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In guten wie in schlechten Zeiten

Zu Beginn werden Wachstumsmärkte mit hervorragenden Wachstumschancen verbunden. Doch sind vor allem nicht reife Märkte volatil. Wer sich langfristig engagiert, muss sich darauf einstellen, dass es auch mal bergab geht. Was man tun kann, wenn die Krise richtig zuschlägt.

Sind die Aussichten in Zeiten des Wirtschaftsaufschwungs gut, wagen viele Unternehmen ein Auslandsinvestment. Anfangs ist die Begeisterung am Heimatstandort über das Marktpotenzial meist groß. Häufig stehen Gesellschaften jedoch bald vor Herausforderungen, die vor allem außerhalb der EU eine große Komplexität mitbringen:

Selbst wenn es eine Zeit lang gut läuft, gibt es erfahrungsgemäß auch Schwächephasen. Viele junge Wachstumsmärkte drehen schnell und legen den Rückwärtsgang ein. Plötzlich wird aus einer profitabel wachsenden Auslandstochter ein Sorgenkind. Nicht nur Cash wird dann verbrannt, sondern auch viele Management-Kapazitäten gebunden, um die Krise zu meistern.


“Viele junge Wachstumsmärkte drehen schnell und legen den Rückwärtsgang ein.”

Wolfgang Doerfler, Partner der EIM Executive Interim Management GmbH


Kein Land für Anfänger

Brasilien ist Deutschlands wichtigster Wirtschaftspartner in Lateinamerika. Rund 1400 deutsche Unternehmen sind vor Ort aktiv und haben 24 Mrd. US-Dollar im Land investiert. 2015 schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt um 3,8 Prozent, für 2016 wird ein weiterer Rückgang in Höhe von 3,5 Prozent prognostiziert. Doch sehen Experten für das Jahr 2017 einen Silberstreifen am Horizont: Dann soll es ein Wachstum von 0,5 Prozent geben. Ausländische Investoren pumpen mittlerweile wieder so viel Geld in den Markt, wie in den Boomzeiten vor einer Dekade. Die ausländischen Direktinvestitionen haben im ersten Quartal um 80 Prozent gegenüber dem Vorjahr zugelegt. Infolge der Krise sind die Unternehmen des Landes billiger geworden und bieten sich als Übernahmeziele an.

Doch ist Vorsicht geboten: Ein Zitat des brasilianischen Komponisten Antonio Carlos Jobim trifft es ziemlich genau: „Brasilien ist kein Land für Anfänger.“ Nur wer die Kultur, die infrastrukturellen Lücken, das komplizierte Rechtssystem, die fehlende Transparenz bei Genehmigungen und die Steuersysteme kennt, wird erfolgreich sein. Leider unterbindet auch die weit verbreitete Korruption ein einfaches Geschäftsklima.

Zu Beginn werden Wachstumsmärkte mit hervorragenden Wachstumschancen verbunden. Doch sind vor allem nicht reife Märkte volatil. Wer sich langfristig engagiert, muss sich darauf einstellen, dass es auch mal bergab geht. Was man tun kann, wenn die Krise richtig zuschlägt.

Schlägt die Krise mit voller Wucht zu, gilt es schnell zu handeln. Meist ist der Exit keine Option. Zum einen ist es eine Frage der Zeit, wann sich die Marktlage wieder bessert. Zum anderen ist es in Brasilien sehr teuer, aufwendig und langwierig, eine Auslandsgesellschaft zu schließen.

Vor allem als deutscher Mittelständler muss man aus der Ferne vertrauen, dass das lokale Management oder auch die entsandten Expatriates Fähigkeiten und Erfahrungen haben, auch durch eine Krise zu steuern.

Überlebenskunst in Brasilien

Ein Familienunternehmen mit einer Produktionsstätte in Brasilien ist in eine Schieflage geraten. Das lokale Management, der Geschäftsführer ist von der deutschen Zentrale entsandt, muss schnell die Verlustsituation in den Griff bekommen. Es holt einen Interim Manager mit Erfahrung in Brasilien an Bord. Dieser erarbeitet die kurzfristigen Ziele. Er analysiert die Situation, generiert Cash und verhandelt die Lieferantenkredite neu, um die Versorgung mit Rohmaterialien und Dienstleistungen zu gewährleisten. Schnell leitet er entsprechende Aktionen ein. Vor allem dort, wo eine entsprechende Detailgenauigkeit geboten ist. Etwa, wenn es um die Kostenreduktion und die genaue Überprüfung aller Dienstleistungskontrakte geht. Er reduziert das Produktportfolio signifikant nach Margenkriterien. Zudem reduziert er Bestände und die Forderungsreichweite von 60 auf 15 Tage.

Was in Brasilien erschwerend hinzukommt, ist das Wechselkursrisiko: Während der Restrukturierung traf das Unternehmen auch noch eine massive Abwertung der brasilianischen Währung um 34 Prozent. Dies war besonders kritisch, da 70 Prozent der zu verarbeitenden Ware importiert wurde. Mit Hochdruck arbeitete das Unternehmen fortan verstärkt mit lokalen Zulieferern. Um weitere Währungsrisiken zu senken, wurden Lieferantenverträge über längere Zeiträume neu verhandelt. Bewusst wurden Exporte angekurbelt, um auch damit ein gewisses Hedging zu betreiben.

Als ein sinnvolles Instrument hat sich auch das „Cash Committee“ erwiesen, das täglich über die Verwendung der verfügbaren Barmittel entscheidet. Das Unternehmen führte Verhandlungen mit Banken, aber auch den Behörden, um Stundungen für Kredite, Gebühren, Abgaben und Steuern zu erhalten. Hier sind gute Kenntnisse und Beziehungen zu den verschiedenen Institutionen erforderlich.

Zu Beginn werden Wachstumsmärkte mit hervorragenden Wachstumschancen verbunden. Doch sind vor allem nicht reife Märkte volatil. Wer sich langfristig engagiert, muss sich darauf einstellen, dass es auch mal bergab geht. Was man tun kann, wenn die Krise richtig zuschlägt.

Fazit

In einer Krise ist die Auswahl und Unterstützung des Führungsteams essenziell. Hier ist lokale Expertise gefragt. Die Volatilität der Wachstumsmärkte ist bei brasilianischen Managern stärker verankert und kann im Zusammenspiel mit lokalem und dem deutschen Management schnell zu stärkerem Vertrauen führen. Wichtig ist, dass sämtliche Geschäfte kontrolliert werden, noch enger und zeitnaher als sonst, da jeder Parameter eine signifikante Auswirkung haben kann.

Führungskräfte mit internationalem, interkulturellem Verständnis und hoher Umsetzungskompetenz sind ein entscheidender Erfolgsfaktor bei der erfolgreichen Internationalisierung. Diese müssen sowohl in guten als auch in schlechten Zeiten das Unternehmen führen können. Nicht immer ist beides vorhanden. Fehlt es an lokaler Erfahrung und Wissen, kann ein temporärer Lotse an Bord geholt werden, der für die Zentrale im Heimatland und mit dem Management vor Ort mit seiner Erfahrung durch die Krise hindurchsteuert.

 Wachstumsmärkte und ihre Herausforderungen für Unternehmen


Zur Person

Wolfgang Doerfler ist Partner der EIM Executive Interim Management GmbH, eines weltweit führenden Unternehmens in der Bereitstellung von interimistischen und permanenten Managementlösungen. Er verfügt über langjährige internationale Managementerfahrung in Finanzen, Vertrieb und Geschäftsführung, Aufbau und Leitung von Auslandsniederlassungen.

www.eim.com

 

 

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