„Ein guter Kapitän schaut stets nach vorn“

Innovation ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Unternehmen, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag DIHK vertritt die Interessen der Wirtschaft gegenüber der Politik, auch im Bereich Forschung und Innovation. Im Interview spricht DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann über die Innovationsfähigkeit des deutschen Mittelstandes, das wirtschaftspolitische Umfeld sowie die aktuelle Lage der Innovationsfinanzierung.
Unternehmeredition: Herr Driftmann, wie ist es aktuell um die F&E-Tätigkeit und Innovationsfähigkeit des deutschen Mittelstandes bestellt?
Driftmann: Der deutsche Mittelstand ist gut aufgestellt. Das gilt insbesondere für die Innovationsfähigkeit und den Grad der Internationalisierung. Etwa 120.000 mittelständische Unternehmen hierzulande kann man als innovativ bezeichnen – rund 30.000 betreiben aktiv Forschung und Entwicklung. Diese Dichte und Innovationskraft suchen ihresgleichen. Eine Konsequenz ist, dass die meisten sogenannten „Hidden Champions“, also Unternehmen, die in ihrer Nische zu den Weltmarktführern zählen, aus Deutschland kommen. Natürlich gilt aber auch: Sich auf diesen Lorbeeren auszuruhen, wäre fatal. Die Tatsache, dass schnell wachsende und international agierende Unternehmen beispielsweise aus den Bereichen der Informations-, Kommunikations- oder der Biotechnologie nur sehr selten aus Deutschland kommen, sollte uns eine deutliche Warnung sein.

Unternehmeredition: Wie beurteilen Sie das wirtschaftspolitische Umfeld für Forschung & Entwicklung in Deutschland, insbesondere für den Mittelstand? Wo sehen Sie den stärksten Nachholbedarf?
Driftmann: Wir stehen im internationalen Umfeld gut, aber nicht sehr gut da. Auf der Habenseite ist z.B. die Qualität der Hochschulabsolventen und Wissenschaftler zu nennen. Darüber hinaus verfügen wir in Deutschland mit der industriellen Gemeinschaftsforschung über ein Instrument, das weltweit seinesgleichen sucht. Es ermöglicht rund 50.000 kleinen und mittleren Unternehmen, gemeinsam zu forschen. Auch mit Blick auf die öffentliche Förderung hat sich in den letzten Jahren einiges getan, ich denke hier z.B. an das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand des Bundeswirtschaftsministeriums. Besser werden müssen wir jedoch im Bereich des Wissenstransfers von öffentlich finanzierter Forschung in die Betriebe hinein. So fehlen vielfach noch wirksame Anreize, insbesondere mit mittelständischen Betrieben zu kooperieren.

Unternehmeredition: Welche Vorteile ergeben sich für Mittelständler durch die staatliche Projektförderung privater FuE-Projekte und Verbundforschungsprojekte von Wirtschaft und Wissenschaft? Werden diese ausreichend wahrgenommen?
Driftmann: Die Zusammenarbeit mit Kunden und Lieferanten wie auch mit Forschungseinrichtungen wird für die Betriebe immer wichtiger, um ihre Innovationsaktivitäten voranzubringen. Die Gründe dafür sind vielfältig: die Komplexität von Entwicklungen, die Verteilung des Risikos auf mehrere Akteure, die Erleichterung von Finanzierungen und – insbesondere mit Blick auf Kooperationen mit Forschungsinstituten – der Zugriff auf Spezialisten und Fachkräfte. In der Praxis allerdings ist der Zugang zur öffentlichen Forschung nicht ganz unproblematisch. Aus Sicht vieler Mittelständler mangelt es an Transparenz, welche Forschungseinrichtung auf welchen Gebieten aktiv ist. Und: Noch immer betrachten viele Universitäten den Technologietransfer nicht als eine ihrer Kernaufgaben, insbesondere wenn es um die Zusammenarbeit mit KMU geht. Hier können staatliche Förderprogramme wie die Verbundforschung helfen, Barrieren zu überwinden, z.B. das vom Forschungsministerium aufgelegte „KMU-innovativ“. In den ersten zwei Jahren haben über 1.800 Unternehmen einen Antrag eingereicht. Mehr als ein Drittel der KMU sind dabei „Förderneulinge“. Auch die IHKs leisten bei der Anbahnung von Kontakten zwischen Forschung und Unternehmen auf regionaler Ebene gute Arbeit.

