China auf dem Weg zur Innovationsmaschine

Seit 2009 ist China der wichtigste Absatzmarkt für den deutschen Maschinenbau. Doch das Land will seine Abhängigkeit von ausländischen Technologien weiter reduzieren und in einigen Bereichen Innovationsführer werden. Das spiegelt sich im jüngsten Fünfjahresplan der Chinesen wider. Ziel Chinas ist es, bis 2015 Maschinen nicht mehr nur im unteren Preissegment anzubieten, sondern auch „State of the art“-Technologie zu liefern. Das würde auch den deutschen Maschinenbau treffen.

Starke Verzerrungen auf den Weltmärkten

Auf dem Weg zu diesem neuen Niveau wird China, wie in der Vergangenheit, Überkapazitäten und landesinternen Wettbewerb schaffen, welcher auf den Weltmärkten für starke Verzerrungen sorgen wird. So ist China mittlerweile der größte Hersteller von Werkzeugmaschinen und hat deshalb seine Exportziele auf 4 Mrd. USD für 2015 fixiert. Das ist acht Mal so viel wie im Jahr 2010. Mit einem Umsatz von 563 Mrd. EUR (2011) ist China inzwischen der mit Abstand weltweit größte Maschinenproduzent. Vor fünf Jahren stand China noch auf Platz vier der Rangliste. Auch bei den weltweiten Maschinenexporten nimmt China mit einem Anteil von fast 10% inzwischen den vierten Rang ein.

Geplante Verdoppelung der F&E-Aktivitäten bis 2015

Im Zeitraum bis 2015 wird China seine F&E-Investitionen mehr als verdoppeln. Sieben strategische Bereiche sollen mit 1,2 Billionen EUR gefördert werden, um globale Technologieführerschaft zu erreichen: Umweltfreundliche Fahrzeuge, neue Energiequellen, High-End-Equipment, Energieeffizienz, neue Materialien, Biotechnologie und neue IT. Diese Schlüsselindustrien sollen um jährlich 33% wachsen und so China zur weltweit tragenden Säule machen. Es sollen verstärkt nationale Forschungszentren aufgebaut werden und der Anteil der F&E-Aufwendungen am Bruttoinlandsprodukt in China soll von 1,5 auf 2% steigen. Das sind 2015 rund 215 Mrd. EUR, rund dreimal so viel wie Deutschland heute für Forschung und Entwicklung ausgibt. Die Schlüsselindustrien sollen regional konzentriert werden, zum Beispiel High-End-Equipment in Hunan oder neue Energien in Sichuan. Auch die Investitionen Chinas im Ausland sollen verstärkt werden, wobei Akquisitionen die bevorzugte Methode sind.

Wettbewerbsgleichheit muss gegeben sein

Diese Akquisitionen unserer chinesischen Wettbewerber sorgen in Europa für Furore. Manch kritischer Kommentator befürchtet ja schon den Ausverkauf des deutschen Maschinenbaus. Davon kann natürlich überhaupt keine Rede sein. Genauso wie deutsche Unternehmen sich stark mit Investitionen in Produktion, Entwicklung und Vertrieb in China engagieren, sollten wir nichts dagegen haben, dass sich auch chinesische Unternehmen in Deutschland engagieren. Es muss nur fair zugehen. Wettbewerbsgleichheit muss gegeben sein. So kann es nicht sein, dass einerseits die Zentralregierung Auslandsinvestitionen chinesischer Unternehmen massiv fördert, andererseits aber deutsche Unternehmen bei Engagements in China einschränkt. Wir sollten also die Aktivitäten unserer chinesischen Wettbewerber und der lenkenden Hand von Partei und Regierungsstellen noch genauer beobachten und analysieren, um böse Überraschungen zu vermeiden. Wenn der chinesische Wettbewerber erst einmal bei uns in Besigheim vor der Tür steht, ist es zu spät. Ich möchte behaupten, dass sehr viele deutsche Maschinenbauer bis heute noch nicht ihre wichtigsten chinesischen Wettbewerber kennen, geschweige denn deren Strategien analysieren. Besonders die Förderung in den Bereichen Zulieferer für die Elektromobilität, Solar- und Windkraftindustrie, Luftfahrt, Hochgeschwindigkeitszüge und intelligente Ausrüstungen für die Produktionstechnik ist von großer Relevanz für den deutschen Maschinenbau. Für Teilbranchen wie Hütten- und Walzwerkeinrichtungen, Thermoprozesstechnik, Gießereimaschinen, Verfahrenstechnik, Fluidtechnik, Präzisionswerkzeuge, Werkzeugmaschinen oder Formenbau ergeben sich neue Marktpotenziale. Aber es entstehen auch staatlich geförderte mächtige neue Wettbewerber.


Fazit und Ausblick

Auf diese veränderten Bedingungen in China und auf dem Weltmarkt müssen sich die deutschen Maschinenbauer einstellen und die eigenen Strategien überprüfen und neu ausrichten. Das kann sowohl verstärkte Produktion und Entwicklung in China heißen, Nachdenken über neue Kooperationen oder gesteigerte Innovationen, um den chinesischen Wettbewerb auf Distanz zu halten. Mittelfristig wird China eine wichtige und aktive Rolle in Fragen der Energieeffizienz und im Umweltschutz spielen. Megacitys und umweltfreundliche Investitionen sind Bereiche für aktuelle Projekte. Besondere technische Lösungen sind hier gefragt. China ist eine Herausforderung und eine große Chance für deutsche Maschinenbauer. Auch wenn uns die eine oder andere Entwicklung vielleicht nicht gefällt – sie ist Realität. Wir sollten die Kraft des „asiatischen Windes“ auch für uns nutzen, denn wie sagt ein asiatisches Sprichwort: „Wir dürfen nicht diejenigen sein, die auf den Wind der Veränderung mit dem Bau von Schutzhütten reagieren.“

Autorenprofil

Dr. Thomas Lindner ist Präsident des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) (www.vdma.org)sowie Geschäftsführender Gesellschafter der Groz-Beckert KG (www.groz-beckert.com) in Albstadt. Der VDMA vertritt über 3.100 vor allem mittelständische Unternehmen der Investitionsgüterindustrie und ist damit einer der bedeutendsten Industrieverbände in Europa. Mit einem Umsatz von fast 200 Mrd. EUR (2011) und 970.000 Beschäftigten (August 2012) im Inland ist die Branche größter industrieller Arbeitgeber in Deutschland.

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