Next Gen – New Role

Gesellschafter mit neuem Rollenverständnis

Foto: putilov_denis - stock.adobe.com

Wenn sich Gesellschafter aus der operativen Führung in die Gremien zurückziehen, gewinnen Fremdmanager zunehmend an Bedeutung. Die Herausforderung: das gemeinschaftliche Commitment der Familie, diesen Schritt zu gehen und die richtige „Passung“ beim Fremdmanager inklusive Onboarding zu erreichen. Doch der Schritt kann sich durchaus lohnen – denn die neue Rolle der Familiengesellschafter schafft Potenzial für neue Aufgaben und Schwerpunkte.

Familienunternehmen waren lange Zeit klassischerweise geprägt durch „mächtige Macher“, sprich: Ein hoher Einflussgrad durch Kapitalbesitz gekoppelt mit Führungsverantwortung auf der Geschäftsführungsebene prägten das Unternehmen.

Rückzug von der Frontlinie – eine weitere Option?

Das hat sich zuweilen geändert: Mit zunehmender Unternehmensgröße und wachsender Gesellschafteranzahl in Mehrgenerationenunternehmen verlieren diese „mächtigen Macher“ Einfluss und wechseln oftmals in die Kategorie „mächtiger Einflussnehmer“ aufgrund des Kapitalbesitzes, aber ohne Führungsverantwortung. An ihre Stelle treten dann zumeist mit der operativen und strategischen Bewältigung des Tagesgeschäfts erfahrene und kompetente Fremdmanager, während Gesellschafter ins Gremium wechseln, ob Beirat oder Gesellschafterausschuss.

Die Motivation für diese Entwicklung kann vielfältig sein; selbstverständlich spielen auch die sich veränderten Rahmenbedingungen für die Führung von Organisationen eine Rolle. Die Informationstechnologie hat zu einer hohen Transparenz des Markt- und Unternehmensgeschehens geführt bei gleichzeitig überproportional gestiegener Komplexität der Strukturen, Prozesse, Methoden und Produkte. Führung kraft „Herrschaftswissens“ und Informationsmonopols ist nicht mehr möglich. Die Ansprüche an Aufgabeninhalte und Kompetenzen und an Leadership sind entsprechend stark gestiegen – und dabei hat sich bei einigen Gesellschaftern die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Besten und Geeignetsten das Unternehmen führen sollten, um neben Wettbewerbsfähigkeit, Ertragskraft und Unternehmenswert auch die Dividendenfähigkeit und das Familienvermögen zu sichern und zu steigern.

Bei in der Regel gleichbleibend hoher Verbundenheit zum Unternehmen verspüren auch einige Familiensprösslinge eine geringere moralische Verpflichtung, das Unternehmenserbe fortzuführen und es über die eigenen beruflichen Ziele zu stellen. Es geht vielmehr darum: Will ich es? Kann ich es? Und darf ich es auf meine Art?

Weiterhin sind viele Junioren als Kinder der Multioptionsgesellschaft in materieller und akademischer Vielfalt aufgewachsen und streben heute weniger nach Prestige und Status, sondern nach lebenslangem Lernen und einer selbstbestimmten Balance von Beruf und Freizeit mit einer sinnhaften Lebenserfüllung im Vordergrund.

Dass dies nicht für alle Familienunternehmen und deren Gesellschafter zutrifft, zeigen Beispiele namhafter Familienunternehmen wie Viessmann, Rossmann, Fielmann, Uzin Utz, Liebherr, aber auch neue junge Unternehmen, wie etwa Flixbus und Celonis.

Aber in Abhängigkeit der Verfügbarkeit entsprechend motivierter und befähigter Nachfolger aus dem Familienkreis kann der Rückzug für eine Generation eine Option auf Zeit sein, mit der Möglichkeit eines Re-Entry in der Folgegeneration.

Fremdmanagement ist mehr als Lückenfüller

Stehen die Zeichen auf Rückzug, dann heißt es oftmals „Neue Besen kehren gut“ – aber hoffentlich passt der Besen zum Unternehmen und zur Strategie, und hoffentlich kehrt er an der richtigen Stelle. Familienunternehmen brauchen professionelles Fremdmanagement, das sich nicht kraft Hierarchie und Titel, sondern durch überlegene Fach- und Führungskompetenz sowie eine gehörige Portion Feingespür für die Schnittstelle von Familie und Unternehmen auszeichnet. Das bedeutet auch mehr Führung mit „Herz und Verstand“ und nicht nur technokratisches Management. Dies setzt voraus, dass das Fremdmanagement gelegentlich auch in die Niederungen des Tagesgeschäfts hinabsteigt, um sich mit den Kernprozessen und den Erfolgsfaktoren persönlich vertraut zu machen – wie dies ein Erfolgsfaktor vieler Familienunternehmer in operativer Verantwortung über Generationen hinweg war.