Unternehmeredition: Wie schätzen Sie die aktuelle Lage der Innovationsfinanzierung ein?
Driftmann: Hier müssen wir aufpassen. Innovationsfinanzierungen sind per se risikoreich für die Kapitalgeber. Anstehende Regulierungen wie z.B. Basel III werden die Finanzierungen nochmals erschweren. Das macht mir Sorge, denn gerade in schwierigen Zeiten brauchen wir innovative Unternehmen. Zudem ist die Möglichkeit zur Innovationsfinanzierung über externes Eigenkapital in Deutschland im internationalen Vergleich deutlich unterentwickelt. Dass Deutschland wenig attraktiv als Fondsstandort ist, liegt auch am mangelnden Rechtsrahmen und an nachteiligen Regelungen im Steuerrecht. Insbesondere die restriktive Handhabung des Verlustvortrags macht Investitionen gerade in junge innovative Unternehmen unattraktiv. Eine Modifikation der Rahmenbedingungen in diesem wichtigen Finanzierungsbereich ist unbedingt erforderlich.

Unternehmeredition: Was kann der Mittelstand gegen das Innovationshemmnis Fachkräftemangel tun?
Driftmann: Der Fachkräftemangel trifft KMU oft härter als Großunternehmen. Zahlreiche Betriebe reagieren jedoch mit vielfältigen Aktivitäten auf dieses Problem. Die Unternehmen intensivieren beispielsweise ihre Anstrengungen im Bereich der Ausbildung. So geben sie weniger gut qualifizierten Auszubildenden „Nachhilfeunterricht“. Auch bauen sie ihre Weiterbildungsangebote aus. Um die Attraktivität des Unternehmens für jüngere, hochqualifizierte Ingenieure und Forscher zu erhöhen, verstärken die Unternehmen zudem ihre Anstrengungen für die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Daneben versuchen sie, ihre älteren Arbeitnehmer im Betrieb zu halten. Bei ihren Anstrengungen, Hochqualifizierte für das eigene Unternehmen zu gewinnen, setzen die Betriebe häufig auf eine frühe Bindung an das Unternehmen, z. B. über Werkstudenten, die Vergabe von Masterarbeiten oder vermehrte Auftritte auf Hochschul- und Jobmessen.

Unternehmeredition: Was ist abschließend Ihr wichtigster Rat an mittelständische Unternehmen für den Erhalt und die Stärkung ihrer Innovationsfähigkeit?
Driftmann: Ein guter Kapitän schaut stets nach vorn, behält dabei auch das Schiff im Blick. So erhalten sich Unternehmer ihre Innovationskraft. Sie sind neugierig und suchen stets nach Chancen. Sie wissen aber auch, dass ohne das gut organisierte Tagesgeschäft viel versprechende Ideen zu verpuffen drohen. Ganz wichtig: Innovative Unternehmer nutzen den Ideenreichtum ihrer Mitarbeiter. Es gilt: Köpfe machen Ideen, nicht Maschinen.

Unternehmeredition: Herr Driftmann, vielen Dank für das Interview!

Das Interview führte Markus Hofelich.
markus.hofelich@unternehmeredition.de


Zur Person: Hans Heinrich Driftmann
Der Lebensmittelunternehmer Hans Heinrich Driftmann ist seit März 2009 Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages DIHK. Als Dachorganisation der 80 IHKs vertritt der DIHK die Interessen von rund 3,6 Mio. deutschen Unternehmen gegenüber der Bundespolitik und den europäischen Institutionen. www.dihk.de

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