Das Schutzschirmverfahren in der Praxis

Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) am 01.03.2012 sieht die Insolvenzordnung die Möglichkeit eines sogenannten Schutzschirmverfahrens vor. Dessen Ziel ist es, im Interesse einer Verbesserung der Sanierungschancen zu erreichen, dass Schuldner und Gläubiger in die Auswahl der handelnden Akteure einbezogen werden und dass alle Beteiligten eine größere Planungssicherheit hinsichtlich des Ablaufs des Verfahrens erhalten. Im Folgenden sollen Chancen und Risiken des Schutzschirmverfahrens anhand zweier Beispiele aufgezeigt werden.

Chancen des Schutzschirmverfahrens – das Beispiel Neumayer Tekfor
Das Schutzschirmverfahren führt bei guter Kooperation zwischen den Beteiligten untereinander und mit dem Insolvenzgericht zu gesteigerten und beschleunigten Sanierungserfolgen. Das Beispiel Neumayer Tekfor verdeutlicht dies. Die Neumayer Tekfor Gruppe ist ein großer deutscher Automobilzulieferer und beschäftigt in Deutschland an drei Produktionsstandorten ca. 1.600 Mitarbeiter. Mitte September 2012 stellte sich die Neumayer Tekfor Gruppe unter den Schutzschirm, nachdem die wirtschaftliche Situation der Gruppe kritisch geworden war.

Schlüsselrolle des vorläufigen Sachwalters
Der Sanierungserfolg der Neumayer Tekfor Gruppe im Anschluss an diesen Schritt wurde dadurch begünstigt, dass seit dem 01.03.2012 der Schuldner nach neuem Insolvenzrecht die Möglichkeit hat, dem Insolvenzgericht den vorläufigen Sachwalter vorzuschlagen. Das Insolvenzgericht kann diesen Vorschlag nur dann ablehnen, wenn er offensichtlich ungeeignet ist. Dieses Auswahlrecht des Schuldners ist von herausragender Bedeutung. Im Fall Neumayer Tekfor gelang es mithilfe der gezielten Auswahl eines erfahrenen vorläufigen Sachwalters, der mit der Branche vertraut ist und als ausgezeichneter Sanierer gilt, insbesondere die Banken in Verhandlungen zu überzeugen, ihre Kredite nicht fällig zu stellen.

Chancen für Investoren
Die Sanierung im Wege eines Insolvenzplans, auf die der Schutzschirm zielt, ermöglicht zudem, dass der Rechtsträger erhalten bleibt und parallel zum Insolvenzverfahren ein M&A-Prozess mit dem Ziel eines Share Deals betrieben werden kann. Dies führt insbesondere dazu, dass vorteilhafte Verträge des Schuldners mit seinen Kunden erhalten bleiben. Nachteilige Verträge können insolvenzbedingt beendet werden. Für die Neumayer Tekfor Gruppe fand sich ein indischer strategischer Investor, die Amtek Auto Ltd., die die Neumayer Tekfor Gruppe insgesamt im Wege von Share Deals übernahm. Mit einem Umsatzvolumen von über 2 Mrd. USD und mehr als 50 Produktionsstandorten ist die so neu entstandene Gruppe nun einer der Weltmarktführer unter den Zulieferern in der Automobilindustrie. Alle der ca. 1.600 Arbeitsplätze der Neumayer Tekfor Gruppe in Deutschland wurden gerettet.

Risiken des Schutzschirmverfahrens – das Beispiel Dailycer
Die Sanierung kann selbst dann gelingen, wenn ein Insolvenzgericht die Neuerungen des ESUG nicht beachtet. Allerdings ist der Sanierungserfolg in einem solchen Fall gefährdet. Dies zeigt sich am Beispiel Dailycer. Dailycer war europäischer Marktführer in Herstellung und Vertrieb von Müsli und sonstigen Cerealien mit einem Jahresumsatz von ca. 350 Mio. EUR und ca. 1.400 Mitarbeitern. Die Unternehmensgruppe hatte sich europaweit aufgestellt, dabei aber weniger Synergieeffekte erzielt als geplant, sodass die Erträge im Jahr 2012 zurückgingen. Mitte Juni 2012 entschied sich Dailycer deshalb, das Schutzschirmverfahren zu beantragen.

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