter schreiben ihre Gedanken an die Wände. Wer weitergeht, sieht Rückzugsorte, sieht Menschen auf der Dachterrasse in einem Strandkorb mit dem Laptop arbeiten.

Verdienen die Mitarbeiter auch in der neuen Arbeitswelt das Branchenübliche?
Wir bezahlen zwar über Tarif, aber als mittelständisches Unternehmen natürlich nicht so viel wie etwa McKinsey. Darauf kommt es den Mitarbeitern aber nicht an. Sinn und Balance sind unseren Mitarbeitern wichtiger als das Gehalt. Keiner kommt, weil er Karriere machen will. Das Grundmotiv ist nicht Geld, sondern Verwirklichung und dabei zu sein, etwas Besonderes und Sinnvolles zu erschaffen.

Was passiert, wenn ein Mitarbeiter das in ihn gesteckte Vertrauen missbraucht?
Mir fällt niemand ein, der das Vertrauen missbraucht. Sollte so ein Fall einmal vorkommen, wird sich das Problem sehr schnell innerhalb der Kollegen regeln.

Wie lösen Sie Konflikte?
In einem hierarchischen Modell muss die Führungskraft Konflikte lösen. Bei uns sorgt der Raum, unser Umfeld, dafür, dass Konflikte gelöst werden.

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