Innovation im Mittelstand

Innovationen sind ein wichtiger Treiber für die unternehmerische und volkswirtschaftliche Entwicklung. Sie verbessern – unabhängig von der jeweiligen Konjunkturphase – die wirtschaftliche Situation eines Unternehmens, fördern die Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit und steigern das Wachstum. Deutsche Mittelständler gehören zu den innovativsten Unternehmen der Welt. Rund 1.500 deutsche, oftmals familiengeführte mittelständische Betriebe sind Weltmarktführer in Nischenmärkten. Diese sogenannten Hidden Champions bieten in ihren Märkten hochtechnologische Produkte und Dienstleistungen an. Ein maßgeblicher Treiber ihres Erfolgs und Kennzeichen ihrer Weltmarktführerschaft ist ihre Innovationsfreude und Innovationskraft. Für die gesamte Wirtschaft ist es wichtig, diese Innovationsfähigkeit langfristig sicherzustellen.

Dennoch wird der Innovationswille mittelständischer Unternehmen immer wieder gebremst. Die Hauptgründe: Hohe Kosten für Forschung und Entwicklung (F&E), das teils enorme wirtschaftliche Risiko von Innovationen und finanzielle Restriktionen. Das bestätigt eine PwC-Umfrage unter 200 Mittelständlern zum Thema „Innovation und Mittelstand“. Dies verwundert kaum, schließlich ist die Entwicklung von etwas Neuem ein langwieriger und kostspieliger Prozess, und gerade kleinere mittelständische Betriebe haben oftmals Probleme, eine Finanzierung für ihre Innovationen zu finden. Erschwerend kommt hinzu, dass in familiengeführten Unternehmen die Firma meist den Hauptbestandteil des Gesamtvermögens darstellt. Gescheiterte Innovationen können daher die langfristige Sicherung des Unternehmens und damit das Lebenswerk von Generationen gefährden. Doch Innovationen scheitern nicht nur am Geld: Für ein Drittel aller befragten Mittelständler und sogar rund die Hälfte der Handelsunternehmen ist der fehlende „Innovationswille“ der Mitarbeiter ein großer Bremsklotz. Diese mangelnde Innovationsfreude dürfte vor allem darauf zurückzuführen sein, dass in Handelsunternehmen typische Prozessinnovationen wie die Einführung von Selbstbedienungskassen oder verlängerte Öffnungszeiten oftmals mit großen Umwälzungen der Arbeitsweise einhergehen. Dieser Art der Veränderung stehen Mitarbeitende typischerweise kritisch gegenüber, sodass sie sich weniger engagiert für Innovationen einsetzen.

Gleichzeitig beklagen Mittelständler, dass sie immer schwerer Fachkräfte finden. So bestätigt knapp ein Drittel der Befragten, dass sie nicht genügend F&E-Fachkräfte für ihren Innovationsprozess haben. Zudem mangelt es ihnen an Nachwuchskräften: Bei mehr als der Hälfte der mittelständischen Betriebe bewerben sich nicht genügend gut ausgebildete Studentinnen und Studenten. Bei gut 40% macht sich der Fachkräftemangel sogar schon heute negativ bemerkbar. Besonders betroffen sind Industrieunternehmen, in denen Innovationen häufig ein hohes Maß an technologischem Know-how erfordern. Dieses Problem wird sich vor dem Hintergrund des demografischen Wandels weiter verschärfen. Vor allem kurz- und mittelfristig dürfte sich dagegen der erschwerte Kapitalzugang bemerkbar machen. Dafür sorgen die aktuellen Unsicherheiten durch die Schuldenkrise und die strengeren Eigenkapitalauflagen der Banken im Zuge von Basel III.

Mit geballter Kraft Innovationsbarrieren überwinden
Mittelständler wissen um die Bedeutung von Innovationen für ihre Zukunftsfähigkeit und Wachstum und bekämpfen die Innovationsbarrieren aktiv: Um Kosten zu senken und das Risiko gescheiterter Innovationen zu streuen, setzen 46% der befragten Unternehmen auf Forschungs- und Entwicklungskooperationen, ein Drittel lagert F&E-Aufträge aus: Während knapp die Hälfte der befragten Industrieunternehmen F&E-Aufträge an Forschungseinrichtungen, Hochschulen oder erwerbswirtschaftliche Anbieter fremd vergibt, sind es nur 14% der Handelsunternehmen und 23% der Dienstleistungsunternehmen. Dies liegt vor allem daran, dass gerade die industrielle Forschung mit großem Risiko verbunden ist und Unternehmen durch den Zugriff auf externes Know-how profitieren können. Zudem sind Industrieunternehmen schon heute verstärkt vom Fachkräftemangel betroffen und versuchen, diesen mit externer Hilfe zu umgehen.

Beteiligungskapital hat schweren Stand
Um leichter an Kapital zu kommen, könnten Mittelständler auch auf externes Beteiligungskapital zurückgreifen. Doch ein Großteil der Mittelständler schreckt vor dem Engagement eines Finanzinvestors zurück: Nur 20% der Befragten können sich eine Private-Equity-Beteiligung zur Wachstumsfinanzierung vorstellen, 80% lehnen dies ab. Dies zeigt einmal mehr, dass Deutschland von einer ausgeprägten Kultur der Beteiligungsfinanzierung noch weit entfernt ist. Ganz anders ist dies in den USA, wo die Wagnisfinanzierung große gesamtwirtschaftliche Bedeutung besitzt und nachhaltig Innovationen durch kleine Unternehmen fördert.

Fachkräftemangel nicht untätig zusehen
Gegen den drohenden Fachkräftemangel und um qualifizierte Mitarbeitende im Unternehmen zu halten, bieten rund 28% der befragten Betriebe Spezialistenlaufbahnen an. Zudem setzt knapp jedes fünfte Unternehmen auf internationale Karrierechancen zur Mitarbeiterbindung. Gleichzeitig versuchen 63% der befragten Firmen, Studenten über Praktika während des Studiums und Abschlussarbeiten an ihr Unternehmen zu binden, knapp ein Drittel betreibt aktives Personalrecruiting an Hochschulen, und bereits 155 suchen im Ausland nach Fach- und Forschungspersonal. Dass diese Zahlen nicht höher ausfallen, liegt vor allem daran, dass besonders kleinere Unternehmen mangels finanzieller oder personeller Ressourcen nicht die Möglichkeit haben, ein aktives Personalrecruiting zu betreiben.

Appell an Politik und Wirtschaft
Auch die Politik kann einen Beitrag leisten und mit der steuerlichen Forschungsförderung zumindest finanzielle Anreize setzen, um die Innovationskraft zu stärken. Während in Frankreich nämlich für jeden Euro an Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen eine Steuerentlastung von 43 Cent gewährt wird, werden aufgrund der Abschreibungsbedingungen Investitionen in F&E in Deutschland sogar schlechter behandelt als andere Investitionen. Doch auch der Mittelstand selbst ist gefragt. Vor allem kleine Betriebe sollten ihre Zurückhaltung gegenüber externem Beteiligungskapital überwinden. Schließlich zeigen erfolgreiche Modelle hierzulande und in den USA, dass externes Eigenkapital Wachstum und Innovationen vorantreiben kann. Zum Vorteil aller Beteiligten.

Autorenprofil

Dr. Peter Bartels ist Mitglied des Vorstands und Leiter des Bereichs Familienunternehmen und Mittelstand bei der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC. www.pwc.de

Vorheriger Artikel„Ich gehe mit offenen Augen durch die Welt“
Nächster ArtikelErfolgsfaktor Innovation