Beim Übergang der operativen Führung auf das Fremdmanagement ist wie bei der klassischen Nachfolge von Senior- auf Juniorgeneration ein Diskurs über Tradition und Moderne enorm wichtig – denn die Erhaltung und Weiterentwicklung der Familienmarkenkraft durch einen externen Nachfolger ist eine Herausforderung, die nicht durch Verträge gelöst werden kann.

Gesellschafter und Fremdmanagement können und müssen hierfür konkrete Maßnahmen ergreifen, damit Integration und Einsatz des Fremdmanagements nachhaltig erfolgreich ist und bleibt. Familienunternehmen wie Henkel, Haniel und Freudenberg sind nur einige der zahlreichen Beispiele, die dies seit Langem erfolgreich vorführen.

New Roles und das neue Zusammenspiel

Frei von der Last der strategischen und operativen Alltagsbewältigung im – je nach Verfassung des Organs – beratenden oder kontrollierenden Gremium kann der Fokus der Familiengesellschafter neu gelegt werden: auf das „Big Picture“ des Unternehmens. Ob Value Creation, Nachfolgefähigkeit, Diversität, Nachhaltigkeit und SociaI Impact, Portfolioüberlegungen – die Brandbreite an für das Unternehmen hochrelevanten Themen auf der Agenda der Familiengesellschafter in ihrer neuen Rolle ist enorm und definitiv weit entfernt von Mäzenatentum und Privatierhobbys.

Die Kunst des Familienrepräsentanten in der neuen Rolle besteht darin, die eigene Marken- und Kapitalmacht produktiv im Sinne der Unternehmens- und Vermögenswertsteigerung langfristig und nachhaltig einzusetzen – und das in Abstimmung mit der Unternehmensstrategie und Top-Managementagenda. Diesen Balanceakt zwischen menschlichen Machtinteressen von nicht-aktiven Familienmitgliedern und der dem Fremdmanagement überlassenen Entscheidungsmacht für das Unternehmen ist auch eine Managementleistung der beteiligten Personen, die häufig nicht sichtbar, wenig geschätzt, aber bei erfolgreichen Familienunternehmen feststellbar ist.

Dabei darf die neue Führungskonstellation aus Fremdmanagement und familienbesetzten Gremien nicht zur Entscheidungsfalle werden. Schließlich soll es bereits vorgekommen sein, dass Vorlagen zwischen den Organen hin und her kreisen und fortwährend nachgefragt wird, wer noch mitgenommen und abgeholt werden muss und ob die Vorlage abgestimmt ist. Entscheidender Erfolgsfaktor in diesem „neuen Rollenzusammenspiel“ ist, dass Entscheidungsqualität und Entscheidungsgeschwindigkeit weiterhin zu den elementaren Wettbewerbsvorteilen in dynamischen und komplexen Märkten zählen – gerade für Familienunternehmen.

Fazit

Die DNA von Familienunternehmen ist auf generationenübergreifende Kontinuität angelegt. Der wachsenden Komplexität des Geschäfts und der mittlerweile vielfältigen Gestaltungsthemen jenseits der strategischen und operativen Agenda der Unternehmensführung geschuldet, lohnt es sich für viele Familienunternehmen, eine neue Aufgabenteilung zwischen Familienunternehmer und Topmanagement anzugehen. Voraussetzung hierfür? Eine klare Familienstrategie, eine verbindlich geklärte und dokumentierte Family- und Business Governance sowie die Grundbereitschaft der Familiengesellschafter zum Loslassen.

Autorenprofil
Gustl F. Thum

Gustl F. Thum ist Managing Partner der Dr. Wieselhuber & Partner GmbH und Experte für Familienunternehmen. Der Diplom-Kaufmann (LMU München/HSG St. Gallen) ist Mitglied in diversen Wirtschaftsvereinigungen, Lehrbeauftragter für "Strategisches Management" sowie Autor und Referent zu den zentralen unternehmerischen Gestaltungsfeldern von Familienunternehmen.

Vorheriger ArtikelToolport schließt strategische Partnerschaft mit GFP
Nächster ArtikelB plus L erwirbt führenden süddeutschen Containervermieter