Mythos oder Wahrheit?

Die wenigsten zweifeln daran: In Deutschland gibt es einen Fachkräftemangel. Je abgeschiedener der Firmensitz, je unbekannter der Name, desto schwieriger ist es für Unternehmen, sich das beste Personal zu angeln. Aber müssen alle Firmen die schlausten Köpfe haben? Mangelt es nicht viel mehr daran, dass Personalabteilungen intelligent arbeiten und das für sie passende Personal finden? Das und andere Themen behandelt die Ausgabe Personal der Unternehmeredition.

Viele deutsche Familienunternehmen sind nicht deshalb so erfolgreich, weil sie die klügsten Leute rekrutierten, sondern weil sie Nachwuchs fanden, der die Sprache des Unternehmens und die der Menschen aus der Region spricht. Wenig spräche etwa gegen zweitbeste Bewerber, die von einem vermeintlichen Top-Unternehmen eine Absage bekommen haben. Zudem könnten Unternehmen deutlich mehr ältere Mitarbeiter, die von Großkonzernen in den Ruhestand geschickt wurden, einstellen. Das macht etwa der Ingenieurdienstleister Fahrion. Explizit setzt er auf Mitarbeiter, die älter als 50 Jahre alt sind. Sie haben Erfahrung und kommen trotz des höheren Lebensalters häufig auf eine längere Betriebszugehörigkeit als Jüngere, die häufiger wechseln. Zudem sind sie in einer Lebensphase, in der sie sich auf die Arbeit konzentrieren können und wollen.

Der Personalexperte Prof. Thomas Zwick von der Universität Würzburg ist dagegen sicher: Der große Mangel an Fachpersonal wird ausbleiben. Denn zu bekannt ist das Problem des demografischen Wandels. Und zu viel Zeit ist noch, bis er zur großen Bedrohung wird. Auch er glaubt, dass der Anteil erwerbstätiger Älterer durch gewisse Anreize erhöht werden kann. Außerdem könnten mehr erwerbstätige Frauen das demografische Problem lindern. Eine nachträgliche Ausbildung von Spätstartern könnte zudem vor Arbeitslosigkeit schützen und Arbeitswillige in Lohn bringen.

Vor allem Familienunternehmen und Mittelständler sollten auf die Bedürfnisse der Fachkräfte eingehen. Denn eigenverantwortliches Handeln und die berühmt-berüchtigte Work-Life-Balance haben bei den Kandidaten mittlerweile oberste Priorität – nicht etwa das höchste Gehalt. Dann können auch lokale Unternehmen großen Konzernen den Top-Kandidaten wegschnappen – wenn er es denn unbedingt sein muss.

Tobias Schorr

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